Zervixkarzinom
Synonyme: Kollumkarzinom, Gebärmutterhalskrebs, Cervixkarzinom
Englisch: cervical carcinoma
Definition
Das Zervixkarzinom ist ein maligner Tumor des Gebärmutterhalses. Meist handelt es sich pathohistologisch um Plattenepithelkarzinome.
Epidemiologie
Das Zervixkarzinom ist mit einer Inzidenz von jährlich weltweit circa 500.000 Betroffenen die vierthäufigste Krebserkrankung bei Frauen sowie die zweithäufigste gynäkologische maligne Erkrankung. In Deutschland ist die Inzidenz des Karzinoms mit 9 Fällen pro 100.000 Einwohner aufgrund umfassender Präventionsmaßnahmen stark zurückgegangen. Der Altersgipfel des invasiven Zervixkarzinoms liegt bei 53 Jahren.[1]
Ätiologie und Pathogenese
Risikofaktoren
Eine Infektion mit bestimmten Typen der humanen Papillomviren (z.B. HPV Typ 16 und 18) ist nach aktuellem Kenntnisstand (2024) fast immer ursächlich für die Entstehung eines Zervixkarzinoms. Dennoch entwickelt sich aus nur ca. 2 % der HPV-Infektionen ein Zervixkarzinom.
HPV wird durch Sexualkontakte übertragen. Risikofaktoren für eine Infektion und deren Persistenz sind:
- Promiskuität
- niedriger sozioökonomischer Status
- frühe Kohabitarche
- mangelnde Sexualhygiene
- andere Genitalinfektionen (z.B. Vaginose)
- Immundefizienz
Das Risiko wird zudem durch verschiedene Co-Risikofaktoren moduliert:
- Rauchen
- Adipositas
- Frühe Menarche
- Multiparität (Schwangerschaften)
CIN (Cervical intraepithelial neoplasia)
Bei persistierender HPV-Infektion können sich zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN) bzw. "Squamous Intraepithelial Lesions" (SIL) bilden. Sie stellen eine Präkanzerose dar.
Histopathologie
In der Histopathologie lassen sich Karzinome verschiedener Gewebearten differenzieren:
- Epitheliale Tumoren
- Plattenepithelkarzinom (in 90 % der Fälle)
- Glanduläre Karzinome
- Adenokarzinom (in 5 % der Fälle)
- Andere Tumoren/Mischtumoren (in 5 % der Fälle)
- Adenosquamöser Tumor
- Adenoid-zystischer Tumor
- Adenoid-basalzelliger Tumor
- Karzinoider Tumor
- Kleinzelliger Tumor
- Undifferenzierter Tumor
- Endozervikaler Stromatumor
Metastasierung
Eine lymphogene Metastasierung tritt früh auf, v.a. in die Parametrien und Beckenlymphknoten. Relativ spät tritt hingegen eine hämatogene Metastasierung auf, dann erfolgt vornehmlich der Befall von Leber, Lunge und Skelett.
Klinik
Im frühen Stadium machen das Zervixkarzinom und seine Vorstadien keine Symptome. Die Krebsfrüherkennung in Form eines gynäkologischen Abstrichs (Zervikalabstrich, Portioabstrich) mit anschließender Zytologie hat daher in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen.
Durch diese Möglichkeit, Dysplasien frühzeitig nachzuweisen und zu behandeln, ist das Zervixkarzinom nicht mehr der häufigste gynäkologische Tumor.
Ab einer gewissen Größe und Ausdehnung des Tumors können folgende Symptome auftreten:
- Zwischenblutungen (Metrorrhagien)
- Fluor genitalis
- Kontaktblutung
- Schmerzen bei der Kohabitation
- Bei Fernmetastasen entsprechend Beschwerden je nach Lokalisation der Metastasen
Diagnose
- Vaginale Untersuchung
- Kolposkopie
- Histologie nach Abstrich, ggf. nach Biopsie
- Kürettage
Stadieneinteilung
Die Einteilung des Zervixkarzinoms erfolgt nach der TNM-Klassifikation und den Kriterien der FIGO (Fédération Internationale de Gynécologie et d'Obstétrique):
TNM | FIGO | Tumorausdehnung |
---|---|---|
TX | - | Primärtumor nicht beurteilbar |
Tis | 0 | Carcinoma in situ |
T1 | I | Tumor begrenzt auf Uterus |
T1a | IA | Mikroskopische Diagnosen |
T1a1 | IA1 | Tumor ≤ 3 mm tief, ≤ 7 mm breit |
T1a2 | IA2 | Tumor ≤ 3 - 5 mm tief, ≤ 7 mm breit |
T1b | IB | Makroskopisch sichtbar, > als T1a2 |
T1b1 | IB1 | Tumor > 5 mm tief, ≤ 2 cm breit |
T1b2 | IB2 | Tumor ≤ 2-4 cm breit |
T1b3 | IB3 | Tumor > 4 cm breit |
T2 | II | Ausdehnung jenseits des Uterus, Beckenwand und Vagina frei |
T2a | IIA | Parametrium frei |
T2a1 | IIA1 | Tumor ≤ 4 cm breit |
T2a2 | IIA2 | Tumor > 4 cm breit |
T2b | IIB | Parametrium befallen |
T3 | III | Ausdehnung bis Beckenwand und/oder untere Vaginadrittel, Hydronephrose, Befall von Lymphknoten |
T3a | IIIA | Befall des unteren Vaginaldrittels |
T3b | IIIB | Beckenwandbefall und/oder Hydronephrose bzw. Nierenversagen |
T3c | IIIC | Lymphknotenmetastasen im Becken und/oder paraaortal (auch Mikrometastasen), unabhängig von der Tumorgröße |
T3c1 | IIIC1 | ausschließlich Lymphknotenmetastasen im Becken |
T3c2 | IIIC2 | Paraaortale Lymphknotenmetastasen |
T4 | IVA | Harnblase und/oder Rektum infiltriert |
M1 | IVB | Fernmetastasen |
Eine weitere Einteilung kann nach UICC (Union internationale contre le cancer) erfolgen.
Prophylaxe
Die Prophylaxe des Zervixkarzinoms erfolgt mit HPV-Impfstoffen, die seit 2007 in Deutschland erhältlich sind (Handelsnamen: Gardasil®, Cervarix®). Die Impfung soll spätestens vor Erreichen der Geschlechtsreife, d.h. vor Aufnahme sexueller Aktivitäten und dem damit verbundenen Erstkontakt mit dem Virus erfolgen. Der Impfstoff wird dreimal innerhalb von 6 Monaten i.m. verabreicht, eine Auffrischimpfung nach 10 Jahren wird empfohlen.
Durch die tetravalente Vakzine werden geimpfte Frauen vor den HP-Virustypen 6, 11, 16 und 18 geschützt. Die nonavalente Vakzine immunisiert gegen die HPV-Typen 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58. Die IgG-Serokonversion nach vollständiger Impfung wird mit 99-100 % angegeben. Ob eine Impfung in späteren Lebensjahren ebenfalls sinnvoll ist, ist zur Zeit (2019) Gegenstand weiterer klinischer Prüfungen. Die bislang erhobenen Daten zeigen aber, dass der Effekt der Impfung bei Frauen zwischen 26 und 45 deutlich geringer ist als bei jüngeren Frauen.
Therapie
Die Therapie des Zervixkarzinoms hängt von der Ausdehnung und Größe des Tumors, aber auch vom Alter und der Belastbarkeit der Betroffenen ab.
Operative Therapie
In sehr frühen Stadien kann eine Konisation (bis FIGO IA1) oder Trachelektomie (bis FIGO IB1) ausreichend sein. Bei bereits fortgeschrittenen Tumoren ist die Standardtherapie eine Hysterektomie - je nach Stadium mit Parametrien, Resektion des oberen Scheidendrittels und paraaortaler und pelviner Lymphonodektomie (nach Wertheim-Meigs).
Radiochemotherapie
In früheren Jahren wurde die alleinige Strahlentherapie eingesetzt und als eine der Operation gleichwertige Methode angesehen. Nach zahlreichen Studien zieht man heute die kombinierte Radiochemotherapie der alleinigen Strahlentherapie vor. Hier konnten eindeutig bessere Ergebnisse und eine Senkung des Rezidivrisikos erzielt werden. Die Radiochemotherapie erfolgt hierbei als Kombination von Bestrahlung und Chemotherapeutika (z.B. Cisplatin und Paclitaxel). Sie kann durch Gabe des VEGF-Inhibitors Bevacizumab ergänzt werden.
Krebsimmuntherapie
Bei persistierendem, rezidivierendem oder metastasierendem Zervixkarzinom ist der Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab zugelassen. In verschiedenen klinischen Studien werden zur Zeit (2024) weitere PD-1-Hemmer geprüft, u.a. Atezolizumab, Cemiplimab und Durvalumab.[2]
Experimentelle Therapien
Die Anwendung des Artesunat-Abkömmlings Artenimol bei Zervixkarzinom-Patientinnen wurde in Pilotstudien als aussichtsreich eingestuft[3], aber nicht weiterverfolgt.
Prognose
Die 5-Jahres-Überlebensrate wird mit 64 % beziffert.[1]
Podcast
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Eintrag zu Gebärmutterhalskrebs im RKI-Krebsdatenregister, aufgerufen am 20.08.2024.
- ↑ Podwika SE, Duska LR. Top advances of the year: Cervical cancer. Cancer. 2023 Mar 1;129(5):657-663. doi: 10.1002/cncr.34617. Epub 2023 Jan 7. PMID: 36609769; PMCID: PMC10107116.
- ↑ First study of oral Artenimol-R in advanced cervical cancer: clinical benefit, tolerability and tumor markers PMID 22199309
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: © Susan Wilkinson / Unsplash