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Cannabinoid-Intoxikation (Hund)

Synonym: Cannabinoid-Vergiftung

1. Definition

Als Cannabinoid-Intoxikation bezeichnet man eine Form der Rauschgift-Intoxikation beim Hund, die durch die Aufnahme von Cannabinoid-haltigen Substanzen verursacht wird.

2. Ätiologie

Cannabinoid-Intoxikationen werden durch Cannabinoid-haltige Pflanzen sowie deren Extrakte ausgelöst. Vergiftungen treten hierbei v.a. durch den psychoaktiven Inhaltsstoff Tetrahydrocannabinol (THC) auf. Der THC-Gehalt ist vom Abschnitt der weiblichen Pflanze abhängig:

  • Marihuana (getrocknete Blüten bzw.blütennahe Blätter): 0,4 bis 20 %
  • Haschisch (Harz oder Blütenknospen): ≥ 10 %
  • Haschischöl (Harzextrakt der Blütenstände): 20 bis 50 %

3. Chemie

Die aktiven Substanzen von Cannabis werden als THC und CBD (Cannabidiol) bezeichneten und gehören zur Gruppe der Cannabinoide. THC ist lipophil, flüssig und nur wenig in Wasser löslich, während CBD fest und praktisch wasserunlöslich ist.

4. Physiologie

Nach der Aufnahme verteilt sich das THC aufgrund seiner Lipophilie rasch in Geweben und passiert auch die Blut-Hirn-Schranke. Dadurch resultiert eine kurze Plasma- und eine lange Eliminationshalbwertszeit. Der größte Anteil von THC wird in der Leber zu 11-hydroxy-delta-9-THC metabolisiert, enterohepatisch rezirkuliert und zu 85 % mit dem Kot ausgeschieden. Die Ausscheidung über den Urin erfolgt nur zu 15 %.

Die Elimiationshalbwertszeit beträgt 30 Stunden, wobei 80 % des aufgenommenen THCs innerhalb der ersten 5 Tagen ausgeschieden werden.

5. Pathophysiologie

Cannabinoide haben eine ZNS-depressive sowie halluzinogene Wirkung, die jedoch stark von der Menge der aufgenommenen Substanzen abhängt.

THC aktiviert die Cannabinoid-Rezeptoren (CB1 und CB2) im zentralen und peripheren Nervensystem. CB1 ist hauptsächlich im ZNS (v.a. in den Basalganglien und im Cerebellum) und nur zu einem geringen Anteil im peripheren Nervensystem ausgebildet. Im Gehirn ist CB1 am stärksten in jenen Regionen lokalisiert, die der Wahrnehmung, dem Gedächtnis, der Belohnung, dem Angstempfinden, Schmerzempfinden, der motorischen Koordination sowie der endokrinen Funktion dienen.

Im Gegensatz dazu sind sensorische und autonome CB1 an der Schmerzempfindung, an kardiovaskulären, gastrointestinalen und respiratorischen Effekten beteiligt. Die Aktivierung von CB1 ist daher für den psychotischen Effekt von THC verantwortlich. Durch die Aktivierung wird retrograd die Ausschüttung von Acetylcholin, Dopamin, GABA, Serotonin, Histamin und/oder Noradrenalin inhibiert.

CB2 hingegen ist hauptsächlich im peripheren Nervensystem (v.a. im Gastrointestinaltrakt, in den Entzündungs- und Epithelzellen) exprimiert. Sie sind nicht-psychotrop, sodass durch ihre Aktivierung die Produktion proinflammatorischer Zytokine gehemmt und gleichzeitig eine Erhöhung der entzündungshemmenden Zytokine erzielt wird.

6. Toxizität

Die LD (letale Dosis) nach peroraler Aufnahme liegt bei > 3 g/kgKG THC.

7. Klinik

Die Klinik hängt von der Menge und der Art der Aufnahme des THCs ab. Die inhalative Aufnahme weist eine hohe Morbiditäts- aber niedrige Mortalitätrate sowie eine nur wenige Minuten andauernde Latenz auf. Bei oraler Aufnahme dauert es durchschnittlich 1 bis 3 Stunden bis zur Ausbildung erster klinischer Symptome.

8. Diagnose

Cannabinoide können sowohl im Mageninhalt als auch im Urin (über mehrere Tage) nachgewiesen werden.

9. Therapie

Wache Hund ohne gestörte Atmung sollten mithilfe von Apomorphin (0,08 mg/kgKG s.c.) zum Erbrechen gebracht werden. Die Übelkeit ist dann mit Antiemetika (z.B. Maropitant 1 mg/kgKG s.c.) zu behandeln. Anschließend sollte alle 6 bis 8 Stunden Aktivkohle in Form einer Suspension (1 g/kgKG p.o.) verabreicht werden.

In schweren Fällen ist eine 20%ige Lipidinfusion (initial 1,5 ml/kgKG i.v. als Bolus, anschließend 0,25 ml/kgKG über 30 Minuten) indiziert. Die Therapie kann nach ungenügendem Effekt nach etwa 15 Stunden wiederholt werden.

10. Quellen

11. Literatur

  • Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3
  • Frey HH, Löscher W (Begr.). Löscher W, Richter A (Hrsg.). 2016. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie für die Veterinärmedizin. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219581-3

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