Rauschgift-Intoxikation (Hund)
Synonyme: Rauschgift-Vergiftung, Betäubungsmittel-Intoxikation
Definition
Rauschgift-Intoxikationen sind Vergiftungen (Intoxikationen) beim Hund, die durch verschiedene Rauschmittel (Drogen) ausgelöst werden.
Ätiologie
Die häufigsten Rauschgift-Intoxikationen treten bei Drogen-Suchhunden auf, die in Kontakt mit folgenden Suchtmitteln kommen:
Intoxikation | Gruppe | Rauschgifte |
---|---|---|
Amphetamin-Intoxikation | Amphetamine |
|
Cannabinoid-Intoxikation | Cannabinoide | |
Opiat-Intoxikation | Opiate | |
Kokain-Intoxikation | Kokain |
Chemie
Amphetamine sind lipophile und basische Moleküle mit einem Benzolring als Grundgerüst. Die meisten Substanzen liegen in Form von weißen oder auch durchsichtigen Kristallen vor.
Die aktiven Substanzen von Cannabis sind die Cannabinoide Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Während THC lipophil, flüssig und nur wenig in Wasser löslich ist, ist CBD fest und praktisch unlöslich in Wasser.
Opiate bilden eine Gruppe von Alkaloiden, die chemisch gesehen unterschiedlich aufgebaut sind. Bestandteil der Strukturformeln ist ein Benzolring, der meistens in ein komplexes Ringsystem eingebaut ist. Morphin liegt dabei als weißes und feinkristallines Pulver vor.
Kokain ähnelt in seinem Aufbau stark dem des Atropins und wird ebenfalls zu den Alkaloiden gerechnet. Der aus den Blättern der Kokapflanze stammende Wirkstoff hat einen bitteren Geschmack und hinterlässt auf den Lippen und der Zunge ein betäubendes Gefühl. Es lässt sich sowohl in Wasser als auch in Ölen gut lösen.
Physiologie
Ein Großteil der Rauschgifte wird innerhalb weniger Stunden nach der Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt resorbiert. Eine Ausnahme ist Kokain, dessen Bioverfügbarkeit stark von der Art der Aufnahme abhängt (die höchste Resorption erfolgt nach nasaler Inhalation). Anschließend gelangen alle Rauschgifte über den Blutkreislauf in unterschiedliche Organe. Sie passieren (abhängig von der chemischen Struktur) aufgrund ihrer Lipophilie die Blut-Hirn-Schranke und reichern sich dann im ZNS an.
Die meisten Rauschgifte sowie deren Metabolite werden über die Niere eliminiert. THC wird hingegen zu 85 % mit dem Kot ausgeschieden.
Pathophysiologie
Während Amphetamine die Ausschüttung von Noradrenalin steigern und gleichzeitig dessen Wiederaufnahme aus dem synaptischen Spalt hemmen, aktiviert THC die Cannabinoid-Rezeptoren (CB1 und CB2). Durch die Bindung an CB1 kommt es retrograd zu einer Hemmung der Ausschüttung von Acetylcholin, Dopamin, GABA, Serotonin, Histamin und/oder Noradrenalin, wodurch eine psychotrope Wirkung erzielt wird.
Opiate wiederum binden spezifisch an verschiedene Opiatrezeptoren (μ, δ, κ und σ) im ZNS, im vegetativen Nervensystem und im Gastrointestinaltrakt. Abhängig von ihrer Affinität entwickeln sich dadurch lebensbedrohende Lähmungen des Atemzentrums und eine Unterdrückung des Hustenreflexes.
Kokain hemmt an der präsynaptischen Membran die Wiederaufnahme von Dopamin, Serotonin und Noradrenalin, indem es den membranständigen Transporter für Katecholamine wirkungsvoll besetzt. Infolgedessen kommt es zur Stimulation des ZNS und zur Vasokonstriktion.
Toxizität
Klinik
Folgende Tabelle listet die häufigsten klinischen Symptome nach Intoxikationen mit den verschiedenen Substanzen auf:
Organsystem | Amphetamine | Cannabinoide | Opiate | Kokain |
---|---|---|---|---|
Allgemeinbefinden |
|
| ||
Nervensystem |
|
|
| |
Gastrointestinaltrakt |
|
| ||
Respirationstrakt |
|
| ||
Herz-Kreislaufsystem |
|
| ||
Augen |
|
| ||
Bewegungsapparat | ||||
Urogenitaltrakt | ||||
Haut |
Diagnose
Die Diagnose wird anhand der Anamnese, der klinischen Untersuchung, der Symptome und mithilfe eines Toxinnachweises (Gaschromatographie) in Blut, Harn, Erbrochenem und Speichel gesichert.
Therapie
Intoxikationen sind immer Notfälle und müssen umgehend intensivmedizinisch gemäß dem ABCDE-Schema betreut werden.
Die weiteren Therapieschritte richten sich nach dem zugrundeliegenden Gift. Die Maßnahmen orientieren sich dabei an folgenden Schritten:
- Entgiftung bzw. Dekontamination (Emetikum, Antidot)
- Magen und/oder Darm entleeren (Magenspülung)
- Adsorbieren (Aktivkohle)
- Verdünnen und Herausspülen (Infusionen, Glaubersalz)
Quellen
- CliniPharm CliniTox. Amphetamine - Kleintier CliniTox Klinische Toxikologie (abgerufen am 02.10.2021)
- CliniPharm CliniTox. Cannabis sativa - Toxine Giftpflanzen, Giftpilze (abgerufen am 02.10.2021)
- CliniPharm CliniTox. Opiate - Kleintier CliniTox Klinische Toxikologie (abgerufen am 02.10.2021)
- CliniPharm CliniTox. Kokain - Kleintier CliniTox Klinische Toxikologie (abgerufen am 02.10.2021)
- CliniPharm CliniTox. Rauschgift beim Drogenhund - Information für Hundehalter - Kleintier CliniTox Klinische Toxikologie (abgerufen am 02.10.2021)
- CliniPharm CliniTox. Management von Vergiftungen beim Kleintier CliniTox Klinische Toxikologie (abgerufen am 01.10.2021)
- ChemIDplus. Dronabinol NIH - U.S. National Library of Medicine (abgerufen am 02.10.2021)
Literatur
- Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3
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