(Weitergeleitet von Antiepileptikum)
Synonym: Antiepileptikum
Englisch: anticonvulsive, anticonvulsive drug, anticonvulsive agent
Ein Antikonvulsivum ist ein Arzneimittel, das zur Behandlung epileptischer Erkrankungen bzw. Anfallserkrankungen eingesetzt wird.
Die gängigen Antikonvulsiva gehören zu verschiedenen, pharmakologischen Wirkgruppen und sind auf molekularer Ebene sehr heterogen. Ihre Zusammenfassung erfolgt also primär aufgrund ihrer klinischen Wirkung. Allen Substanzen gemeinsam ist die Hemmung der neuronalen Erregbarkeit bzw. der Erregungsweiterleitung im ZNS.
Antikonvulsiva zeichnen sich unter anderem durch folgende Wirkmechanismen aus:
Jedes Antikonvulsivum bzw. jede Antikonvulsiva-Gruppe verfolgt dabei einen eigenen, spezifischen Wirkmechanismus. Je nach Anfallstyp wird ein bestimmtes Antikonvulsivum verabreicht. Bei unzureichender Wirkung erfolgt die Umstellung auf ein anderes Präparat; eine antiepileptische Therapie sollte stets zunächst als Monotherapie erfolgen.
Die meisten Antikonvulsiva zeichnen sich durch eine gute Verträglichkeit aus. Dennoch sind auch einige unerwünschte Merkmale der Arzneimittel zu nennen, wobei zu beachten ist, das jedes einzelne Pharmakon zusätzlich noch substanzspezifische Merkmale aufweist und nicht jedes Merkmal auf jedes Präparat zutrifft:
Wirkstoff | Handelsname | Anmerkungen |
---|---|---|
Brivaracetam | Briviact® | fokale Anfälle |
Carbamazepin | Timonil® | Mittel der 1. Wahl in der Dauertherapie |
Cenobamat | Xcopri® | therapieresistente fokale Epilepsie |
Chloralhydrat | Chloraldurat® u.a. | Suchtpotential |
Diazepam | Valium® | Benzodiazepin, Mittel der 1. Wahl im akuten Anfall /Status epilepticus |
Clobazam | Frisium® | Zusatztherapeutikum |
Clonazepam | Rivotril® | Benzodiazepin, auch bei Kindern |
Clorazepat | Tranxilium® | Anxiolytikum |
Diazepam | Valium® | Benzodiazepin, Notfallbehandlung |
Eslicarbazepinacetat | Zebinix® | Zusatzbehandlung |
Ethosuximid | Penidan® | Mittel der 2. Wahl in der Dauertherapie |
Felbamat | Taloxa® | Lennox-Gastaut-Syndrom |
Gabapentin | Neurontin® | Zusatztherapeutikum |
Imepitoin | Pexion® | Veterinärmedizin |
Kaliumbromid | Dibro-Be® mono | Schwere Epilepsie bei Kindern |
Lacosamid | Vimpat® | Zusatztherapeutikum |
Lamotrigin | Lamictal® | Zusatztherapeutikum |
Levetiracetam | Keppra® | partiellen Anfälle, Zusatztherapeutikum |
Lorazepam | Tavor® | Benzodiazepin, Mittel der 1. Wahl im akuten Anfall /Status epilepticus |
Mesuximid | Petinutin® | Zweitlinientherapie |
Midazolam | Dormicum® | Benzodiazepin, Notfallbehandlung |
Oxcarbazepin | Trileptal® | Carbamazepinabkömmling |
Perampanel | Fycompa® | Zusatztherapie |
Phenobarbital | Luminal® | Barbiturat, 2. Wahl in der Dauertherapie |
Phenytoin | Phenhydan® | Mittel der 2. Wahl |
Pregabalin | Lyrica® | Zusatztherapeutikum |
Primidon | Mylepsinum® | Reservepräparat bei unzureichender Wirkung oben genannter Mittel |
Rufinamid | Inovelon® | Lennox-Gastaut-Syndrom |
Stiripentol | Diacomit® | Zusatzbehandlung bei Dravet-Syndrom |
Sultiam | Ospolot® | Rolando-Epilepsie |
Tiagabin | Gabitril® | Zusatztherapeutikum |
Topiramat | Topamax® | Zusatztherapeutikum |
Valproat | Ergenyl® | Valproinsäure, Mittel der 1. Wahl in der Dauertherapie |
Vigabatrin | Sabril® | Zusatztherapeutikum |
Zonisamid | Zonegran® | Monotherapie bei fokalen Anfällen |
Zu den "klassischen" Antikonvulsiva zählen Carbamazepin, Ethosuximid, Phenytoin und Valproat. Sie sind bewährt, haben jedoch eine geringe therapeutische Breite.
Trimethadion ist aufgrund der Gefahr von Fehlbildungen (Trimethadion-Embryopathie) in Deutschland nicht mehr zugelassen.
Nach einem einzelnen Anfall muss nicht zwangsläufig eine medikamentöse Dauertherapie eingeleitet werden. Eine exakte Diagnosestellung ist notwendig (War der Anfall fokal oder generalisiert?), um die richtige Medikation auszuwählen. Oberstes Behandlungsziel sollte die Anfallsfreiheit sein, ist dies nicht möglich, versucht man zumindest eine deutliche Anfallsreduktion bei akzeptablen Nebenwirkungen zu erreichen.
Nach Möglichkeit sollte nur ein Antiepileptikum verabreicht werden (Monotherapie). Nur wenn dies nicht möglich ist, sind mehrere Wirkstoffe indiziert - hier sind aber die Wechselwirkungen zu beachten. Originalpräparate und Generika dürfen nicht willkürlich gegeneinander ausgetauscht werden. Ebenso sollte ein Antiepileptikum niemals abrupt abgesetzt werden, da sonst ein akuter Krampfanfall auftreten kann.
Der akute Krampf oder der Status epilepticus stellen eine lebensbedrohliche Situation dar, in der durch intravenöse Injektion und Gabe eines entsprechenden Antikonvulsivum ein schnellstmöglicher Wirkeintritt notwendig ist. Zunächst ist in dieser Situation die Gabe von Benzodiazepinen (siehe Übersicht) angezeigt. Sie sind durch ihren raschen Wirkungseintritt besonders geeignet.
Bei unzureichender Wirkung oder Therapieresistenz sollte der Einsatz von Phenytoin erfolgen. Hier ist der ein antiarrhytmischer Effekt zu beachten. Monitoring ist hier obligat.
Sollte sich auch hier eine unzureichende Wirkung ergeben, empfiehlt sich die zusätzliche Gabe von Barbituraten. Erst bei Resistenz aller genannten Einsatzmöglichkeiten ist die Narkose mit Barbituraten die ultima ratio.
Für die Untersuchung werden 2 ml Serum benötigt.
Die Blutentnahme sollte im Steady-State (frühestens nach vier Halbwertszeiten des Präparates) morgens vor der Tabletteneinnahme mit mindestens vier Stunden Abstand zur vorherigen Dosis durchgeführt werden.
Im Folgenden sind die therapeutischen und toxischen Bereiche verschiedener Antikonvulsiva aufgelistet. Die Werte dienen der Orientierung. Ausschlaggebend sind die vom jeweiligen Labor angegebenen Referenzwerte.
Präparat | Therapeutischer Bereich |
Toxischer Bereich |
---|---|---|
Aethadion | 2-8 µg/ml | |
Bromid | bis 3.000 µg/ml | Dauertherapie: 3.000 µg/ml |
Carbamazepin - freies Carbamazepin |
4-10 µg/ml ca. 1-2,5 µg/ml |
> 15 µg/ml |
Clonazepam | 15-60 ng/ml | > 80 ng/ml |
Diazepam - Desmethyldiazepam (Metabolit) |
200-500 ng/ml 200-800 ng/ml |
> 1.000 ng/ml > 2.000 ng/ml |
Diphenylhydantoin (Phenytoin) - freies Diphenylhydantoin |
(5-)10-20 µg/ml ca. 1-2 µg/ml |
> 20 µg/ml |
Dipropylacetat (Valproat) - freies Dipropylacetat |
50-100 µg/ml ca. 5-10 µg/ml |
> 150 µg/ml |
Ethosuximid | 40-100 µg/ml | > 120 µg/ml |
Felbamat | 10-100 µg/ml | |
Gabapentin[1] | 2-10 µg/ml | > 85 µg/ml |
Lamotrigin | 0,5-4,5 µg/ml* | |
Levetiracetam[2] | 10-40 µg/ml | |
Lorazepam[3] | 20 - 250 ng/ml | > 500 ng/ml |
Mephenytoin | 4-16 µg/ml | |
Methosuximid Messung: N-Desmethyl-Methsuximid |
10-40 µg/ml | |
Nitrazepam | 30-90 ng/ml | > 200 ng/ml |
Oxcarbazepin - 10-OH-Oxcarbazepin (Metabolit) |
bis 3,0 µg/ml 5-30 µg/ml |
|
Phenobarbital - freies Phenobarbital |
15-30 µg/ml 10-20 µg/ml |
> 50 µg/ml |
Primidon - incl. Metaboliten (Phenobarbital) |
6-12 µg/ml 5-12 µg/ml |
> 15 µg/ml |
Sultiam | Erw.: 1,5-10,0 µg/ml Kinder: 1,0-6,0 µg/ml |
> 20 µg/ml |
Topiramat | 1-10 µg/ml | |
Trimethadion - Dimethadion (Metabolit) |
20-50 µg/ml 350-1.000 µg/ml |
> 1.000 µg/ml |
Vigabatrin | 3-25 µg/ml |
*Kinder tolerieren z.T. höhere Dosen
Fachgebiete: Neurologie, Pharmakologie
Diese Seite wurde zuletzt am 5. Februar 2022 um 10:25 Uhr bearbeitet.
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