Mycoplasma pneumoniae
Synonym: Mykoplasma pneumoniae
Englisch: mycoplasma pneumoniae
Definition
Mycoplasma pneumoniae ist ein Bakterium aus der Familie der Mycoplasmataceae, das bei Kindern und Jugendlichen ein häufiger Erreger von Atemwegsinfektionen ist.
Systematik
- Abteilung: Tenericutes
- Klasse: Mollicutes
- Ordnung: Mycoplasmatales
- Familie: Mycoplasmataceae
- Gattung: Mycoplasma
- Art: Mycoplasma pneumoniae
- Gattung: Mycoplasma
- Familie: Mycoplasmataceae
- Ordnung: Mycoplasmatales
- Klasse: Mollicutes
Erreger
Mycoplasma pneumoniae ist ein sehr kleines (0,2 bis 0,3 µm) Bakterium, das sowohl eine RNA, als auch eine DNA besitzt. Das Genom von Mycoplasma pneumoniae ist sehr klein, weshalb das Bakterium nur über ein beschränktes Set an Enzymen verfügt. Lebenswichtige Bausteine (z.B. Cholesterin) kann es nicht eigenständig synthetisieren. Der Erreger ist für seinen Fortbestand auf die Wirtszellen angewiesen, von denen er essentielle Wachstumsfaktoren wie Aminosäuren, Nukleotide, Cholesterin und Fettsäuren bezieht. Weiterhin haben Mykoplasmen einen fakultativ anaeroben Stoffwechsel, bilden keine Sporen und besitzen keine Kapsel.
Dem Bakterium fehlt eine mureinhaltige Zellwand, sodass es nicht mittels Gramfärbung anfärbbar ist. Auf Grund der fehlenden Zellwand bleiben zellwandaktive Antibiotika (z.B. Beta-Laktam-Antibiotika) und das im Endosom vorkommende Enzym Lysozym gegen Mycoplasma pneumoniae wirkungslos. Die Zellmembran von Mycoplasma pneumoniae enthält Cholesterin, was ungewöhnlich für Prokaryonten ist. Zur Anheftung an das respiratorische Epithel der Atemwege besitzt das Bakterium spezielle Oberflächenmoleküle (Zytoadhäsine). Mykoplasmen sind allgemein gesehen zwar flexibel, zeigen aber nur eine geringe osmotische Resistenz.
Mykoplasmen können verschiedenen Formen (Kugeln, Tropfen, Ringe) annehmen. Da sie jedoch oftmals in Form von langen Fäden vorkommen, erinnert ihr Aussehen an Pilze, was namensgebend war.
Epidemiologie
Mycoplasma pneumoniae kommt weltweit vor und ist ein häufiger Erreger von Pneumonien bei Kindern und Jugendlichen. Auf Grund seiner hohen Kontagiosität besteht eine hohe Durchseuchungrate. Der Mensch stellt das einzig bekannte Erregerreservoir dar.
Ausbrüche von Erkrankungen treten oft in Gemeinschaftseinrichtungen auf. Die Infektionen verlaufen meist endemisch mit vereinzelten Epidemien alle 4–7 Jahre.
Die größte Bedeutung besitzt Mycoplasma pneumoniae als Erreger von ambulant erworbenen Atemwegserkrankungen bei Kindern und Erwachsenen. Gemeinsam mit Chlamydia pneumoniae und Legionella spp. stellt es die wichtigste bakterielle Ursache der atypischen ambulant erworbenen Pneumonie dar.
Übertragung
Die Übertragung von Mycoplasma pneumoniae erfolgt hauptsächlich aerogen durch Tröpfchen. Gelegentlich ist auch eine Übertragung durch Schmierinfektion möglich.
Pathogenese
Mycoplasma pneumoniae gehört nicht zur physiologischen Bakterienflora des Menschen. Bereits kleinste Erregermengen (etwa 100 bis 200 Organismen) können eine Erkrankung verursachen. Nach der Inspiration von erregerhaltigem Material haftet sich Mycoplasma pneumoniae mit einem Adhäsionsfaktor am neuraminsäurehaltigen Glykoproteinrezeptor der Flimmerepithelzellen des respiratorischen Epithels an. Der Organismus kann zwar nachweislich innerhalb menschlicher Zellen überleben und sich dort vermehren, er entfaltet jedoch seine Wirkung als extrazellulärer Krankheitserreger.
Durch die Produktion und Sekretion von Pathogenitätsfaktoren führt Mycoplasma pneumoniae zu einer Zerstörung der Zellen des Flimmerepithels. Zu den Pathogenitätsfaktoren zählen bestimmte Superantigene, wie z.B. B- und T-Zell-Mitogene, welche die Zellteilung und Sezernierung von Zytokinen induzieren, sowie die Bildung von Wasserstoffperoxid und Sauerstoffradikalen.
Weiterhin kann es durch Antigene, die körpereigenen Strukturen ähneln, zu einer fehlgeleiteten Immunantwort und Autoimmunreaktionen kommen. In diesem Zusammenhang werden bei Infizierten häufig Kälteagglutinine nachgewiesen.
Klinik
Nach einer Inkubationszeit von 2-4 Wochen kommt es bei der Mehrzahl der Patienten zu einer leichten Pharyngitis oder Tracheobronchitis. In den meisten Fällen zeichnet sich die Infektion jedoch nur durch eine milde Symptomatik (z.B. leichte Halsschmerzen) aus, weswegen es auch oft zu keiner Diagnosestellung kommt.
Bei 3-13 % der Infizierten und insbesondere bei Kindern kann im Verlauf eine atypische Pneumonie entstehen. Sie beginnt meist schleichend über mehrere Tage, wobei ein akuter Verlauf möglich ist. Husten ist das häufigste Leitsymptomen, meist als trockener Reizhusten. Weitere Symptome sind Kopfschmerzen, Krankheitsgefühl, Schüttelfrost und Fieber. Bei 80 % der Patienten mit Mykoplasmenpneumonie fallen auskultatorisch Rasselgeräusche oder ein Giemen auf.
In seltenen Fällen kann es im Anschluss oder unabhängig von der pulmonalen Infektion zu extrapulmonalen Manifestation kommen. Dazu zählen:
- Dermatologisch:: erythematöse, vesikuläre, bullöse, petechiale oder urtikarielle Läsionen. Weiterhin Erythema exsudativum multiforme bzw. Stevens-Johnson-Syndrom.
- Neurologisch: Meningitis, Enzephalitis, Polyradikulitis, Guillain-Barré-Syndrom, akute Psychosen, zerebelläre Ataxie, akute disseminierte Enzephalomyelitis, transverse Myelitis, zerebrovaskuläre Thrombembolien
- septische Arthritis: v.a. bei Hypogammaglobulinämie
- reaktive Arthritis
- Hepatitis
- Glomerulonephritis
- Pankreatitis
- Myokarditis, Perikarditis
- Rhabdomyolyse
- hämolytische Anämie
- Otitis media: umstritten
Diagnostik
Bildgebung
Im Röntgen-Thorax zeigt sich bei einem akuten Verlauf initial oft eine interstitielle, feinretikuläre Zeichnungsvermehrung. Im Verlauf entwickeln sich segmentale bis lobäre alveoläre Verschattungen mit positivem Bronchopneumogramm. Bei subakutem Verlauf liegen persistierende Kerley-B-Linien und retikulonoduläre Verschattungen vor. Die Infiltrate betreffen v.a. die beiden Lungenunterlappen.
Thorakale Lymphknotenvergrößerungen sind beim Erwachsenen selten, bei Kindern in bis zu 30 % der Fälle vorhanden.
Labormedizin
Material
Für den direkten Erregernachweis werden Sputum, Trachealsekret oder Material einer bronchoalveolären Lavage (BAL) benötigt. Für serologische Untersuchungen verwendet man 1 ml Serum.
Auf Grund der fehlenden Zellwand sind die Erreger sehr anfällig gegenüber Umwelteinflüssen und trocknen schnell aus. Daher sollte die Probe schnell transportiert und analysiert werden.
Direkter Erregernachweis
Der direkte Erregernachweis gelingt in der Regel mittels Multiplex-PCR.
Weiterhin kann Mycoplasma pneumoniae auf Spezialnährmedien (z.B. Argininmedium oder pferdeserumhaltiges Medium) unter mikroaerophilen oder anaeroben Bedingungen unter Zugabe von Cholesterin und Proteinen kultiviert werden. Der Nachweis ist jedoch langwierig (2 bis 7 Tage) und kann nur in speziellen Laboren durchgeführt werden.
Indirekter Erregernachweis
Der indirekte Erregernachweis erfolgt durch den Nachweis spezifischer Antikörper mittels Komplementbindungsreaktion (KBR) oder ELISA im Patientenserum. Wegen der hohen Durchseuchungsrate hat der serologische Nachweis jedoch einen untergeordneten diagnostischen Wert. Die Serologie kann beispielsweise der retrospektiven Diagnosebestätigung dienen oder ist eine Ausweichmethode, falls kein respiratorisches Material zur Verfügung steht.
IgM-Antikörper erscheinen etwa eine Woche nach Symptombeginn erstmalig im Serum. Sie persistieren für mehrere Jahre und treten nur bei der Primärinfektion und nicht bei Reinfektionen auf. Ansteigende oder hohe Titer sprechen für eine akute Primärinfektion mit Mycoplasma pneumoniae.
IgG-Antikörper lassen sich etwa ab der zweiten Krankheitswoche nachweisen und persistieren lebenslang. Kommt es zu einem Anstieg der IgG-Antikörper bei einer Verlaufskontrolle nach 1 bis 2 Wochen, spricht dies für eine akute Infektion.
IgA-Antikörper sind ungefähr eine Woche nach Krankheitsbeginn vorhanden und fallen nach etwa 1 bis 2 Monaten wieder ab. Ihre Anwesenheit kann ein Anzeichen für eine akute Infektion sein, wobei man nicht zwischen einer Primär- oder Reinfektion unterscheiden kann.
Therapie
Bei einer Infektion mit Mycoplasma pneumoniae kommen folgende Medikamente zum Einsatz:
- Doxycyclin: 200 mg/d p.o. für 5-14 Tage
- Makrolide: zunehmende Resistenzentwicklung
- Azithromycin: 500 mg p.o. an Tag 1, dann 250 mg/d an Tagen 2-5
- Clarithromycin: 2 x 500 mg/d p.o. für 5-7 Tage
- Erythromycin
- Fluorchinolone:
- Levofloxacin: 500 mg p.o. für 5-14 Tage
- Moxifloxacin: 400 mg p.o. für 5-14 Tage
- Gemifloxacin
- nicht empfohlen: Ofloxacin, Ciprofloxacin.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Beta-Laktam-Antibiotika sind wirkungslos. Bei schweren, therapierefraktären Pneumonien kann die zusätzliche Gabe von Glukokortikoiden erwogen werden. Eine adäquate Antibiotikatherapie reduziert die Dauer der Atemwegserkrankung, beeinflusst jedoch nicht die Nachweisdauer des Erregers mittels Kultur oder PCR. Daher wird ein erneuter Test zur Therapiekontrolle nicht empfohlen.
Prognose
Obwohl die Mykoplasmenpneumonie im Allgemeinen selbstlimitierend verläuft, lässt sich die Krankheitsdauer durch eine adäquate antimikrobielle Behandlung verkürzen. Die Infektion führt nur in Ausnahmefällen zum Tod. Nach dem Abheilen der akuten Pneumonie können bei einigen Patienten für längere Zeit ein rezidivierendes Giemen oder eine bronchiale Hyperreagibilität bestehen bleiben. Der Zusammenhang zwischen einer chronischen Infektion und Asthma bronchiale ist derzeit (2021) Gegenstand der Forschung.
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 09.04.2021
- Medizinische Mikrobiologie und Hygiene Uni Heidelberg: Mycoplasma pneumoniae; abgerufen am 09.04.2021
- Herbert Hof, Dirk Schlüter: Duale Reihe - Medizinische Mikrobiologie (7. Auflage, 2019)