Plötzlicher Kindstod
Synonyme: plötzlicher Säuglingstod, Krippentod
Englisch: sudden infant death syndrome(SIDS)
Definition
Unter dem plötzlichen Kindstod, kurz SIDS, versteht man den plötzlichen und unvorhersehbaren Tod eines Säuglings im Schlaf, ohne dass in der Obduktion eine adäquate Todesursache nachweisbar ist.
Epidemiologie
In Deutschland betrug im Jahr 2019 die Inzidenz des plötzlichen Kindstods etwa 0,14 Promille, entsprechend 107 Todesfällen bei 778.090 Geburten. Das Häufigkeitsmaximum liegt zwischen dem zweiten und vierten Lebensmonat. Jungen sind vom plötzlichen Kindstod etwas häufiger als Mädchen betroffen - im Jahr 2019 verstarben 75 Jungen und 32 Mädchen.[1]
Der plötzliche Kindstod stellt in den Industrienationen die häufigste Todesursache im ersten Lebensjahr dar. Vereinzelt kann ein plötzlicher Kindstod auch noch bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres auftreten. In den meisten Fällen versterben die Kinder im Schlaf. Auffällig ist zudem eine leichte Häufung in den Wintermonaten (Infektsaison).
Ätiologie
Die Ursachen des plötzlichen Kindstods sind noch nicht genau bekannt. Es wird vermutet, dass endogene und exogene Faktoren beitragen.
Zu den exogenen Faktoren gehören u.a. eine Überwärmung, das Schlafen in Bauchlage sowie eine Nikotinexposition während der Schwangerschaft, während u.a. autonome Regulationsschwächen, eine schwere perinatale Asphyxie, eine Frühgeburt oder eine erschwerte Erweckbarkeit als endogene Faktoren angesehen werden.
Klinische Beobachtungen legen nahe, dass die betroffenen Kinder im Schlaf an einer Verlegung der Atemwege und der darauf folgenden Hypoxie versterben. Eine mögliche Ursache besteht in einer gestörten Funktion des ARAS der Formatio reticularis. Normalerweise wird über die hier lokalisierten Chemorezeptoren eine Hypoxie registriert. Der Körper reagiert dann mit einer Alarm- bzw. Aufwachreaktion.
Als weitere Ursachen ist eine gestörte Funktion des Atemzentrums der Medulla oblongata möglich. Bei steigendem Kohlendioxidpartialdruck im Blut reagiert das Atemzentrum normalerweise mit einem gesteigertem Atemantrieb.
Neuere Untersuchungsergebnisse (2022) weisen darauf hin, dass bei SIDS ein bislang nicht identifiziertes cholinerges Defizit besteht.[2]
Risikofaktoren
Die wichtigsten Risikofaktoren für den plötzlichen Kindstod sind nach epidemiologischen Untersuchungen das Schlafen des Kindes in Bauchlage sowie ein Alter der Mutter von unter 21 Jahren.
Weitere Risikofaktoren sind das Schlafen im Bett der Eltern, das Schlafen allein im Zimmer, eine weiche Matratze, das Schlafen in Seitenlage sowie Nikotinabusus während der Schwangerschaft.
Das Risiko für einen plötzlichen Kindstod ist erhöht, wenn ein Geschwisterkind am plötzlichen Kindstod verstorben ist oder ein Kind bereits ein offensichtlich lebensbedrohendes Ereignis (sog. ALTE) mit Zyanose, Apnoe und Leblosigkeit durchgemacht hat, dessen Ursachen nicht bekannt war. Ein Nikotinabusus oder Drogenabusus der Eltern, rezidivierende virale und bakterielle Infekte erhöhen ebenfalls das Risiko.
Diagnostik
Wenn bereits ein Geschwisterkind an SIDS verstorben ist, sollte ein Neugeborenes gründlich untersucht werden, wobei vor allem auf Atemfrequenz und -rhythmus geachtet werden sollte, um Atemstörungen frühzeitig zu entdecken.
Sinnvoll ist ebenfalls ein EKG, um eine mögliche QT-Verlängerung aufzudecken. Weiterhin sollte ein Differenzialblutbild sowie der Blutzucker bestimmt werden.
Butyrylcholinesterase (BChE) ist ein potentieller Biomarker für das SIDS-Risiko.[2] Eine niedrigere BChE-Aktivtität ist mit einem höheren SIDS-Risiko verbunden. Die BChE-Aktivität kann aus getrocknetem Blut bestimmt werden, das 2 bis 3 Tage nach der Geburt entnommen wird.
Prophylaxe
Die wichtigste prophylaktische Maßnahme für Säuglinge im ersten Lebensjahr ist das Schlafen in Rückenlage. Ferner sollte Bettzeug vermieden und stattdessen ein Schlafsack verwendet werden. Kuscheltiere oder andere lose Gegenstände im Kinderbett sind während des Schlafs potentielle Gefahrenquellen. Die Raumtemperatur sollte 16 bis 18 Grad Celsisus betragen, Säuglinge sollten im Schlafzimmer der Eltern, aber im eigenen Bett schlafen. Es ist wichtig, dass in der Umgebung des Kindes nicht geraucht wird. Auch Stillen kann das Risiko senken.
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines SIDS insgesamt gering ist, sollten Eltern mit Reanimationsmaßnahmen vertraut sein.
Quellen
- ↑ DISTATIS Statistisches Bundesamt
- ↑ 2,0 2,1 Harrington CT et al.: Butyrylcholinesterase is a potential biomarker for Sudden Infant Death Syndrome EBioMedicine (The Lancet) Volume 80, 104041, published:May 06, 2022
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