Tetrahydrocannabinol
Handelsname: Marinol®
Synonyme: Delta-9-THC, Δ9-THC, (–)-Δ9-trans-Tetrahydrocannabinol, (6aR,10aR)-6,6,9-Trimethyl-3-pentyl-6a,7,8,10a-tetrahydro-6H-benzo[c]chromen-1-ol, Dronabinol
Definition
Tetrahydrocannabinol, kurz THC, zählt zu den psychoaktiven Cannabinoiden und ist der hauptsächlich rauschbewirkende Bestandteil der Hanfpflanze (Cannabis).
Chemie
Tetrahydrocannabinol hat die Summenformel C21H30O2 und besitzt eine molare Masse von 314,469 g/mol. Neben (–)-Δ9-trans-Tetrahydrocannabinol existieren Stereoisomere mit geringerer bzw. keiner psychoaktiven Wirkung.
Isolierung
THC kann per Extraktion aus THC-haltigem Pflanzenmaterial isoliert werden, indem schwach polare Lösungsmittel (z.B. Aceton, Isopropylalkohol) verwendet werden. Anschließend wird das Lösungsmittel abgedampft, sodass ein harziger Extrakt (Haschischöl) zurückbleibt, der neben THC auch weitere Cannabinoide enthält.
Synthese
Cannabidiol kann aus dem Terpen Limonen oder mit anderen Verfahren aus THC-armem Nutzhanf extrahiert und anschließend in THC umgewandelt werden.
Wirkmechanismus
Tetrahydrocannabinol hat partiell agonistische Wirkungen an CB1-Rezeptoren im zentralen und peripheren Nervensystem und an CB2-Rezeptoren auf bestimmten Zellen des Immunsystems, die in ihrer Gesamtheit als endogenes Cannabinoid-System bezeichnet werden. Die Bindung von THC an seinen Rezeptor führt zu einer Hemmung der Adenylatzyklase und einer verminderten intrazellulären Konzentration von cAMP. THC besitzt antiemetische, appetitstimulierende, analgetische, antiinflammatorische, muskelentspannende, sedierende und psychotrope Wirkungen. Es wirkt im ZNS auch sympathomimetisch, was die unerwünschten Herz-Kreislauf-Wirkungen verursacht. Außerdem ist THC ein allosterischer Modulator der μ- und δ-Opioidrezeptoren. Vermutet wird weiterhin, dass THC antagonistisch auf 5-HT3-Rezeptoren wirkt. Durch Hemmung einer Glutamat-induzierten Exzitotoxizität wirkt THC neuroprotektiv.
Pharmakokinetik
Tetrahydrocannabinol wird nach oraler Aufnahme rasch und vollständig resorbiert, hat aber nur eine Bioverfügbarkeit von 7 bis 10 %, da es einem großen First-Pass-Effekt unterliegt. Die psychotropen Effekte beginnen nach ca. 30 bis 60 Minuten und halten 4 bis 6 Stunden an. Maximale Plasmaspiegel werden nach 2 Stunden erreicht. THC wird zu 97 % an Plasmaproteine gebunden und weist ein Verteilungsvolumen von ca. 10 l/kgKG) auf. Die Biotransformation in der Leber erfolgt über die Cytochrom-P450-Isoenzyme CYP3A4 und CYP2C9 vor allem zu 11-Hydroxy-Δ9-tetrahydrocannabinol (11-OH-THC), das psychoaktiv wirksam ist und weiter zu inaktivem 11-Nor-9-carboxy-Δ9-tetrahydrocannabinol (THC-COOH). Die Elimination erfolgt zu über 65 % mit den Fäzes und zu 20 % mit dem Urin. Aufgrund der Speicherung von THC im Fettgewebe (bis zu 4 Wochen) ist die Eliminationshalbwertszeit von der Häufigkeit der Aufnahme abhängig und sehr variabel.[1]
Verwendung
Droge
THC wird durch Cannabis-Konsum aufgenommen, wobei die häufigste Konsumform das Rauchen von Haschisch oder Marihuana ist. Aufgrund der starken Lipophilie wird es auch in fettreichen Nahrungsmitteln (z.B. Muffins) verarbeitet.
Medizin
Seit März 2017 können Cannabinoide bei bestimmten Erkrankungen auf Rezept verordnet und deren Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden.[2]
Das halbsynthetische THC ist u.a. in Deutschland (USA unter dem Handelsnamen Marinol®) als verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel zur Anwendung bei Anorexie und Kachexie bei HIV- und AIDS-Patienten freigegeben. Außerdem ist es als Mittel 2. Wahl bei Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit einer Bestrahlungstherapie zugelassen.
Die Indikationen des vollsyntethischen Nabilon sind ähnlich.
siehe auch: Cannabis
Toxikologische Analytik
Zum Nachweis von THC gibt es verschiedene labormedizinische Verfahren, die im Rahmen eines Drogenscreenings Anwendung finden. Erfasst werden neben Tetrahydrocannabinol auch seine Metaboliten 11-Hydroxy-Tetrahydrocannabinol (11-OH-THC, aktiver Metabolit) und THC-Carbonsäure (THC-COOH, inaktiver Metabolit). Im Gegensatz zu THC besitzt die THC-Carbonsäure eine größere Halbwertszeit und ist am längsten nachweisbar.
Ein Nachweis von THC und seinen Metaboliten kann im Urin, Speichel, Serum und in den Haaren erfolgen.
Urin
Für die Untersuchung werden 5 bis 10 ml Spontanurin benötigt. Die Urinabgabe muss unter Sichtkontrolle erfolgen. Der Nachweis im Urin erfolgt mittels Photometrie oder Flüssigchromatographie mit Massenspektrometrie.
Die Nachweisbarkeit von THC und seinen Metaboliten im Urin variiert in Abhängigkeit von der Häufigkeit des Konsums:[3]
THC | Nachweisdauer im Urin |
---|---|
Einmaliger Konsum | 1 bis 1,5 Tage |
Raucher (viermal pro Woche) | 5 Tage |
Raucher (täglich) | 10 Tage |
Chronischer Abusus | 20 Tage |
Blut
Für die Untersuchung werden 3 ml Serum benötigt. Der Nachweis im Serum erfolgt mittels Enzymimmunoassay, Photometrie oder Flüssigchromatographie mit Massenspektrometrie. Die Nachweisbarkeit variiert zwischen 12 und 24 Stunden bei einmaligem Cannabiskonsum und bis zu mehreren Tagen bei chronischem Konsum.
Referenzbereich
Die Referenzbereiche variieren methoden- und laborspezifisch und sollten daher dem jeweiligen Befundausdruck entnommen werden. Der Cut-off-Wert beschreibt den Grenzwert, ab dem von einem Cannabis-Konsum auszugehen ist. Liegt die gemessene Menge über dem Cut-off-Wert, ist der Test als positiv zu werten.
Schnelltest
Inzwischen gibt es ein breites Spektrum an Schnelltests zum THC-Nachweis in Blut, Urin und Speichel.
Im Urin-Schnelltest kann es durch Kreuzreaktionen mit Diclofenac, Efavirenz, Ibuprofen, Naproxen, Pantoprazol, Promethazin, Raltegravir, Riboflavin, Rotigotin und Tolmetin zu falsch-positiven Ergebnissen kommen.[4][5] Fällt der Test positiv aus, muss daher im Anschluss ein labormedizinischer Bestätigungstest erfolgen.
Rechtslage
Tetrahydrocannabinol war bis zum 1.1.2024 in Anlage II (zu § 1 Abs. 1 "verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel") des BtMG gelistet. Seit dem 1.4.2024 fällt THC wie Cannabis nicht mehr unter das BtMG.
Toxizität
Bei Überdosierungen und Vergiftungen kommt es vor allem zu einer verstärkten Ausprägung der über den CB1-Rezeptor vermittelten psychotropen Wirkungen. Es treten Halluzinationen und Wahnvorstellungen im Sinne einer toxischen Psychose auf. Vital bedrohlichen Charakter können die Herz-Kreislauf-Wirkungen (Tachykardie oder Bradykardie mit Hypotonie) annehmen. Aufgrund der sich bei Dauergebrauch ausprägenden Gewöhnung werden aber sehr hohe Dosierungen toleriert. Maßnahmen der Giftelimination sind nicht indiziert. Die Behandlung erfolgt durch symptomatische Maßnahmen. Es ist kein spezifisches Antidot bekannt.
Zu den chronischen Effekten siehe auch: Cannabisabusus
ATC-Codes
- A04AD10 - Antiemetika - Dronabinol
Quellen
- ↑ Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Sativex, Fachinformation. Abgerufen am 12.07.2023
- ↑ Cannabis als Medizin. BfArM. Abgerufen am 12.07.2023
- ↑ Lothar Thomas. Labor & Diagnose. Abgerufen am 14.07.2023
- ↑ Pfäffli M et al. Urinschnelltests (Immunoassays) auf Drogen und Medikamente. Schweiz Med Forum 2013
- ↑ Dicheva-Radev S. Falsch-positiver Test auf Amphetamin unter Methyldopa. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 02/2024, abgerufen am 17.07.2024
Weblinks
- Gelbe Liste Wirkstoffe - Cannabis. Abgerufen am 12.07.2023
- Drugbank - Dronabinol. Abgerufen am 13.07.2023
- PharmaWiki - Dronabinol. Abgerufen am 13.07.2023
- PubChem: 16078 - Dronabinol
- MeSH: 68013759 - Dronabinol
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