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AL-Amyloidose

(Weitergeleitet von Leichtketten-Amyloidose)

Synonym: Leichtketten-Amyloidose

1. Definition

Die AL-Amyloidose, kurz AL, ist die häufigste Form der systemischen Amyloidosen, bei der die unlöslichen fibrillären Aggregate (Amyloid) aus den Leichtketten von Immunglobulinen stammen.

2. Epidemiologie

Die Inzidenz der AL-Amyloidose wird auf 4,5 pro 100.000 Einwohner geschätzt, wobei eine hohe Dunkelziffer vermutet wird. Sie tritt meist nach dem 40. Lebensjahr auf. Männer erkranken häufiger als Frauen.

3. Ätiologie

Die AL-Amyloidose wird i.d.R. durch eine klonale Ausdehnung von Plasmazellen im Knochenmark hervorgerufen, die monoklonale, fehlgefaltete Leichtketten sezernieren. Die Erkrankung kann mit Non-Hodgkin-Lymphomen (incl. multiplem Myelom und Morbus Waldenström) sowie mit einer MGUS assoziiert sein.

Die Fibrillen enthalten neben den intakten Leichtketten (v.a. Lambda-Subtyp) auch die Serumamyloid-P-Komponente, ApoA-IV, Glykosaminoglykane und Metallionen.

4. Klinik

Die Amyloidablagerungen können bei der AL-Amyloidose im Interstitium jedes Organs (außer im ZNS) auftreten. Unbehandelt verläuft sie rasch fortschreitend zum Tod. Häufig sind unspezifische Symptome wie Erschöpfung und Gewichtsverlust.

4.1. Renale Symptome

In 70-80 % d.F. ist die Niere betroffen:

4.2. Kardiale Symptome

Kardiale Symptome kommen bei 50-60 % der Patienten vor und stellen die häufigste Todsursache dar:

4.3. Weitere Symptome

Weitere Symptome sind:

5. Diagnostik

Die folgende Tabelle listet die Symptome der AL-Amyloidose und deren Abklärung auf.[1]

Organ Symptome Abklärung
Herz Dyspnoe bei Belastung, Ödeme, Palpitationen, Hypotonie, Ruhetachykardie
Pleura- und Perikarderguss
EKG, Echokardiografie, Kardio-MRT Holter-Monitoring, Röntgen oder Thorax-CT
Niere Ödeme (nephrotisches Syndrom) Sammelurin
Magen-Darm-Kanal Inappetenz, Gewichtsverlust, Diarrhoe, GI-Blutungen Endoskopie
Leber Harte Hepatomegalie, Aszites Sonografie, Messung von AP und gamma-GT
Peripheres Nervensystem Sensomotorische Polyneuropathie ENG, EMG
Autonome Neuropathie Eingeschränkte Herzfrequenz-Variabilität, Orthostase, Diarrhoe oder Obstipation, Blasenentleerungsstörung Schellong-Test, Holter-EKG, Kipptischversuch, Sonografie
Weichteile Makroglossie, Hauteinblutungen (z.B. periorbitale Blutungen), Heiserkeit, Gerinnungsstörungen, Gelenkschwellungen Faktor-X-Messung
Sonografie Milz und Restharn
Lunge Dyspnoe, O2-Diffusionsstörung, Infiltrate Röntgen und Thorax-CT
Spirometrie mit Diffusionskapazität

Entscheidend ist die Identifikation der zugrundeliegenden B-lymphoproliferativen Erkrankung. Bei der AL-Amyloidose sind die Plasma- und Urin-Eiweißelektrophorese im Gegensatz zum multiplen Myelom keine hilfreichen Screeningtests. Die monoklonalen Leichtketten sind häufig nicht in ausreichender Quantität im Serum vorhanden, um eine M-Zacke hervorzurufen oder eine Bence-Jones-Proteinurie auszulösen. Mittels Immunfixationselektrophorese oder durch nephelometrische bzw. turbidimetrische Messung der freien Leichtketten vom Typ κ ("kappa") und λ ("lambda") können bei über 90 % der Patienten monoklonale Leichtketten im Serum oder Urin nachgewiesen werden. Zusätzlich kann bei ungefähr 90 % der Patienten ein erhöhter Prozentsatz von Plasmazellen (meist 5–30 % der kernhaltigen Zellen) im Knochenmark beobachtet werden. Die Kappa- bzw. Lambdaklonalität wird mittels Durchflusszytometrie, Immunhistochemie oder In-situ-Hybridisierung von Leichtketten-mRNA nachgewiesen.

Ein monoklonales Serumprotein ist diagnostisch nicht beweisend für eine Amyloidose, da z.B. eine MGUS häufig bei älteren Patienten vorkommt. Eine exakte Amyloid-Typisierung (z.B. mittels Massenspektrometrie) ist wichtig.

6. Therapie

Bei der AL-Amyloidose kann hochdosiertes intravenöses Melphalan, gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation eingesetzt werden. Dieser Therapieansatz führt bei ca. 40 % der Patienten zu einer vollständigen hämatologischen Remission. Sie entspricht einem kompletten Verlust der klonalen Plasmazellen im Knochenmark und dem Verschwinden der monoklonalen Leichtketten in der Immunfixationselektrophorese und in den Nachweistests freier Leichtketten.

Ungefähr 6-12 Monate nach Remission bessern sich häufig Organfunktion und Lebensqualität. Diese aggressive Behandlungsstrategie kommt jedoch nur bei 30-40 % der Patienten in Frage. Alternativ kann z.B. orales Melphalan und hochdosiertes Dexamethason eingesetzt werden. Bei Amyloidkardiomyopathie kann eine Herztransplantation, gefolgt von einer Behandlung mit hochdosiertem Melphalan und einer Stammzelltransplantation erwogen werden.

Bei fehlendem hämatologischem Ansprechen kommen z.B. Kombinationen aus Dexamethason und Bortezomib, Lenalidomid, Pomalidomid oder Daratumumab zum Einsatz. CPHPC und Anti-SAP-Antikörper werden derzeit (2021) in klinischen Studien getestet.

Unabhängig von der Ursache werden symptomatische Allgemeinmaßnahmen ergriffen, welche die Folgen des Organbefalls lindern sollen. Bei nephrotischem Syndrom werden z.B. Diuretika, Kompressionsstrümpfe und ggf. Albumininfusionen eingesetzt. ACE-Hemmer sollten nur mit Vorsicht verwendet werden. Sie zeigen keine Wirkung auf das Fortschreiten der Nephropathie.

Eine chronische Herzinsuffizienz bei Kardiomyopathie wird ebenfalls mit Diuretika behandelt. Digitalis, Calciumkanalblocker und Betablocker sind relativ kontraindiziert, da sie mit Amyloidfibrillen interagieren und einen AV-Block sowie eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz hervorrufen können. Amiodaron wird bei Herzrhythmusstörungen eingesetzt. Ein implantierbarer Kardioverter-Defibrillator (ICD) kann bei einigen Patienten sinnvoll sein. Bei Vorhofflimmern kommt eine Vorhofablation in Frage. Autonome Neuropathien werden z.B. mit Midodrin behandelt, gastrointestinale Dysfunktionen ggf. mit Prokinetika und Ballaststoffen.

Bei lokalisierter AL-Amyloidose können die Ablagerungen auch chirurgisch oder durch Bestrahlung behandelt werden.

7. Prognose

Das mediane Überleben ohne Behandlung beträgt gewöhnlich nur 1–2 Jahre ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung. Bei eingeschränkter Herzfunktion oder Arrhythmien beträgt das mediane Überleben ohne Therapie nur ca. 6 Monate.

8. Literatur

  • Ladner-Merz S, Müller-Ladner U. 108 Amyloidose. In: Suttorp N, Möckel M, Siegmund B et al., Hrsg. Harrisons Innere Medizin. 20. Auflage. Berlin: ABW Wissenschaftsverlag; 2020.

9. Quellen

Stichworte: Amyloid, Amyloidose
Fachgebiete: Innere Medizin
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