Opiat-Intoxikation (Hund)
Synonym: Opiat-Vergiftung
Definition
Die Opiat-Intoxikation ist eine Form der Rauschgift-Intoxikation beim Hund.
Ätiologie
Als Opiate bezeichnet man die natürlichen Alkaloide des Opiums sowie deren halb- und vollsynthetischen Derivate. Im engeren Sinne zählen dazu:
Chemie
Opium wird aus den Samenkapseln des Schlafmohns (Papaver somniferum) gewonnen. Die Flüssigkeit enthält 25 verschiedene Alkaloide, wobei die Trockenmasse 12 % Morphin enthält. Die anderen Opiate kommen in deutlich geringeren Mengen vor.
Die unterschiedlichen Opiate unterscheiden sich chemisch in ihrer Struktur. Sie alle besitzen jedoch einen Benzolrest, der in ein komplexes Ringsystem eingebaut ist, sowie einen pKa-Wert zwischen 8 und 10. Das Morphin liegt in seiner reinen Form als weißes und feinkristallines Pulver vor.
Physiologie
Opiate werden nach peroraler Aufnahme rasch über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen und metabolisiert. Die Exkretion erfolgt über die Nieren mit dem Urin. Die wichtigste Ausscheidungsform ist das Glukuronidid. Bei den meisten Opiaten liegt die Halbwertszeit zwischen 2 und 5 Stunden, wobei einige aktive Metabolite eine längere Halbwertszeit besitzen.
Folgende Morphin-Derivate passieren aufgrund ihrer Biochemie nicht oder nur in geringem Umfang die Blut-Hirn-Schranke:
Pathophysiologie
Nach der Aufnahme binden die Opiate an die verschiedenen Opioidrezeptoren (μ, δ, κ und σ). Diese Rezeptoren sind v.a. im ZNS, im vegetativen Nervensystem sowie im Gastrointestinaltrakt ausgebildet.
Opioidrezeptoren sind typische Klasse-II-Rezeptoren, die ihre akute Wirkung über inhibitorische G-Proteine vermitteln. Sie bewirken eine Aktivierung der K+-Leitfähigkeit, inaktivieren spannungsabhängige Ca2+-Kanäle und Hemmen die cAMP-Produktion, woraus eine allgemein inhibitorische Wirkung resultiert. Präsynaptische Opioidrezeptoren hemmen wiederum die Transmitterfreisetzung, während postsynaptische Opioidrezeptoren die Bildung von Aktionspotenzialen unterdrücken. Trotz ihres dämpfenden Effekts können Opioide durch die Desinhibition hemmender Interneurone auch neuronale Systeme aktivieren.
Toxizität
Daten zur oralen Toxizität fehlen beim Hund weitgehend. Die minimale letale Dosis (LDLo) von Morphin liegt bei 210 mg/kgKG (bei subkutaner Verabreichung) bzw. 133 mg/kgKG (bei intravenöser Verabreichung). Die minimale letale Dosis von Methadon hingegen beträgt bei intravenöser Applikation 26 mg/kgKG.
Klinik
Opiat-Intoxikationen gehen mit einem akuten Krankheitsverlauf einher. Aufgrund der teils komplexen Wirkung sind meistens mehrere Organsysteme gleichzeitig betroffen.
Organsystem | Symptome | Organsystem | Symptome |
---|---|---|---|
Allgemeinbefinden | Gastrointestinaltrakt | ||
Nervensystem | Respirationstrakt | ||
Herz-Kreislauf-System | Augen/Haut |
Differenzialdiagnosen
- Koma- oder Schockzustand anderer Genese
- Enzephalopathien
- Intoxikationen mit Barbituraten, Benzodiazepinen, Alkohol, Ethylenglykol, Methanol, Cannabis, Amitraz, Ivermectin
Diagnose
Opiate lassen sich in Urinproben nachweisen. Alternativ ist ein Nachweis auch im Serum oder in Erbrochenem mittels Immunoassay und/oder Gaschromatographie möglich.
Therapie
Opiat-Intoxikationen sind Notfälle, die eine intensivmedizinische Betreuung benötigen. Zu den initialen Notfallmaßnahmen zählen:
Neben einer Antidot-Therapie (Naloxon 0,04 mg/kgKG i.v., bei Bedarf Wiederholung) ist eine Dekontamination mithilfe von Aktivkohle (1 g/kgKG p.o.) und wiederholter Gabe von Glaubersalz (0,5 bis 1 g/kgKG p.o.) indiziert. Zusätzlich ist eine aggressive Infusionstherapie einzuleiten.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Quellen
- CliniPharm CliniTox. Rauschgift beim Drogenhund - Information für Hundehalter - Kleintier CliniTox Klinische Toxikologie (abgerufen am 03.10.2021)
- CliniPharm CliniTox. Opiate - Kleintier CliniTox Klinische Toxikologie (abgerufen am 03.10.2021)
Literatur
- Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3
- Frey HH, Löscher W (Begr.). Löscher W, Richter A (Hrsg.). 2016. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie für die Veterinärmedizin. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219581-3
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