Hereditäre Fruktoseintoleranz
Abkürzung: HFI
Synonym: Hereditäre Fructoseintoleranz
Englisch: hereditary fructose intolerance, "fructose poisoning"
Definition
Die hereditäre Fruktoseintoleranz, kurz HFI, ist eine sehr seltene, autosomal-rezessiv vererbte Krankheit, die durch einen genetisch bedingten Enzymdefekt, das Fehlen der Aldolase B, verursacht wird. Sie führt zu einer angeborenen Unverträglichkeit von Fruktose- und Saccharose-haltigen Lebensmitteln.
ICD10-Code: E74.1
Epidemiologie
Die Inzidenz der hereditären Fruktoseintoleranz beträgt je nach Quelle etwa 1:20.000 bis 1:130.000.
Pathogenese
Die in der Leber vorkommende Aldolase B ist neben ihrer glycolytischen Fruktose-1,6-bisphosphat-Aldolase-Aktivität dazu in der Lage, Fruktose-1-phosphat in Dihydroxyacetonphosphat (DHAP) und Glycerinaldehyd zu spalten. Der Aldolase-B-Mangel führt zu einer Anhäufung von Fruktose-1-phosphat in den Leberzellen. Da Fruktose-1-phosphat gleichzeitig hemmend auf Enzyme der Glykogenolyse (Glykogenphosphorylase) und der Gluconeogenese (Fructose-1,6-Bisphosphatase) wirkt, kommt es zu einem konsekutiven Mangel an Fruktose-6-phosphat und Glucose-6-phosphat. In der Folge tritt eine schwere Hypoglykämie, Hepatomegalie und eine zunehmende Leberinsuffizienz auf. Weitere Komplikationen sind hypoglykämische Nieren- und/oder Gehirnschäden.
Zudem entsteht bei Fruktosezufuhr ein intrazellulärer Mangel an ATP, der zytotoxisch ist.
Genetik
Der Enzymdefekt basiert auf der rezessiven Mutation A149P im Aldolase-B-Gen. Die Prävalenz dieser Mutation beträgt ca. 0,25 % für heterozygote bzw. 0,002 % für homozygote Merkmalsträger. Bei etwa 70 % aller HFI-Patienten liegt eine homozygote Mutation A149P vor – oder ein heterozygoter Gendefekt, kombiniert mit einer weiteren Mutation. Dabei handelt es sich meist um A174D, N334K oder Delta4-E4 (sog. "Compound-Heterozygotie"). Die Mehrzahl der übrigen Patienten sind homozygote Träger der Mutationen A174D, N334K und Delta4-E4.
Klinik
Die ersten Symptome manifestieren sich in der Regel mit dem Beginn der Zufütterung von fruktosehaltiger Beikost bei Säuglingen, also etwa um den 6. Lebensmonat herum.
Es gibt zwei Hauptauslöser der Erkrankung: Neben der Ingestion des Monosaccharids Fruktose spielt auch die des Disaccharids Saccharose eine Rolle. Saccharose wird an der Dünndarmmukosa durch enzymatische Spaltung mittels Saccharase zu Fruktose und Glucose umgewandelt.
Klinische Beschwerden treten bei den Betroffenen erst nach Ingestion von Fruktose oder Saccharose auf. Dazu zählen
Im Labor sieht man eine Hypoglykämie und eine Azidose.
Bei fortschreitender Fruktosezufuhr entwickelt sich eine progrediente Leberinsuffizienz mit Hepatomegalie und Ikterus, auch ein akutes Leberversagen mit Koma ist möglich. Neben der Leberfunktionsstörung mit Gerinnungsstörung und Störung der Syntheseleistungen kommt es zu einer Nierenfunktionsstörung sowie zur Gedeihstörung.
In der Literatur wird als typisches Zeichen für eine Fruktoseintoleranz häufig das kariesfreie Gebiss angegeben, da die Betroffenen eine instinktive Aversion gegen Fructose- bzw. Saccharose-haltige Nahrungsmittel entwickeln. Als diagnostisches Krtierium ist es ungeeignet. Die Feststellung eines kariesfreien Gebisses im Kleinkindalter ist heute (2024) wahrscheinlicher das Zeichen einer suffizienten Mundhygiene bzw. Kariesprophylaxe.
Diagnostik
Die Diagnostik umfasst eine gründliche Ernährungsanamnese. Bei Verdacht auf eine Fruktoseintoleranz kann eine Fruktosekarenz angeordnet werden. Eine Besserung unter Fruktosekarenz erhärtet den Verdacht.
Der Nachweis erfolgt durch die humangenetische Untersuchung eines EDTA-Blutsamples. Die Mutationen A149P, A174D, N334K und Delta4-E4 des Aldolase-B-Gens werden mittels PCR detektiert. Dafür muss eine Einwilligungserklärung des Patienten vorliegen. Der früher verwendete Fruktosetoleranztest sollte bei Verdacht auf HFI nicht mehr durchgeführt werden, da er zu schweren Stoffwechselentgleisungen führen kann.
Als laborchemische Marker sind eine Erhöhung der Transaminasen (Leberschädigung) und eine Hyperbilirubinämie zu nennen. Der Urinbefund umfasst u.a. Proteinurie, Fruktosurie, Tyrosylurie und eine Aminoazidurie.
Therapie
Die einzige Behandlungsmöglichkeit besteht in einer lebenslangen Karenz fruktose- und saccharosehhaltiger Lebensmittel. Auch der Zuckerersatzstoff Sorbit muss gemieden werden, da eine Umsetzung zu Fructose im Polyolweg möglich ist.
Bei einer Fructoseintoleranz muss schon beim Verdacht die Fruktosezufuhr eingestellt werden. Die Fruktosekarenz wird bei Bestätigung des Verdachts fortgeführt. Bei einer ausreichenden Restaktivität des Enzyms kann von einer fruktosefreien zu einer fruktosearmen Diät übergegangen werden.
Da durch die Diät der Verzehr von Früchten und Fruchtprodukten nicht möglich ist, sollte auf eine ausreichende Vitaminzufuhr durch Substitution geachtet werden.
Erfolgt ein Therapiebeginn rechtzeitig, sind keine bleibenden Schäden zu erwarten. Die Leberfunktion normalisiert sich. Bei guter therapeutischer Führung ist eine normale Lebenserwartung möglich.
siehe auch: Fruktoseintoleranz