(Weitergeleitet von Typ-2-Diabetes)
von altgriechisch: διαβαίνειν ("diabainein") - hindurchfließen und lateinisch: mellitus - honigsüß
Synonym: Zuckerkrankheit
Englisch: diabetes mellitus, diabetes
Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung, die auf Insulinresistenz oder Insulinmangel beruht und durch einen chronisch erhöhten Blutzuckerspiegel gekennzeichnet ist. Sie ist mit einem deutlich erhöhten Risiko für schwere Begleit- und Folgeerkrankungen verbunden.
Das Vorstadium eines Diabetes mellitus bezeichnet man als Prädiabetes.
Die Prävalenz des Diabetes mellitus hat in den letzten 3 Jahrzehnten stark zugenommen. Nach Schätzungen der WHO stieg die Anzahl der Diabetiker (> 18 Jahre) in Europa von 33 Millionen Erkrankten im Jahr 1980 auf 64 Millionen Erkrankte im Jahr 2014. Weltweit stieg die Anzahl der Diabetiker im gleichen Zeitraum von 108 Millionen auf 422 Millionen. Davon erkrankten ca. 90% an Diabetes Typ 2.[1]
Durch die anhaltend hohen Saccharidwerte im Blut werden Proteine des Blutplasmas in einer nicht-enzymatischen Glykierung (Amadori-Umlagerung) mit Saccharidresten versehen und damit teilweise unbrauchbar gemacht oder lagern sich ab. Durch die hohe Konzentration von Zucker in nichtinsulinabhängigen Geweben kommen osmotische Organschädigungen (beispielsweise in der Augenlinse) vor.
Ursache des Diabetes mellitus ist immer ein Ausfall des glucotropen Regelkreises, der durch Störungen an verschiedenen Stellen bedingt sein kann.
Es werden mehrere Formen des Diabetes mellitus unterschieden, die nach einem Vorschlag der American Diabetes Association (ADA) folgendermaßen eingeteilt werden:
Klasse (Typ) | Beschreibung |
---|---|
1A | Insulinmangel, immunologisch |
1B | Insulinmangel, idiopathisch |
2 | Insulinresistenz und simultane Funktionseinschränkung der Betazellen |
3A | Genetisch bedingte Betazellstörung |
3B | Genetisch bedingte Insulinresistenz |
3C | Pankreopriver Diabetes mellitus |
3D | Sekundär endokriner Diabetes mellitus |
3E | Diabetes mellitus durch Chemikalien oder Drogen bedingt |
3F | Infektiös |
3G | Immunologisch |
3H | Andere genetische Syndrome |
4 | Gestationsdiabetes |
Diese Einteilung entspricht seit 1998 auch den Empfehlungen der WHO.
Der Typ-1-Diabetes beruht auf einem Mangel an Insulin infolge einer Zerstörung der insulinproduzierenden Beta-Zellen in den Langerhans'schen Inseln des Pankreas (Bauchspeicheldrüse). Am höchsten ist die Neuerkrankungsrate bei Kindern zwischen 11 und 13 Jahren. Deshalb wurde der Typ 1 Diabetes früher auch als jugendlicher oder juveniler Diabetes bezeichnet.
Als Ursache des Typ-1-Diabetes gilt heute das Zusammenwirken von erblicher Veranlagung und äußeren Faktoren (z.B. bestimmte Virusinfektionen) und einer Fehlsteuerung des Immunsystems. So sind bestimmte weiße Blutkörperchen (T-Lymphozyten) beschrieben, die sich speziell gegen die Beta-Zellen richten; auch Antikörper gegen Beta-Zellen, gegen Glutamatdecarboxylase oder gegen Insulin lassen sich bei Typ-1-Diabetikern nachweisen. In Folge der immunologischen Fehlfunktionen kommt es zum Untergang der insulinproduzierenden Zellen und zum absoluten Insulinmangel. Ohne Insulin kann jedoch Glukose kaum noch aus dem Blut in die Körperzellen aufgenommen werden.
Der Typ-2-Diabetes beruht in erster Linie auf einem verminderten Ansprechen der Körperzellen auf Insulin. Eine zweite notwendige Voraussetzung ist eine Funktionseinschränkung der Betazellen. Beide Faktoren alleine würden noch keinen Diabetes verursachen, aber in der Kombination resultiert eine Störung der Glukose-Homöostase.
Der Diabetes mellitus Typ 2 macht sich meist nach dem 40. Lebensjahr erstmals bemerkbar und wurde deshalb früher auch als Altersdiabetes oder "Alterszucker" bezeichnet. Inzwischen verschiebt sich das Alter der Erstmanifestation zunehmend auf jüngere Patientenkollektive.
Auslösende Faktoren könnten neben einer genetisch bedingten Prädisposition fettreiche Ernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel sein - meist führt eine Kombination dieser Risiken zum Ausbruch der Krankheit.
Die Hauptursache einer herabgesetzten Insulinsensitivität ist die Abnahme der Insulinrezeptordichte und damit einhergehend eine geringere Bereitschaft der Zellen, Glukose aus dem Blut aufzunehmen. Seltenere Ursachen für eine herabgesetzte Insulinsensitivität sind genetische Defekte der Rezeptoren oder nachgeschalteter Elemente der intrazellulären Signaltransduktion. Zum Ausgleich des gesteigerten Blutzuckers reagiert der Körper zunächst mit einer gesteigerten Insulinsekretion, was in der Folge die Insulinresistenz bei sinkender Sekretionskapazität forciert.
Die Insulinresistenz fördert die Entstehung einer Hyperglykämie durch:
Eine gestörte Insulinsekretion wird durch eine verminderte Aktivität des GLUT-1-Transporters der ß-Zellen ausgelöst. Infolgedessen ist die Insulinsekretion herabgesetzt, wodurch die Aufnahme der Glukose in die Körperzellen gemindert wird. Der Insulinmangel im Blut bewirkt eine gesteigerte Glukagonwirkung, wodurch eine Hyperglykämie weiter verstärkt wirkt.
Die Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft empfehlen bereits bei Diagnosestellung des Diabetes mellitus Typ 2 die Einleitung einer Therapie mit Metformin, solange keine Kontraindikation besteht.
Weitere Formen des Diabetes mellitus, die nicht dem Typ 1 oder dem Typ 2 zugerechnet werden, werden als Typ-3-Diabetes bezeichnet. Dazu zählen:
Zu den genetischen Defekten der Betazelle zählt eine bereits bei Kindern auftretende Form des Diabetes mellitus, die dem Typ 2 ähnelt und in der Literatur als MODY (Maturity-Onset Diabetes of the Young) bezeichnet wird.
Ein erstmals während der Schwangerschaft auftretender Diabetes wird als Schwangerschafts- oder Gestationsdiabetes bezeichnet. Durch die vermehrt im Körper vorliegenden Steroidhormone wird die Produktion von Insulin gehemmt, so dass die Blutzuckerwerte hormonabhängig stark steigen können. In der Regel verschwindet diese Form des Diabetes nach Beendigung der Schwangerschaft. Dabei ist jedoch das Risiko für die spätere Entwicklung eines Typ-2- oder Typ-1-Diabetes stark erhöht.
Der Diabetes mellitus kann lange Zeit symptomfrei verlaufen, erst ab einer Erhöhung des Blutzuckers über einen kritischen Wert macht sich die Erkrankung klinisch bemerkbar. Die Symptome der Hyperglykämie sind:
Durst und Polyurie (erhöhte Harnproduktion) entstehen ab einem Blutzuckerspiegel von etwa 180 mg/dl ("Nierenschwelle"). Übersteigt der Blutzuckerspiegel diesen Wert, kann die Glukose in der Niere nicht mehr vollständig rückresorbiert werden. Das führt zu einem Auftreten von Glukose im Urin (Glukosurie) und zu einem deutlichen Anstieg des Harnvolumens. Der Patient versucht den Wasserverlust durch erhöhtes Trinken (Polydipsie) zu kompensieren.
Unbehandelt kann die Hyperglykämie zum diabetischen Koma führen.
Die von der American Diabetes Association empfohlenen Diagnosekriterien zur Feststellung eines Diabetes mellitus basieren auf der Messung des Blutzuckers, wobei eine der folgenden Messungen angewendet werden sollte[2]:
Weitere diagnostischen Maßnahmen sind:
Bei langjährig bestehendem Diabetes können sich typische Komplikationen entwickeln, insbesondere wenn die Stoffwechsellage über längere Zeit schlecht eingestellt war. Betroffen sind vor allem das Nervensystem und die Blutgefäße. Entsprechend unterscheidet man:
Auf der Basis dieser Leitungsbahnschäden entwickeln sich typische Endorganschäden des Diabetes mellitus:
Weitere Komplikationen sind diabetische Katarakt, diabetische Amyotrophie und diabetische Radikulopathie.
Der Pflegebedarf bei Diabetes mellitus ist in erster Linie von den bereits eingetretenen Komplikationen abhängig. Aufgrund der bei Diabetikern häufig auftretenden Wundheilungsstörungen kann er erheblich sein. Ein besonders Augenmerk verdient die Fußpflege. Zehennägel sollten von der Podologin so gekürzt werden, dass das Verletzungsrisiko minimmal ist.
Im Anfangsstadium ist die Pflege primär auf die Beratung des Patienten (Ernährung, Bewegung, Medikamenteneinnahme, Insulingabe usw.) fokussiert.
Tags: Blutzucker, Diabetes, Diabetes mellitus, Glukose, Glukosurie
Fachgebiete: Endokrinologie u. Diabetologie
Diese Seite wurde zuletzt am 14. März 2022 um 20:03 Uhr bearbeitet.
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