Nephroblastom
nach dem deutschen Chirurgen Max Wilms (1867–1918)
Synonyme: Wilms-Tumor, Wilmstumor, embryonales Adenomyosarkom der Niere
Englisch: Wilms' tumor, nephroblastoma
Definition
Das Nephroblastom ist ein embryonaler, maligner Mischtumor der Niere. Er wächst anfänglich expansiv, später infiltrierend. Eine Metastasierung ist bei diesem Tumor eher selten und betrifft bevorzugt die regionalen Lymphknoten und die Lunge.
Epidemiologie
Etwa 6-10% aller malignen kindlichen Tumore sind Nephroblastome. Der Anteil der Nephroblastome an der Gesamtheit aller kindlichen Nierentumore beträgt ca. 85%. Die Inzidenz liegt bei etwa 1:9.000, der Häufigkeitsgipfel zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr. In seltenen Fällen sind bereits Neugeborene betroffen. Etwa 80% der Kinder erkranken vor dem fünften Lebensjahr. Das Geschlecht scheint nicht prädisponierend zu sein. Bei ca. 3-4% der Patienten ist die kontralaterale Niere ebenfalls betroffen.
Ätiologie
Das Nephroblastom gehört zu den dysontogenetischen Tumoren. Das Risiko an einem Nephroblastom zu erkranken, ist bei folgenden Erkrankungen erhöht:
- sporadische Aniridie
- WAGR-Syndrom (Wilms-Tumor, Aniridie, urogenitale Fehlbildungen, geistige Retardierung)
- Hemihypertrophie
- Fanconi-Anämie
- Denys-Drash-Syndrom (Nephroblastom, Hypospadie, Nephritis)
- Beckwith-Wiedemann-Syndrom (Exomphalos, Makroglossie, Gigantismus)
- Hufeisenniere
Besondere Bedeutung bei der Krankheitsauslösung wird den Tumorsuppressorgenen WT1 und WT2 auf Chromosom 11 zugesprochen. Dabei handelt es sich um eine Loss-of-Function-Mutation.
Pathohistologie
Das Nephroblastom ist ein maligner, bekapselter Mischtumor, der vor allem bei Kindern auftritt. Der Tumor zeigt histologisch eine Mischung aus drei Gewebekomponenten:
- Blastem-Komponente: undifferenziertes, sehr unreifes embryonales Gewebe
- Mesenchymale Komponente: fibromyxoides Gewebe
- Epitheliale Komponente: epitheliales Gewebe mit Ausbildung von Tubuli
Lässt sich diese Dreiteilung deutlich erkennen, spricht man von einer Standardhistologie - es müssen aber nicht alle drei Komponenten vorhanden sein.
Finden sich schwere Zellatypien bis hin zur Anaplasie, sowie sarkomatöses Stroma, entspricht dieses einer ungünstigen Histologie. Dieser histologische Subtyp tritt mit einer Häufigkeit von etwa 12% auf und muss postoperativ besonders aggressiv mit einer Chemotherapie behandelt werden. Der sogenannte Klarzelltyp stellt die bösartigste Variante des Nephroblastoms dar.
Symptomatik
Die betroffenen Kinder fallen in aller Regel durch ihr vorgewölbtes Abdomen auf. Bei der Palpation ist der Abdominaltumor gut tastbar. Etwa 30% der Patienten zeigen weitere Symptome wie Bauchschmerzen, Erbrechen oder Fieber. Eine Hämaturie lässt sich nur selten nachweisen. Bei 10% der Fälle besteht eine arterielle Hypertonie. Selbst bei ausgedehntem Befund ist der Allgemeinzustand der Kinder meist sehr gut.
Stadieneinteilung
Das Nephroblastom wird nach der SIOP in fünf Stadien eingeteilt:
- Stadium I: Der Tumor ist auf die Niere beschränkt
- Stadium II: Der Tumor überschreitet die Niere, jedoch vollständige operative Entfernung in Abhängigkeit vom Lymphknotenbefall
- Stadium III: Der Tumor überschreitet die Niere, die vollständige operative Entfernung ist nicht möglich
- Stadium IV: Nachweis von Fernmetastasen
- Stadium V: bilateraler Tumor
Komplikationen
Der Tumor kann zapfenförmig in die Nierenvenen und die Vena cava inferior vorwachsen (Cavazapfen).
Diagnostik
- Palpation des Abdomens
- Sonographie des Abdomens
- Kernspintomographie
- Röntgen des Thorax
- Skelettszintigraphie beim Klarzelltyp
Differentialdiagnose
Therapie
Um die Tumormasse zu verringern, wird bei den Patienten in der Regel eine präoperative Chemotherapie mit Vincristin und Actinomycin D über vier bis sechs Wochen durchgeführt. Nach der Chemotherapie erfolgt die Operation mit intraoperativer Stadieneinteilung. Abhängig von der Histologie, vom Tumorvolumen und Tumorstadium, erfolgt eine postoperative Chemotherapie. In Einzelfällen mit sehr weit fortgeschrittenem Befund, wird eine Bestrahlung durchgeführt.
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