Vincristin
Synonyme: Vincristinum, Vincristinsulfat, Leurocristin, Vincristini sulfas PhEur
Handelsname: Oncovin®
Englisch: Vincristine
Definition
Vincristin ist ein Zytostatikum, welches zur Krebsbehandlung eingesetzt wird, bei der man sich seine hemmende Wirkung auf die Zellteilung zu Nutze macht. Es wird zur Chemotherapie – häufig in Kombination mit anderen Zytostatika – zur Bekämpfung von malignen Tumorerkrankungen angewendet.
Chemie
Chemisch betrachtet gehört Vincristin zur Gruppe der Pflanzenalkaloide und als erstes isoliert wurde es aus der Rosafarbenen Catharanthe. Spezieller betrachtet ist Vincristin eine Substanz aus der Gruppe der halbsynthetischen Vincaalkaloide.
Wirkmechanismus
Wie alle Vincaalkaloide heftet sich das Vincristin an das Protein Tubulin. Dadurch ist die Ausbildung von Mikrotubuli nicht mehr möglich. Diese haben die Aufgabe, im Rahmen der M-Phase der Mitose die jeweiligen Chromosomenpaare der neu gebildeten Zellen auseinanderzuziehen.
Unterbleibt dieser Mechanismus, ist die Bildung neuer Zellen nicht mehr möglich. Die Verteilung der Chromosomenpaare auf die Tochterzellen ist unverzichtbar wichtig für die Entstehung von Zellen. Da dies nun nicht mehr gegeben ist, kommt es bei den neuen Zellen zur Apoptose (Zelltod). Da sich die Zellen in einem Tumor sehr schnell teilen, ist die Mitose dort besondern stark von dem Einsatz dieses Zytostatikums betroffen und das Krebswachstum kann effektiv verlangsamt oder sogar unterbunden werden. Eine weitere Wirkung von Vincristin ist die Hemmung bzw. Störung der DNA-Synthese und der RNA-Produktion, weswegen auch keine Proteinbildung mehr möglich wäre.
Anwendungsgebiete
Ein Zytostatikum wie Vincristin greift grundsätzlich in jede Mitose, insbesondere schnell verlaufende wie bei Tumorzellen, ein. Daher kann es prinzipiell für alle malignen Tumorerkrankungen eingesetzt werden. Dennoch gibt es einige Krankheiten, bei denen Vincristin besondere Anwendung findet. Diese wäre:
- akute Leukämie
- Morbus Hodgkin
- Non-Hodgkin-Lymphom
- Rhabdomyosarkom
- Neuroblastom
- Osteosarkom
- malignes Melanom
- Nephroblastom
- Mammakarzinom
- Gebärmutterhalskrebs
- kleinzelliges Lungenkarzinom (SCLC)
- Immunthrombozytopenie (bei Patienten, die auf Kurzzeittherapie mit Corticosteroide oder Milzentfernung nicht ansprechen)
Art der Anwendung
Vincristin kann lediglich intravenös angewendet werden. Eine Chemotherapie mit diesem Präparat darf nur unter der allerstrengsten ärztlichen Aufsicht erfolgen, da eine falsche Anwendung bzw. Überdosierung schwerste bzw. tödliche Folgen haben kann. Bei Erwachsenen ist die übliche Wochendosis 1,0 – 2,0 mg/Quadratmeter Körperoberfläche. Bei Kindern und Jugendlichen beträgt die Dosis 2,0 mg/qm Körperoberfläche intravenös einmal in der Woche. Patienten mit einem direkten Serumbilirubin-Wert von über 3mg/dl darf nur eine weit niedrigere Dosis Vincristin verabreicht werden.
Nebenwirkungen
- Anämie, Leukopenie, Thrombozytopenie
- selten anaphylaktischer Schock
- Hautausschläge
- Ödeme
- Störung der ADH-Sekretion (antidiuretisches Hormon)
- erhöhte Natriumausscheidung über die Niere
- Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie (CIPN): Nervenschmerzen, Parästhesien, Gangstörungen
- Hirnnervenlähmungen
- Atrophie des Nervus opticus mit vorübergehender corticaler Erblindung
- starke Schmerze in der Mundhöhle und des Pharynx
- Gliederschmerzen
- Myalgie
- Muskelschwund
- Bluthochdruck
- Lähmungen
- Bronchospasmus
- Obstipation
- kolikartige Bauchschmerzen
- selten orale Ulzeration und Darmnekrose
- Haarausfall
- Polyurie
Treten Nervenschäden in Form einer CIPN auf, so ist die Verschlechterung der neurologischen Symptome auch nach Absetzen der Therapie mit Vincristin typisch. Diese Eigenschaft wird als Coasting-Phänomen bezeichnet und kann mehrere Monate andauern. Die neurologischen Ausfallserscheinungen können sich unter Umständen manifestieren und sind dann irreversibel.