Nichtalkoholische Fettlebererkrankung
Synonym: Nichtalkoholische Fettleber, metabolische Dysfunktion-assoziierte steatotische Lebererkrankung
Englisch: non-alcoholic fatty liver disease, NAFLD, metabolic dysfunction-associated steatotic liver disease, MAFLD
Definition
Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung, kurz NAFLD, ist eine Form der Fettleber (Steatosis hepatis), die nicht durch einen erhöhten Alkoholkonsum bedingt ist. Sie umfasst zum einen die nichtalkoholische Fettleber (NAFL) sowie die nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH).
Terminologie
Im Rahmen des EASL-Kongresses 06/2023 haben mehrere internationale hepatologische Fachgesellschaften beschlossen, NAFLD fortan als Metabolic Dysfunction-associated Steatotic Liver Disease, kurz MAFLD, zu bezeichnen, obwohl diese Bezeichnung einige Entitäten ausschließt (z.B. Glykogenosen) oder andere nur bedingt und unscharf abbildet, wie z.B. die Lean-NAFLD. Die NASH wird entsprechend umbenannt in Metabolic Dysfunction-associated Steatohepatitis (MASH). Ein offizieller deutscher Begriff ist aktuell (12/2023) noch nicht festgelegt.
Epidemiologie
Die NAFLD ist in den meisten Industrienationen die häufigste chronische Lebererkrankung. In Europa beträgt die Prävalenz schätzungsweise 20 bis 30 %. Bei Risikopatienten mit metabolischem Syndrom steigt die Rate deutlich an.
Einteilung
- Reine Fettleber (NAFL):
- Grad 1: milde Fettleber (Fetteinlagerung < 1/3 der Hepatozyten)
- Grad 2: mäßige Fettleber (Fetteinlagerung < 2/3 der Hepatozyten)
- Grad 3: schwere Fettleber (Fetteinlagerung in > 2/3 der Hepatozyten)
- Nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH)
- Mikronoduläre Leberzirrhose (NASH-Zirrhose)
Ätiologie
Die NAFLD kann als Manifestation des metabolischen Syndroms in der Leber angesehen werden. Entsprechend ist die nichtalkoholische Fettlebererkranung assoziiert mit Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2, arterieller Hypertonie und Dyslipidämie.
Weitere Ursachen, die zu einer Steatosis hepatis führen können, werden i.d.R. nicht zur NAFLD gezählt (siehe Differentialdiagnosen).
Pathophysiologie
Die pathophysiologischen Mechanismen der NAFLD sind aktuell (2021) nicht vollständig geklärt. Die Steatosis hepatis entsteht, wenn die Lipidaufnahme und die Lipogenese die Mechanismen zur Entfernung der Triglyzeride übersteigen, sodass es zur Akkumulation in den Hepatozyten kommt. Adipositas fördert diese Akkumulation durch eine Veränderung der Darmflora.
Als Folge bilden die Hepatozyten Entzündungsmediatoren, welche die Insulinwirkung blockieren. Weiterhin produzieren die Fettzellen Adipokine, welche die Insulinsensitivität vermindern. Als Folge der Insulinresistenz entstehen Hyperglykämien und eine Hyperinsulinämie. Die erhöhten Insulinspiegel fördern wiederum die Lipidaufnahme sowie die Synthese und Speicherung von Fett.
Die Vorstufen und Nebenprodukte der Triglyzeride (z.B. reaktive Sauerstoffspezies) können die Leberzellen schädigen. Die absterbenden Hepatozyten setzen Wachstumsfaktoren frei, die Reparaturprozesse triggern. Diese umfassen die Expansion von Myofibroblasten und Vorläuferzellen, die Immunzellen rekrutieren und die extrazelluläre Matrix umbauen. Das morphologische Äquivalent dieser Erkrankungsphase ist die NASH. Sie entwickelt sich bei ungefähr 5 bis 20 % der Patienten mit einer NAFL.
Mögliche Endstadien der chronischen Entzündung sind eine Leberfibrose, Leberzirrhose und ein hepatozelluläres Karzinom (HCC). Eine NASH geht in 10 bis 20 % d.F. in eine Fibrose über, die sich in unter 5 % d.F. in eine Leberzirrhose weiterentwickeln kann. Das Risiko eines HCC bei Leberzirrhose beträgt ca. 2 % pro Jahr.
Klinik
Ungefähr 50 % der Patienten mit einer NAFLD sind asymptomatisch. Die Diagnose wird meist zufällig gestellt, wenn bei einer Blutuntersuchung erhöhte Werte der Transaminasen oder in der Sonographie Hinweise auf eine Fettleber auffallen.
Weiterhin ist die NAFLD assoziiert mit:
- chronischer Müdigkeit
- Stimmungsveränderungen
- obstruktivem Schlafapnoesyndrom
- Schilddrüsenfunktionsstörungen
- chronischem Schmerzsyndrom
Bei 50 bis 90 % der Betroffenen besteht eine Adipositas. Patienten mit NAFLD weisen auch andere Merkmale des metabolischen Syndroms auf. Einige zeigen Zeichen einer chronischen Lebererkrankung (z.B. Palmarerythem, Spider naevi, Splenomegalie). In fortgeschrittenen Fällen entstehen Komplikationen einer Leberinsuffizienz (z.B. Ikterus, Aszites, Varizenblutungen).
Diagnostik
Für die Diagnose einer NAFLD muss ein erhöhter Fettgehalt der Leber ohne zugrundeliegendem Alkoholabusus belegt werden. Die Schwellen für einen potenziell schädlichen Alkoholkonsum wurden bei Frauen auf 10 g/d, bei Männer auf 20 g/d festgelegt. Um die Diagnose zu stellen, muss durch bildgebende oder histologische Verfahren eine Fettleber nachgewiesen werden, wobei kein anderer Grund für eine sekundäre Steatose vorliegen darf.
Grundsätzlich ist zur Diagnosesicherung einer NAFLD keine invasive Untersuchung erforderlich, es reichen eine Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung, eine bildgebende Untersuchung der Leber und Blutuntersuchungen zum Ausschluss anderer Lebererkrankungen. Wichtig ist, dass die Leber oft nicht vergrößert ist und die Serumaminotransferasen sowie die anderen Leberwerte (z.B. Bilirubin, Albumin, Prothrombinzeit) bei NAFLD normal sein können. Da es bislang keine spezifische Blutuntersuchung gibt, erhöht sich die diagnostische Sicherheit durch den Nachweis bekannter Risikofaktoren (erhöhter Body Mass Index, Insulinresistenz/Diabetes mellitus Typ 2, erhöhter arterieller Blutdruck, Dyslipidämie, Hyperurikämie/Gicht).
Derzeit ist die Leberbiopsie der Goldstandard zur Ermittlung des Schweregrads einer Leberschädigung, wobei zunehmend nichtinvasive Methoden zur Anwendung kommen (z.B. eine Elastographie). Zur Abschätzung des Progressionsrisiko eignet sich außerdem der NAFLD-Fibrosis-Score.[1]
Anamnese
- Ernährungsanamnese, Alkoholkonsum
- Medikamentenanamnese
- Begleiterkrankungen, Vorerkrankungen
Labor
- oft Erhöhung der y-GT
- GOT, GPT: häufig erhöht bei NASH, spiegeln jedoch die Schwere der Leberzellschädigung nicht zuverlässig wieder
- De-Ritis-Quotient (GOT/GPT) oft <1 (im Gegensatz zur alkoholischen Steatohepatitis, dort ist der De-Ritis-Quotient >1)
- Keratin 8 und Keratin 18: vielversprechende Surrogatparameter zur Differenzierung von Patienten mit NAFL und NASH, bisher keine Routineuntersuchung
Bildgebung
- Sonographie
- Echomuster homogen verdichtet ("helle Leber" im Vergleich zum Nierenparenchym)
- Abrundung des Leberunterrandes
- bei starker Ausprägung evtl. distale Schallabschwächung
- evtl. fokale Verfettungen (oft im Bereich der Pfortadergabel und des Gallenblasenbettes)
- ggf. Nachweis einer Fibrose oder Zirrhose
- Elastographie
- MRT der Leber
Leberpunktion
Die Leberbiopsie ist der diagnostische Goldstandard zur Unterscheidung einer NASH von einer Leberfibrose oder Leberzirrhose. Eine mikroskopische Differenzierung zur alkoholischen Steatohepatitis ist nicht möglich. Zu beachten sind ein relativ hohes Risiko an Komplikationen (z.B. Blutungen) und eine Letalität von ca. 0,1 % bei Leberpunktionen.
Differentialdiagnosen
- Alkoholische Fettleber (AFL) bzw. alkoholische Steatohepatitis (ASH)
- Hepatitis C (v.a. Genotyp III)
- Morbus Wilson
- kongenitale Stoffwechselstörungen: Abetalipoproteinämie, Cholesterinester-Speicherkrankheit, LCAT-Mangel, Galaktosämie, Glykogenspeicherkrankheit, hereditäre Fruktoseintoleranz, Homozystinurie, systemischer Carnitinmangel, Tyrosinämie, Pfeifer-Weber-Christian-Krankheit, Wolman-Krankheit
- hepatotoxische Medikamente: z.B. Amiodaron, Glukokortikoide, Östrogene, Tamoxifen, Methotrexat, Valproat, antiretrovirale Medikamente, Tetracyclin
- Noxen: Antimon, Bariumsalze, Phosphor, Thallium, Chromate, Ethylbromid
- chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
- Lipodystrophie
- intestinale bakterielle Überwucherung
- Hungerzustände, Essstörungen
- langfristige parenterale Ernährung
- Kurzdarmsyndrom
- Magenbypass, jejunoilealer Bypass, biliopankreatische Diversion
- Reye-Syndrom
- akute Schwangerschaftsfettleber
- HELLP-Syndrom
- Autoimmunhepatitis
- alpha-1-Antitrypsinmangel
Therapie
Neben dem Management der Risikofaktoren einer NASH müssen die Komplikationen einer Leberzirrhose und einer portalen Hypertonie behandelt werden. Bei letzterem ähneln die Ansätze denen bei anderen chronischen Lebererkrankungen.
Nichtmedikamentöse Therapie
Entscheidend für die Therapie der NASH ist das Erkennen und die Behandlung von metabolischen Risikofaktoren (arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2, Dyslipidämie, Adipositas). Eine Lebensstiländerung (körperliche Aktivität, Ernährungsumstellung) bildet somit die Grundlage der Therapie: Ab einem Gewichtsverlust von 3 bis 5 % des Körpergewichts bessert sich die Steatose, für eine Rückbildung der NASH ist meist ein Gewichtsverlust von ca. 10 % notwendig.
Medikamentöse Therapie
Der PPAR-Agonist Pioglitazon sowie Vitamin E führten in einigen Studien zu einer Reduktion der Steatose und Entzündung, jedoch zeigte sich kein Einfluss auf die Fibrose. In der S2k-Leitlinie der DGVS werden diese Ansätze nicht empfohlen.[2] Laut EASL-Leitlinie kann Pioglitazon bei NASH-Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 erwogen werden.[3]
Weitere medikamentöse Ansätze werden derzeit (2024) in Studien untersucht:[4]
- GLP-1-Rezeptor-Agonisten: Liraglutid, Semaglutid
- SGLT-2-Inhibitoren: Dapagliflozin
- Farnesoid-X-Rezeptor-Agonisten: Obeticholsäure, Tropifexor, GS-9674
- rekombinantes FGF19: Aldafermin
- pegyliertes FGF21: Pegbelfermin
- PAAR-Agonisten: Elafibranor, IVA337
- Chemokinrezeptor-Antagonisten: Cenicriviroc
- ASK1-Inhibitoren: Selonsertib
- Caspase-Inhibitoren: Emricasan
- modifizierte Gallensäuren: nor-Ursodeoxycholsäure
- SSAO‑Inhibitoren: BI 1467335
- FABAC (fatty acid bile acid conjugates): Aramchol
- Acetyl‑CoA‑Carboxylase‑Inhibitor: GS-0976
Chirurgische Therapie
- Bariatrische Operation: umstritten; bisher fehlen randomisierte Studien zur Beurteilung von Nutzen und Risiken bei dieser Indikation
- Lebertransplantation: bei Patienten mit NAFLD, bei denen sich eine terminale Leberinsuffizienz entwickelt
Prognose
Die Prognose des Patienten hängt vom Schweregrad der NAFLD-bedingten Leberschädigung ab. Bei Patienten mit NASH ist das 10-Jahres-Risiko für eine hepatische Morbidität und Mortalität deutlich erhöht. Für dieses Staging werden laborchemische Leberparameter (Hyperbilirubinämie, Hypalbuminämie, verlängerte Prothrombinzeit) in Zusammenschau mit klinischen Befunden (z.B. Spider naevi, Splenomegalie, Aszites) bewertet.
Literatur
- Herold, G.: Innere Medizin 2019. Köln: Gerd Herold, 2018
- Suttorp N. et al., Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage. Berlin, ABW Wissenschaftsverlag; 2016.
Quellen
- ↑ NAFLD-Fibrosis-Score, abgerufen am 07.10.2019
- ↑ Roeb et al. S2k-Leitlinie nicht alkoholische Fettlebererkrankungen, 2015, abgerufen am 07.10.2019
- ↑ EASL NAFLD Management EASL Guideline, 2016, abgerufen am 07.10.2019
- ↑ Rau M, Geier A. NASH Entwicklung der medikamentösen Therapie, Arzneimitteltherapie 2017;35:479–84., abgerufen am 07.10.2019
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