Ganciclovir
Handelsnamen: Virgan®, Cymeven® u.a.
Definition
Ganciclovir ist ein Virostatikum aus der Klasse der Nukleosidanaloga, das zur Behandlung von Herpesviren verabreicht wird.
Chemie
Ganciclovir hat die Summenformel C9H13N5O4 und besitzt eine molare Masse von 255,2 g/mol.
Wirkmechanismus
Ganciclovir ist ein synthetisches Analogon der Nukleinbase Guanin bzw. von Desoxyguanosin. Es hemmt die Replikation von Herpesviren in vitro und in vivo. Empfindliche Viren sind:
- humanes Cytomegalievirus (CMV)
- Herpes-simplex-Virus-1 und -2 (HSV-1, HSV-2)
- humane Herpesviren 6, 7, 8
- Epstein-Barr-Virus (EBV)
- Varicella-Zoster-Virus (VZV)
- Hepatitis-B-Virus
In CMV-infizierte Zellen wird Ganciclovir von der viralen Proteinkinase UL97 zu Ganciclovir-Monophosphat phosphoryliert. Durch mehrere zelluläre Kinasen wird der Metabolit zu Ganciclovir-Triphosphat umgewandelt. Die virostatische Wirkung von Ganciclovir basiert auf der Hemmung der viralen DNA-Synthese durch
- kompetitive Hemmung der DNA-Polymerase und damit des Einbaus von Desoxyguanosintriphosphat in die virale DNA
- Einbau von Ganciclovir-Triphosphat in die virale DNA, wodurch die virale DNA-Elongation abgebrochen wird.
Pharmakokinetik
Der Wirkstoff weist eine geringe orale Bioverfügbarkeit von nur 5 % auf. Nach intravenöser Applikation beträgt das Verteilungsvolumen im Steady State 0,54-0,87 l/kgKG. Die Plasmaproteinbindung liegt bei 1-2 %. Ganciclovir tritt außerdem in den Liquor cerebrospinalis über.
Ganciclovir wird ohne vorherige Biotransformation renal eliminiert. Bei normaler Nierenfunktion sind 90 % der verabreichte Dosis innerhalb von 24 Stunden im Urin nachweisbar. Die Halbwertszeit beträgt ca. 2-4 Stunden.
Indikationen
- Cytomegalievirus-Erkrankung (z.B. Retinitis, Pneumonie, Kolitis) bei vorliegender Immunschwäche (z.B. AIDS)
- Prävention einer CMV-Erkrankung bei arzneimittelinduzierter Immunsuppression (z.B. nach Chemotherapie oder Organtransplantation)
- akute, oberflächliche Herpes-simplex-Keratitis
Darreichungsformen
Es existieren zwei Darreichungsformen von Ganciclovir:
- 500 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung (z.B. Cymeven®)
- Augengel 1,5 mg/g (Virgan®)
Dosierung
Bei Behandlung einer CMV-Erkrankung wird Ganciclovir alle 12 Stunden mit einer Dosis von 5 mg/kgKG über 1 Stunde als intravenöse Infusion verabreicht. Die Therapiedauer beträgt 14-21 Tage. Bei Immungeschwächten kann eine Erhaltungstherapie duchgeführt werden: Einmal täglich an 7 Tagen pro Woche als einstündige intravenöse Infusion mit einer Dosis von 5 mg/kgKG, alternativ 6 mg/kgKG einmal täglich an 5 Tagen pro Woche. Die Dauer der Erhaltungstherapie wird individuell bestimmt. Bei bestehender Niereninsuffizienz ist eine Dosisreduktion notwendig.
Zur Prävention einer CMV-Erkrankung existieren zwei Schemata:
- 5 mg/kgKG über 1 Stunde als intravenöse Infusion, einmal täglich an 7 Tagen pro Woche
- 6 mg/kgKG einmal täglich an 5 Tagen pro Woche
Die Dauer der Prophylaxe wird individuell bestimmt.
Zur topischen Behandlung einer Herpes-Simplex-Keratitis wird 1 Tropfen Ganciclovir fünfmal täglich bis zur Reepithelisierung der Cornea, anschließend 1 Tropfen dreimal täglich für 7 Tage verabreicht. Die Behandlungsdauer beträgt i.d.R. maximal 21 Tage.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Virusresistenz
Bei Patienten, die wiederholt ein ungenügendes klinisches Ansprechen zeigen oder während der Behandlung dauerhaft Viren ausscheiden, ist eine Virusresistenz in Betracht zu ziehen. Sie kann durch Selektionen von Mutationen im viralen Kinase-Gen (UL97) oder im viralen Polymerase-Gen (UL54) auftreten.
Ganciclovir-resistente Virenstämme sprechen i.d.R. auf Foscarnet oder Cidofovir auf.
Nebenwirkungen
Das Nebenwirkungsprofil von Ganciclovir ist vergleichbar mit dem von seinem Prodrug Valganciclovir, wobei Diarrhoen seltener auftreten. Zu den häufigsten und schweren Nebenwirkungen zählen:
- Blutbildveränderungen (Hämatotoxizität): Leukopenien, Neutropenien, Thrombozytopenien, Anämien, selten Agranulozytose. Daher sollte während den ersten 14 Tagen der Anwendung, die Zahl der Leukozyten jeden zweiten Tag kontrolliert werden.
- Infektionen: z.B. Candida-Infektionen, Atemwegsinfektionen
- gastrointestinal: Appetitminderung, Gewichtsverlust, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Obstipation, Dysphagie, Pankreatitis, Magenulkus
- Hypersensitivität, anaphylaktische Reaktion
- psychiatrisch: Depression, Angstzustände, Verwirrtheit, Agitation, Psychose, Denkstörungen, Halluzinationen
- neurologisch: Kopfschmerzen, Insomnie, Dysgeusie, Hypästhesie, Parästhesie, periphere Neuropathie, Tremor, Krampfanfälle, Schwindel
- ophthalmologisch: Makulaödem, Netzhautablösung, Sehstörungen, Konjunktivitis
- Ohrenschmerzen
- Hypotonie
- Dyspnoe, Husten
- Leberfunktionsstörung, Anstieg der Transaminasen und alkalischen Phosphatase
- dermatologisch: Dermatitis, Pruritus, Alopezie, Urtikaria
- Rückenschmerzen, Myalgie, Arthralgie, Muskelkrämpfe
- Nierenfunktionsstörung, Kreatininanstieg im Plasma (Nephrotoxizität)
- Fatigue, Pyrexie, Schüttelfrost, Schmerzen, Reaktionen an der Injektionsstelle
Ganciclovir gilt als potentiell teratogen und karzinogen. Daher müssen Frauen im gebärfähigen Alter eine wirksame Empfängnisverhütung während der Behandlung und für mindestens 30 Tage danach praktizieren. Männer sollten während der Behandlung und mindestens 90 Tage danach Kondome zur Kontrazeption verwenden.
Ganciclovir kann die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen wesentlich beeinflussen.
Wechselwirkungen
- Imipenem: Risiko von Krampfanfällen
- Probenecid: verringerte renale Clearance von Ganciclovir, damit höheres Risiko für Nebenwirkungen
- Wirkstoffe, die myelosuppressiv sind oder mit einer Nierenfunktionsstörung in Verbindung stehen (z.B. Dapson, Amphotericin B, Ciclosporin, Vincristin, Zidovudin, Didanosin): erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen
Kontraindikationen
Ganciclovir ist aufgrund seiner Teratogenität in Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert. Weiterhin sollte Ganciclovir nur unter strenger Indikationsstellung bei Kindern und Jugendlichen verwendet werden.
Ganciclovir darf außerdem nicht angewendet werden, wenn eine Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff sowie gegen Valganciclovir, Aciclovir, Penciclovir, Valaciclovir oder Famciclovir besteht. Des Weiteren solte eine Behandlung nicht begonnen werden, wenn die absolute Neutrophilenzahl < 500/µl, die Thrombozytenzahl < 25.000/µl oder der Hämoglobinspiegel < 8 g/dl liegt.
Kosten
Eine Einheit mit 500 mg der Firma Hexal kostet 69,83 € (Stand 01.01.2020)