Obeticholsäure
Abkürzung: OCA
Handelsname: Ocaliva®
Englisch: obeticholic acid
Definition
Obeticholsäure, kurz OCA, ist ein Arzneistoff, der bei der primären biliären Cholangitis (PBC) angewandt wird. Es handelt sich um den ersten Vertreter der selektiven Farnesoid-X-Rezeptor-Agonisten. OCA erhielt 2016 in der EU eine bedingte Zulassung als Orphan Drug. Im Juni 2024 wurde aufgrund eines als negativ bewerteten Nutzen-Risiko-Verhältnisses von CHMP ihr Widerruf empfohlen.
Chemie
Obeticholsäure ist ein synthetisches Gallensäure-Derivat, das in Position 3 und 7 eine Hydroxygruppe und in Position 6 eine Ethylgruppe trägt.
Die Summenformel lautet C26H44O4; das Molekulargewicht beträgt 420,6 g/mol.
Wirkmechanismus
Obeticholsäure ist ein selektiver Farnesoid-X-Rezeptor-Agonist (FXR-Agonist). FXR ist ein Kernrezeptor, der in Leber und Niere in hoher Konzentration exprimiert wird und den Gallensäurestoffwechsel sowie von ihm abhängige Entzündungs- und Fibroseprozesse beeinflusst. Eine Aktivierung von FXR führt zu einer Absenkung der Gallensäurekonzentration in den Hepatozyten, indem die Synthese und der Transport der Gallensäure aus den Zellen hinaus unterdrückt wird. Dadurch wird die Exposition der Leberzellen gegenüber Gallensäuren reduziert.[1]
Pharmakokinetik
Es dauert etwa 2 Stunden, bis die maximale Plasmakonzentration erreicht ist. Die Plasmaeiweißbindung beträgt 99 %. Die Biotransformation erfolgt durch Konjugation mit Glycin oder Taurin. Die entstehenden Konjugate werden über die Galle ausgeschieden und im Dünndarm resorbiert – es liegt also ein enterohepatischer Kreislauf vor. Im Dünn- und Dickdarm wird das Konjugat durch Darmbakterien in die Ausgangssubstanzen gespalten. Auf diese Weise wird Obeticholsäure hauptsächlich (87 %) über den Stuhl ausgeschieden.[1]
Indikation
Der Einsatz von Obeticholsäure zur Behandlung der primären biliären Cholangitis in Verbindung mit Ursodesoxycholsäure (UDCA) bei Erwachsenen, die nicht auf UCDA ansprechen oder diese nicht tolerieren, ist nicht mehr indiziert. Für Patienten, die derzeit (August 2024) mit Ocaliva behandelt werden, sollten die verfügbaren Behandlungsoptionen in Betracht gezogen werden.[2]
Außerhalb einer klinischen Studie sollten keine neuen Patienten mit Ocaliva behandelt werden.
Darreichungsform
Darreichungsform ist die Filmtablette.
Dosierung
Zu Beginn der Behandlung ist der Leberstatus zu bestimmen. Dies kann mit dem Child-Pugh-Score erfolgen. Im Child-Pugh-Stadium A liegt die Anfangsdosis bei einmal täglich 5 mg. Nach 6 bzw. 3 Monaten wird die Therapie bewertet (z.B. über die alkalische Phosphatase) und die Dosis ggf. angepasst.[1]
In einem Rote-Hand-Brief (02/2018) wurde die Bedeutung der Erfassung des Leberstatus explizit hervorgehoben, da es bei einer unzureichenden Dosisanpassung zu Todesfällen kommen kann.[3] In einem weiteren Rote-Hand-Brief (06/2022) wurde das Vorliegen einer dekompensierten Leberzirrhose (einschließlich Child-Pugh-Stadium B und C) als neue Kontraindikation für die Behandlung mit Obeticholsäure ergänzt.[4]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Folgende Nebenwirkungen sind bekannt:[1]
- Schilddrüsenfunktionsstörungen
- Schwindel
- Herzklopfen
- Schmerzen im Mund- und Rachenraum
- Schmerzen und Beschwerden im Abdomen
- Obstipation
- Pruritus, Ekzem, Hautausschlag
- Gelenkschmerz
- Müdigkeit
- periphere Ödeme, Fieber
Wechselwirkungen
Folgende Wechselwirkungen sind bekannt:[1]
- Warfarin: Bei der gleichzeitigen Gabe von Warfarin und Obeticholsäure ist der INR-Wert reduziert.
- CYP1A2-Substrate mit geringer therapeutischer Breite (z.B. Theophyllin, Tizanidin): Obeticholsäure kann die Exposition gegenüber Arzneistoffen erhöhen, welche durch CYP1A2 verstoffwechselt werden. Haben diese eine geringe therapeutische Breite, wird eine Therapieüberwachung empfohlen.
- Gallensäure-bindende Harze (z.B. Colestyramin, Colestipol oder Colesevelam) adsorbieren Gallensäuren und setzen die Wirkung der Obeticholsäure herab.
Kontraindikationen
Folgende Kontraindikationen sind bekannt:[1]
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
- totaler Gallengangsverschluss
- dekompensierte Leberzirrhose oder vorherige hepatische Dekompensation
Kosten
Die Jahrestherapiekosten für eine Behandlung mit Obeticholsäure und Ursodesoxycholsäure (UDCA) liegen bei 49.215 € für Obeticholsäure und 703 bis 832 € bei UDCA bei einer ungefähren Patientenzahl von 1.960 bis 9.950 Patienten.[5]
Zulassung
Obeticholsäure erhielt 2016 durch die EMA eine bedingte Zulassung als Orphan Drug. Der CHMP hat im Juni 2024 empfohlen, die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Obeticholsäure zu widerrufen, da der Nutzen des Arzneimittels die Risiken nicht mehr aufwiegt.[6][2]
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Fachinformation zu OCALIVA® 5 mg Filmtabletten, Gelbe Liste, abgerufen am 01.03.2019
- ↑ 2,0 2,1 Ocaliva (Obeticholsäure): Empfehlung zum Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Europäischen Union aufgrund eines nicht bestätigten klinischen Nutzens, Rote Hand Brief 31.07.2024, angerufen am 01.08.2024
- ↑ Rote-Hand-Brief vom 08. Februar 2018 zu Obeticholsäure, abgerufen am 01.03.2019
- ↑ Rote-Hand-Brief zu Ocaliva® (Obeticholsäure): Neue Kontraindikation für die Behandlung der primären biliären Cholangitis (PBC) bei dekompensierter Leberzirrhose oder bei hepatischer Dekompensation in der Vorgeschichte, abgerufen am 13.06.2022
- ↑ Obeticholsäure (primäre biliäre Cholangitis) - Bewertung gemäß §35a Abs. 1 Satz 10 SGB V, durchgeführt durch das IQWiG im April 2017, abgerufen am 01.03.2019
- ↑ EMA recommends revoking conditional marketing authorisation for Ocaliva. EMA 28.06.2024, abgerufen am 06.07.2024
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