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Arzneimittelallergie

(Weitergeleitet von Medikamentenallergie)

Synonym: Medikamentenallergie
Englisch: drug allergy, drug hypersensitivity

1. Definition

Unter einer Arzneimittelallergie versteht man jede Form der spezifischen Immunantwort auf ein verabreichtes Arzneimittel. Die allergische Reaktion kann durch den Wirkstoff selbst oder andere Bestandteile des Arzneimittels hervorgerufen werden. Die Sensibilisierung kann sich auch auf Arzneimittel mit ähnlichen Wirk- bzw. Inhaltsstoffen erstrecken.

2. Nomenklatur

Die Arzneimittelallergie ist eine Form der Arzneimittelüberempfindlichkeit. Der Begriff "Arzneimittelüberempfindlichkeit" ist jedoch weiter gefasst, da er auch Arzneimittelreaktionen beschreibt, die nicht immunologisch bedingt sind. Letztere bezeichnet man auch als pseudoallergische Reaktionen oder Intoleranzreaktionen.

3. Epidemiologie

Die Inzidenz allergischer Arzneimittelreaktion wird etwa mit 1:10.000 angegeben. Bei etwa 26 % aller Erwachsenen kommt es im Verlauf des Lebens zu einer Allergie gegen ein Arzneimittel.
Die Behandlung mit Penicillinen führt bei 0,7 bis 10 % der Patienten zu einer Penicillinallergie.
Eine durch Metamizol verursachte Agranulozytose betrifft 1:100.000 bis 1:1.000.000 Behandlungsfälle.
Lebensbedrohliche Reaktionen (z.B. Anaphylaxie, Agranulozytose, Thrombozytopenie, Autoimmunerkrankung) sind selten.

4. Auslöser

Eine Arzneimittelallergie kann grundsätzlich durch jedes Arzneimittel ausgelöst werden.

Je nach Applikationsform kann es zu unterschiedlich starken Reaktionen kommen. Vor allem bei Arzneimitteln, die dermal appliziert werden, kommt es weitaus häufiger zu allergischen Reaktionen als bei intravenöser oder oraler Verabreichung. Nach intramuskulärer Injektion besteht eine mittlere Häufigkeit. Die lokale Anwendung von Penicillinen, Sulfonamiden oder Streptomycin ist wegen der großen Häufigkeit allergischer Reaktionen kontraindiziert.

Die Immunogenität von Arzneistoffen ist von der Größe der Wirkstoffmoleküle abhängig. Bei der Anwendung von Makromolekülen (z.B. monoklonale Antikörper) ist die Wahrscheinlichkeit einer Immunreaktion größer als bei niedermolekularen Wirkstoffen (< 700 bis 800 Dalton). Die kleinsten immunogenen Peptide bestehen aus 7 Aminosäuren. Damit ein kleines Arzneistoffmolekül (Hapten) immunogen wird, muss es kovalent an ein Tägerprotein (Carrier) gebunden werden. Haptene können z.B. während der Biotransformation des Arzneimittels entstehen. Die Bindung muss bei der Proteolyse des Carriers erhalten bleiben. Der Hapten-Peptid-Komplex wird an antigenpräsentierende Zellen gebunden und von T-Helfer-Lymphozyten erkannt, wenn die Peptide aus 12 bis 15 Aminosäuren bestehen.

Von einer Arzneimittelallergie abzugrenzen sind pseudoallergische Reaktionen, die durch Histaminfreisetzung oder Histaminintoleranz ausgelöst werden.

4.1. Systemische Anwendung

Die folgenden Wirkstoffgruppen bzw. Arzneistoffe sind wichtige Auslöser bei systemischer Verabreichung:

Wirkstoffklasse Arzneistoffe
Analgetika Pyrazolone
Pyrazolidine
Oxicame
Goldpräparate
D-Penicillamin
Antibiotika Penicilline
Cephalosporine
Chloramphenicol
Antiepileptika Phenytoin
Antimykotika Amphotericin B
Antiprotozoika Chinin
Blutersatzmittel Gelatine
Hydroxyethylstärke
Humanalbumin
Chemotherapeutika Sulfonamide
Nitrofurantoin
Nalidixinsäure
Isoniazid
Herz-Kreislauf-Mittel Procainamid
Methyldopa
Hydralazin
Hormone ACTH
Insulin
Hypnotika Barbiturate
Muskelrelaxantien Suxamethonium
Psychopharmaka Neuroleptika (Phenothiazine, Clozapin)
Trizyklische Antidepressiva
Meprobamat
Thyreostatika Mercaptoimidazole
Thiouracile
Perchlorat

4.2. Dermale Anwendung

Die folgenden Wirkstoffgruppen bzw. Arzneistoffe sind wichtige Auslöser bei dermaler Verabreichung:

Wirkstoffklasse Arzneistoffe
Antibiotika Neomycin
Gentamicin
Penicilline
Streptomycin
Antihistaminika H1-Rezeptorantagonisten
Chemotherapeutika Sulfonamide
Chinoline
Imidazole
Lokalanästhetika Procain
Lidocain

5. Symptome

Die Symptome einer Arzneimittelallergie betreffen die gleichen Gewebe und Organe wie bei Allergien durch andere Auslöser. Folgende Organmanifestationen sind möglich:

siehe auch: DRESS-Syndrom

siehe auch: medikamenteninduzierter Lupus erythematodes

5.1. Allergietypen

Die Arzneimittelallergie kann wie andere Allergien in verschiedene Typen unterteilt werden.

siehe auch Allergie

Typ Klinik Auslöser
Typ-I-Allergie (Sofort-Typ) Ur­tikaria, Angioödem und/oder Anaphylaxie
Typ-II-Allergie (Zytotoxischer Typ) Agranulozytose, Leukopenie, thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, hämolytische Anämie
Typ-III-Allergie (Immunkomplex­-Typ) Serumkrankheit, Vasculitis allergica
  • hochmolekulare Auslöser: Antiseren
  • niedermolekulare Auslöser: Penicilline, Sulfonamide, Phenylbutazon, Thiouracil
Typ-IV-Allergie (Spättyp) Arzneimittelexantheme, photoallergische Dermatitis, Symmetrical drug related intertriginous and flexural exanthema (SDRIFE)

6. Diagnostik

Die allergologische Diagnostik von Überempfindlichkeitsreaktionen auf Arzneimittel unterscheidet sich je nach Allergietyp und umfasst:[1]

Allergietyp Diagnostische Methode
Typ-I-Allergie
Typ-II-Allergie
Typ-III-Allergie
Typ-IV-Allergie
  • Nachweis der spezifischen Sensibilisierung mit Hauttestung (Intrakutantest mit Spätablesung, Epikutantest)
  • evtl. Lymphozytentransformationstest
  • bei unklarer und nicht schwerwiegender Anamnese sowie fehlendem Nachweis einer Sensibilisierung, ggf. Provokationstestung, sonst ggf. Ausweichexpositionstest

7. Therapie

Bei Verdacht auf eine Arzneimittelallergie sollte (wenn möglich) das Arzneimittel sofort abgesetzt werden. Je nach Schwere stellt die Allergie eine Kontraindikation für die weitere Anwendung dar und es muss eine lebenslange strikte Karenz eingehalten werden. Der Patient muss mit einem Allergie-Notfallset ausgestattet werden und einen Allergiepass erhalten. Das therapeutische Vorgehen bei den einzelnen Allergietypen entspricht ansonsten den Maßgaben wie bei Allergien durch andere Auslöser.

siehe auch: Allergie

8. Quellen

9. Literatur

  • Aktories K et al, Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 13. Aufl., München: Elsevier 2022
  • Freissmuth M, Offermanns S, Böhm S. Pharmakologie und Toxikologie. 3. Aufl., Berlin : Springer 2020
  • Geisslinger G et al. Mutschler Arzneimittelwirkungen: Pharmakologie - Klinische Pharmakologie - Toxikologie. 11, Aufl., Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2020

10. Weblinks

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