Artesunat
Handelsname: Artesunate Amivas®
Synonyme: Artesunatum, NSC-712571, SM-804
Englisch: artesunate
Definition
Artesunat ist ein verschreibungspflichtiges Antiprotozoikum, das zur Behandlung der durch Plasmodium falciparum u.a. Plasmodium-Arten verursachten Malaria eingesetzt wird.
Chemie
Artesunat ist ein halbsynthetisches Derivat von Artemisinin, einem Sesquiterpenoid. Die Summenformel ist C19H28O8. Der chemische Name ist
- 4-Oxo-4-[[(1R,4S,5R,8S,9R,10S,12R,13R)-1,5,9-trimethyl-11,14,15,16-tetraoxatetracyclo[10.3.1.04,13.08,13]hexadecan-10-yl]oxy]butansäure (IUPAC)
Die molare Masse beträgt 384,4 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) 2,35. Die CAS-Nummer lautet 88495-63-0. Die Substanz liegt bei Raumtemperatur als weißes, kristallines Pulver vor, die in Wasser sehr schwer löslich ist.
Wirkmechanismus
Die Wirkform von Artesunat ist Dihydroartemisinin (DHA), das schnell und effektiv gegen alle Blutschizonten der Plasmodium-Arten wirksam ist. Gegen die Hypnozoiten-Leberstadien-Form von Plasmodium vivax und Plasmodium ovale ist es nicht wirksam. Der Wirkmechanismus von Artesunat ist nicht vollständig geklärt.[1] Ein möglicher Mechanismus von DHA ist die durch Eisen vermittelte Spaltung der Endoperoxidbrücke, sodass ein instabiles freies organisches Radikal entsteht, das durch Alkylierung Membranproteine des Erregers schädigt.[2]
Pharmakokinetik
Artesunat ist ein Prodrug, das durch das Cytochrom-P450-Isoenzym CYP2A6 und durch Esterasen des Blutes in die Wirkform DHA umgewandelt wird. Nach intravenöser Applikation erfolgt die Verteilung in der extrazellulären Körperflüssigkeit (Vd 1,3 l/kgKG; DHA 0,75 l/kgKG). In mit Plasmodien infizierten Erythrozyten reichert sich DHA im Vergleich zur Plasmakonzentration auf das 300-fache an. Die Plasmaproteinbindung beträgt etwa 93 %. Die Biotransformation in der Leber erfolgt durch Glucuronidierung von DHA. Die Metabolite werden mit dem Urin ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 15 min (DHA 80 min).[2]
Indikation
Darreichungsformen
Artesunat steht in Form von Pulver zur Zubereitung einer Injektionslösung zur intravenösen Anwendung zur Verfügung.
Dosierung
Die empfohlene initiale Dosis beträgt 2,4 mg/kgKG, die nach 12 und 24 Stunden erneut appliziert wird. Da Artesunat in wässrigen Lösungen instabil ist, muss die Injektionslösung innerhalb von 1,5 Stunden nach der Zubereitung verwendet werden.[2]
Danach sollte stets ein vollständiger Behandlungszyklus mit einer zur Behandlung von Malaria geeigneten oralen Kombinationstherapie erfolgen, um auch die Hypnozoiten-Leberstadien-Form von Plasmodium vivax und Plasmodium ovale wirksam zu bekämpfen.[4]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Die wichtigsten unerwünschten Wirkungen von Artesunat sind:[2]
- hämolytische Anämie, die mit einer Latenz von mindestens 7 Tagen bis mehreren Wochen nach Beginn der Behandlung auftritt - Blutbildkontrollen sind bis 4 Wochen nach der Behandlung erforderlich!
- reversible Retikulozytopenie
- allergische Reaktionen
Wechselwirkungen
Die gleichzeitige Anwendung von starken Inhibitoren von UGT-Enzymen (z.B. Axitinib, Vandetanib, Imatinib, Diclofenac) kann zum Anstieg der DHA-Plasmaspiegel und damit zur Wirkungsverstärkung führen. Starke UGT-Induktoren (z.B. Nevirapin, Ritonavir, Rifampicin, Carbamazepin, Phenytoin) bewirken das Gegenteil.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen Artesunat oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.
Schwangerschaft und Stillzeit
Im Tierexperiment wurden reproduktionstoxische Wirkungen durch Artesunat nachgewiesen. Die Verabreichung von Artesunat kann jedoch für die Schwangere und den Fötus lebensrettend sein. Die Behandlung sollte aufgrund einer Schwangerschaft nicht verzögert werden.[1]
DHA tritt in die Milch über. Ob das Stillen unter der Behandlung zu unterbrechen ist oder auf die Behandlung während der Stillzeit verzichtet werden soll, ist im Einzelfall zu entscheiden.
Toxizität
Es liegen aktuell (2024) begrenzte Erfahrungen zur Symptomatik einer Überdosierung oder Vergiftung mit Artesunat vor. Bei einem 5 Jahre alten Kind wurden rektal 88 mg/kgKG pro Tag (etwa das 18-fache der empfohlenen Tageshöchstdosis zur Injektion) über 4 Tage verabreicht. Es kam zur Panzytopenie, Meläna und Krampfanfällen. Schließlich entwickelte sich ein Multiorganversagen, das zum Tod führte.[1]
Die Behandlung einer Vergiftung erfolgt in jedem Fall symptomatisch. Ein spezifisches Antidot steht bisher (2024) nicht zur Verfügung. Aufgrund seiner pharmakokinetischen Eigenschaften (hohe Plasmaproteinbindung) ist eine sekundäre Giftentfernung durch Hämodialyse nicht effektiv. Aufgrund der Anreicherung von DHA in den Erythrozyten, wäre bei schweren Vergiftungen eine Austauschtransfusion zu erwägen.
ATC
- P01BE03 - Antiparasitäre Mittel, Insektizide und Repellenzien - Mittel gegen Protozoenerkrankungen - Malariamittel - Artemisinin und Derivate, rein
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 Full Prescribing Information Artesunate, FDA, abgerufen am 26.11.2024
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Artesunate Amivas, EMA, abgerufen am 26.11.2024
- ↑ Fan X et al. Anti-tumor mechanism of artesunate. Front Pharmacol. 2024
- ↑ S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Malaria. AWMF Registernummer 042 - 001, abgerufen am 26.11.2024
- ↑ Artesunate Amivas. EMA, abgerufen am 26.11.2024
Weblinks
- Drugbank - Artesunate, abgerufen am 26.11.2024
- Gelbe Liste Wirkstoffe - Artesunat, abgerufen am 26.11.2024
- PharmaWiki - Artesunat, abgerufen am 26.11.2024
- PubChem 6917864
- MeSH 2028005
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