Kinderreanimation
Synonyme: Kinder-Rea, pädiatrische Reanimation, pädiatrische CPR
Englisch: pediatric resuscitation, pediatric life support
Definition
Die Kinderreanimation umfasst alle Maßnahmen zur Wiederbelebung von Kindern bis zur Pubertät. Abzugrenzen ist die Neugeborenenreanimation unmittelbar nach der Geburt.
Inzidenz
Die kardiopulmonale Reanimation von Kindern ist ein seltenes Ereignis. Im Jahresbericht 2023 des deutschen Reanimationsregisters werden folgende Fallzahlen genannt:
| Setting | Gesamte Reanimationen | Anteil < 18 Jahre | Absoluter Wert < 18 Jahre |
|---|---|---|---|
| Präklinisch | 25.558 | 1,4 % | 358 |
| Innerklinisch | 5.783 | 0,4 % | 23 |
| Gesamt | 31.341 | 1,2 % | 381 |
In den Fällen der < 18-Jährigen sind ebenfalls die Neugeborenenreanimationen aufgeführt. Exakte Zahlen zu der Kinderreanimation lassen sich daher nicht herleiten.
Zusammenfassend liegt die Inzidenz in Deutschland bei ca. 3 Reanimationen pro 100.000 Kinder und Jugendliche pro Jahr.
Pathophysiologie
Es gibt zahlreiche Ursachen für einen Kreislaufstillstand im Kindesalter. Einige dieser Ursachen, wie z.B. der plötzliche Kindstod (SIDS) oder einige traumatisch-bedingte Kreislaufstillstände, sind nicht reversibel.
Im Rahmen des "Pediatric Life Support" (PLS) konzentriert man sich gezielt auf die reversiblen Auslöser eines Herz-Kreislauf-Stillstandes. Um einen schnellen Überblick über mögliche Ursachen zu erhalten, wird mit dem Schema der 4H's und 4T's gearbeitet, die auch in der Erwachsenenreanimation etabliert sind.
Im Unterschied zu Erwachsenen, bei denen kardiale Ursachen ein häufiger Auslöser eines Kreislaufstillstands sind, liegen bei Kindern überwiegend respiratorische Störungen bzw. eine Verlegung der Atemwege vor. Dementsprechend kommt es bei Kindern auch seltener zu defibrillierbaren Herzrhythmusstörungen (z.B. Kammerflimmern). Häufiger liegt eine Asystolie vor.
| Überbegriff | Häufigkeit | Mögliche Auslöser | Symptome / Pathophysiologie |
|---|---|---|---|
| 4H | |||
| Hypoxie | > 70 % (häufigste) | Bradykardie → Asystolie | |
| Hypovolämie | ~ 15 % |
|
Tachykardie → hypovolämischer Schock |
| Hypothermie / Hyperthermie | ~ 2 % |
|
Hypothermie: ↓ Herzfrequenz/Kontraktilität → Kreislaufstillstand Hyperthermie: Zellschäden, Vasodilatation, Volumenverlust |
| Hypokaliämie / Hyperkaliämie | Hypo: ~ 4 % Hyper: ~ 1 % |
|
Hypo: ventrikuläre Extrasystole Hyper: Bradykardie → Asystolie |
| HITS | |||
| Herzbeuteltamponade | ~ 1 % | Perikarderguss → ↓ Herzzeitvolumen → Schock → Kreislaufstillstand | |
| Intoxikation | ~ 5 % |
|
Dosisabhängige, substanzspezifische Mechanismen (z.B. Arrhythmien) |
| Thromboembolie | ~ 1 % |
|
Gefäßobstruktion (Lunge, zerebral, Herz) → Kreislaufstillstand |
| Spannungspneumothorax | < 1 % (seltenste) | ↑ intrathorakaler Druck → Mediastinalverlagerung → ↓ venöser Rückfluss → Bewusstlosigkeit → Kreislaufstillstand | |
Altersbegrenzung
Die Kinderreanimation gilt für Kinder im Alter von 0 bis 18 Jahren. Eine Ausnahme stellen Neugeborene unmittelbar nach der Geburt dar – hier wird die Neugeborenenreanimation angewandt.
Bei Jugendlichen wird das Eintreten der Pubertät als Grenze angesehen. Hat der oder die Jugendliche bereits sichtbare Pubertätsanzeichen (z.B. Schambehaarung, großer Körper, „sieht erwachsen aus"), wird der Algorithmus der Erwachsenenreanimation angewandt.
Indikation
- Herz-Kreislauf-Stillstand
- Schnappatmung
- Hypoxie- oder Ischämie-bedingte Bradykardie mit einer HF < 60/min (altersabhängig)
Maßnahmen
Oberste Priorität haben qualitativ hochwertige Thoraxkompressionen mit minimalen Unterbrechungen, schnellstmögliche Defibrillation, suffiziente Beatmung und Oxygenierung sowie Therapie der reversiblen Ursachen.
Thoraxkompression
Bei der Durchführung einer Herzdruckmassage ist auf eine harte Unterlage zu achten, um eine effektive Kompression des Brustkorbs zu gewährleisten. Der Druckpunkt sollte sich im unteren Drittel des Sternums befinden. Nach jeder einzelnen Kompression muss eine vollständige Entlastung erfolgen, um die venöse Rückführung nicht zu behindern. Das Verhältnis von Thoraxkompression zu Beatmung beträgt 15:2.
Sobald der Atemweg gesichert ist, sind die Thoraxkompressionen kontinuierlich fortzusetzen, ohne längere Unterbrechungen. Die Frequenz der Kompressionen sollte dabei 100–120 pro Minute betragen. Technik und Kompressionstiefe variieren je nach Alter des Kindes:
- Säugling (< 1 Jahr):
- Tiefe: mind. 1/3 des Thoraxdurchmessers
- bevorzugt thoraxumfassende 2-Daumen-Technik
- Kind (1 Jahr, Kleinkind):
- Tiefe: mind. 1/3 des Thoraxdurchmessers
- 1 Handballen-Technik
- Jugendliche:
- Tiefe: ca. 5 cm, max. 6 cm
- 2-Hand-Kompressionstechnik
Defibrillation
Die Rhythmusanalyse sollte durch qualifiziertes Fachpersonal erfolgen. Bei Vorliegen eines defibrillierbaren Rhythmus ist eine manuelle Defibrillation mit einer Energie von 4 J/kgKG (biphasisch) durchzuführen. Falls das eingesetzte Gerät diese Einstellung nicht exakt zulässt, wird die Energie auf den nächsthöher einstellbaren Wert aufgerundet.
Im Fall einer refraktären pulslosen ventrikulären Tachykardie (pVT) oder eines Kammerflimmerns (VF) – definiert durch das Fortbestehen des Rhythmus trotz mehr als sechs Schocks – kann schrittweise auf bis zu 8 J/kgKG erhöht werden.
Liegt zusätzlich eine Hypothermie vor, erfolgt eine entsprechende Anpassung der Maßnahmen:
| Körperkerntemperatur | Intervall |
|---|---|
| 30–35 °C | Normale Defibrillation |
| < 30 °C | Maximal drei Defibrillationsversuche |
Atemweg
Die endotracheale Intubation sollte ausschließlich durch einen ausgebildeten und erfahrenen Anwender erfolgen. Sie wird idealerweise während laufender Reanimationsmaßnahmen mittels Laryngoskopie durchgeführt. Eine Unterbrechung der Thoraxkompressionen darf dabei höchstens fünf Sekunden betragen, um die Perfusion aufrechtzuerhalten.
Falls eine adäquate Intubation unter Reanimationsbedingungen nicht möglich ist, kann der Versuch zugunsten einer kontinuierlichen Herzdruckmassage zunächst zurückgestellt und erst nach Rückkehr eines Spontankreislaufs (ROSC) unternommen werden.
Als alternative Atemwegssicherung sollte der Einsatz eines extraglottischen Atemwegshilfsmittels – etwa in Form einer Larynxmaske – erwogen werden.
Falls keine invasive oder supraglottische Atemwegssicherung möglich ist, stellt die Beutel-Masken-Beatmung eine Rückfallebene dar.
Ventilation
Zu Beginn der Beatmung ist der Atemweg zu inspizieren, um potenzielle Verlegungen, anatomische Besonderheiten oder Fremdkörper zu erkennen. Anschließend sollte der Kopf altersentsprechend adäquat gelagert werden, um eine möglichst freie Atemwegspassage zu gewährleisten.
Im Unterschied zur Erwachsenenreanimation sind 5 initiale Beatmungen vor Beginn der Herzdruckmassage empfohlen. Ist die Beatmung jedoch nicht unverzüglich möglich bzw. ein Beatmungsbeutel nicht sofort verfügbar, soll auf die initialen Beatmungen verzichtet werden!
Die Beatmung erfolgt mit einem FiO₂ von 1,0 (100 % Sauerstoff). Ziel ist ein beatmungssynchrones Heben und Senken des Brustkorbs, das eine suffiziente Oxygenierung und Ventilation sicherstellt.
Das exspiratorische Atemzugvolumen (AZV) sollte 6–8 ml/kgKG betragen. Die Inspirationszeit liegt idealerweise bei etwa 1 Sekunde. Die AF/min nach gesichertem Atemweg variiert altersabhängig:
- Säugling: 25
- 1–8 Jahre: 20
- 8–12 Jahre: 15
- > 12 Jahre: 10
Die Kapnometrie wird eingesetzt für:
- Bestätigung der korrekten Tubuslage
- Rasches Erkennen eines ROSC
- Vermeidung einer Hyperventilation nach ROSC
Parenteraler Zugang
- Intraossärer Zugang als Mittel der Wahl, da ein i.v. Zugang bei Kindern häufig schwierig zu etablieren ist
- falls problemlos und ohne Verzögerung möglich, soll primär ein i.v.-Zugang gelegt werden
Medikamente
| Dosis i.v. / i.o. | Indikation | Repetition | |
|---|---|---|---|
| Adrenalin | 0,01 mg/kgKg (max. 1 mg) | Bei Asystolie und PEA so früh wie möglich,
Bei pVT und VF nach dem 3. erfolglosem Schock |
alle 4 Minuten |
| Amiodaron | 5 mg/kgKg (max. 300 mg) | persistierende pVT, VF nach dem 3. erfolglosen Schock | einmalig 5 mg/kgKg (max. 150 mg) nach dem 5. erfolglosen Schock |
Alternativ kann durch Ärzte, die mit dem Umgang vertraut sind, Lidocain anstelle von Amiodaron verwendet werden (Lidocain 1 mg/kgKG).
Bei vermutetem Schock aufgrund einer Hypovolämie soll zudem ein Volumenbolus verabreicht werden (10 - 20 ml/kgKG Vollelektrolytlösung).
Die Medikamentenintervalle verändern sich im Falle einer Hypothermie wie folgt:
| Körperkerntemperatur | Intervall |
|---|---|
| 30–35 °C | Intervall für Medikamentengabe verdoppeln |
| < 30 °C | Keine Medikamentengabe |
Mithilfe der Medikamententankstelle lässt sich die Patientensicherheit erhöhen. Die Medikamente werden im Rahmen der Kinderreanimation identisch wie bei der Erwachsenenreanimation aufgezogen und per Drei-Wege-Hahn an eine kleinere Spritze konnektiert. Somit muss kein anderer Spritzenstandard gewählt werden. Anschließend wird 0,1 ml/kgKg aus dem Drei-Wege-Hahn entnommen und dem Kind appliziert.
Die Verwendung von Dosierungshilfen und -tabellen ist in jedem Fall empfohlen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
CRM
Die Kinderreanimation ist eine Herausforderung für alle Beteiligten, vor allem weil neben der hohen Dringlichkeit die emotionale Komponente eine größere Rolle als sonst spielt. Basierend auf den 15 Leitsätze des Crew Resource Managements sind hier u.a. eine klare Rollenverteilung und professionelle Kommunikation entscheidend.
Debriefing
Ein strukturiertes Debriefing unmittelbar nach einer Kinderreanimation verbessert sowohl die Patientenversorgung, als auch die Teamleistung und psychische Gesundheit aller Beteiligten. So können Fehler offen nachgearbeitet und im Team besprochen werden.
Literatur
- grc-org.de - Leitlinienkompakt, abgerufen am 07.07.2025
- dbrd.de - SAA und BPR 2023, abgerufen am 07.07.2025
- Thieme - Notfallversorgung bei Kindern, abgerufen am 07.07.2025
- reanimationsregister.de - Jahresberichte, abgerufen am 07.07.2025
- notfallguru.de - Kindernotfall/Kinderreanimation, abgerufen am 07.07.2025