Influenza
Synonyme: "echte" Grippe, Virusgrippe
Englisch: influenza, flu
Definition
Influenza ist eine durch das Influenzavirus verursachte Erkrankung der Atemwege. Hierdurch wird die Schleimhaut (Mucosa) der Atemwege angegriffen und das Eindringen anderer pathogener/toxischer Erreger erleichtert. Das Influenzavirus ist sehr ansteckend.
Übertragung
Die Übertragung von Influenzaviren erfolgt meist durch das Einatmen (Inhalation) von infizierten Partikeln (Tröpfcheninfektion bei Husten und Niesen). Es sind aber auch Schmier- und Kontaktinfektionen möglich.
Niedrige Luftfeuchtigkeit und Kälte begünstigen die Übertragung der Viren. Deshalb kommt es zu einer Häufung von Infektionen während der Herbst- und Wintermonate. Als mögliche Ursachen dafür werden diskutiert:
- Austrockung der Schleimhäute
- Verdickung des Nasenschleims durch Kälteexposition
- Schnellere Zersetzung der Viren bei hoher Luftfeuchtigkeit
Infektion
Die Viren binden an Rezeptoren von Zellen im Atemtrakt, dringen in diese ein, vermehren sich dort und führen schließlich zu einer Zerstörung der betroffenen Zellen. Hierbei werden viele neue Viren freigesetzt. Es kommt zu einer ausgeprägten Entzündungsreaktion. Die Inkubationszeit beträgt 1-4 Tage.
Einteilung
Influenzaviren sind allgemein behüllte Einzelstrang-RNA-Viren. Je nach auslösendem Virustyp unterscheidet man:
- Influenza-A-Virus: Es gibt 16 H-Subtypen (H1-H16) und 9 N-Subtypen (N1-N9). Die Buchstaben H und N stehen dabei für die Pathogenitätsfaktoren Hämagglutinin und Neuraminidase. Durch die jährliche Veränderung der H- und N-Antigene kommt es zu einer fehlenden Wirksamkeit von bestehenden Antikörpern und damit zu jährlichen Grippeepidemien. Beispiele für Influenza A sind:
- Influenza-B-Virus
- Influenza-C-Virus
Symptome
Typisch ist ein plötzlicher und heftiger Ausbruch der Krankheit. Die Symptome gleichen zum Teil denen einer starken Erkältung (die im Volksmund auch oft fälschlicherweise als Grippe bezeichnet wird), meist sind sie jedoch stärker ausgeprägt:
Mehrtägiges Fieber von 39 bis 40 Grad ist möglich. Komplikationen können Kreislaufschwäche, Entzündung des Nervensystems und der Lunge sein. Bei Kindern sind zudem Symptome wie Erbrechen oder Durchfall möglich.
Histopathologie
Inzidenz
In der nördlichen Hemisphäre tritt Influenza bevorzugt in den Wintermonaten, also saisonal, auf ("Grippesaison"). Die genaue Inzidenz ist bei Grippe nur schwer abschätzbar, da inapparente und leichtere Krankheitsverläufe die Abgrenzung erkrankter Personen erschweren. Vom CDC (Center for Disease Control) wird geschätzt, dass ca. 15% der Bevölkerung betroffen ist (oft aber ohne Symptome). Die stationäre Inzidenz liegt etwa bei ca. 60 Personen auf 100.000 Fälle.
Die Mortalität der Influenza ist abhängig vom zirkulierenden Subtyp. Sie schwankte nach Schätzungen des RKI im Zeitraum von 1985-2006 zwischen 0,1 und 38 Todesfällen pro 100.000 Einwohner.
Pandemien
- Spanische Grippe: Durch eine spezielle Variante des H1N1-Erregers ausgelöste Influenza, die weltweit etwa 20-40 Millionen Opfer forderte (1918).
- Vogelgrippe: Seit schätzungsweise knapp 10 Jahren ist in Asien die Vogelgrippe verbreitet. Hierbei traten Influenza-A-Viren des Subtyps H5N1 von Hühnern auf Menschen über. Durch Schlachtung Tausender Tiere ist ein Ausbruch einer Pandemie verhindert worden. Nichtsdestotrotz herrscht in Expertenkreisen nach wie vor die große Angst vor, dass der H5N1-Virus mutiert, von Mensch zu Mensch übertragbar und damit hoch gefährlich wird. Eine neue Pandemie wie die Spanische Grippe, so fürchtet man, könnte ebenfalls Millionen von Menschenleben fordern.
Diagnostik
Da das klinische Bild der Influenza häufig dem von Atemwegserkrankungen durch andere Erreger ähnelt, kann eine endgültige und sichere Diagnostik der Influenza nur durch labormedizinische Untersuchungen erfolgen. Bei Influenzapneumonie finden sich im Röntgen-Thorax i.d.R. eine segmentale alveoläre Verschattung oder mehrere 1-2 cm große Herde, die zur Konfluenz neigen. Die Befunde können ein- oder beidseitig vorliegen.
Direkter Erregernachweis
Der direkte Nachweis von Virus-Antigenen kann mittels Immunfluoreszenz oder ELISA erfolgen. Neben Laborverfahren gibt es auch Influenza-Schnelltests zum raschen Nachweis von Influenza-Antigenen (Typ A und Typ B). Sie finden beispielsweise in Arztpraxen oder Notaufnahmen Anwendung. Ein positives Ergebnis im Schnelltest sollte im Zweifelsfall durch eine PCR bestätigt werden.
Die PCR ist heutzutage als Goldstandard der Influenza-Diagnostik anzusehen. Sie dient dem sicheren Nachweis viraler RNA.
Bei unzureichenden Befunden und bestehendem klinischen Verdacht oder atypischen Infektionen kann in Speziallaboren auch eine Virusisolierung mittels Viruskultur erfolgen.
Als Probenmaterial werden ein trockener Abstrich der Nasenschleimhaut bzw. des Rachens, Nasenspülwasser, Rachenspülwasser oder ein durch bronchoalveoläre Lavage (BAL) gewonnenes Bronchialsekret verwendet.
Indirekter Erregernachweis
Die Influenzaserologie ist für die Akutdiagnostik nicht geeignet, bei Verdacht auf eine Infektion mit Influenzaviren ist der direkte Erregernachweis anzustreben. Ein serologischer Antikörpernachweis mittels Hämagglutinationshemmtest oder Mikroneutralisationstest ist eher im Rahmen epidemiologischer Studien von Bedeutung.
Der indirekte Nachweis einer Infektion umfasst die Bestimmung der Influenza-Antikörper (insbesondere IgA und IgG) im Serum.
IgA- und IgG-Antikörper sind etwa 5 bis 10 Tage nach Infektionsbeginn im Serum nachweisbar. Während IgA-Titer nach etwas einem Monat wieder in ihrer Serumkonzentration abfallen, sind IgG-Titer teilweise länger als ein Jahr im Serum nachweisbar. IgA-Antikörper sind nicht bei jedem frischen Infekt und nicht bei jedem Patienten nachweisbar.
Therapie
Allgemeinmaßnahmen
- Bettruhe
- Körperliche Schonung
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
Medikamente
In der Frühphase der Infektion können wie bei anderen Influenza-Formen antivirale Medikamente eingesetzt werden. Dazu zählen unter anderem:
- M2-Hemmer
- Amantadin
- Rimantadin (Flumandine®)
- Neuraminidase-Hemmer
- Oseltamivir (Tamiflu®)
- Zanamivir (Relenza®)
- Peramivir (Alpivab®)
- CAP-Endonuclease-Inhibitoren
- Baloxavirmarboxil (Xofluza®): Seit 2021 in der EU zugelassen. Scheint auch in der Postexpositionsprophylaxe wirksam zu sein.[1]
Die Wirksamkeit dieser Medikamente gegen einen bestimmten isolierten Erregerstamm ist sehr variabel. Punktmutationen im Virusgenom können bei Neuraminidase-Hemmern zu einer Veränderung der Resistenzlage, d.h. zur Unwirksamkeit der Medikamente führen. Wie bei bakteriellen Erregern nehmen Resistenzen durch den breiten Einsatz antiviraler Substanzen zu.
Zur Verhinderung oder Therapie von Sekundärinfektionen kann der Einsatz von Antibiotika sinnvoll sein. Bei sehr hohem Fieber ist zudem die Gabe von Antipyretika (z.B. Paracetamol) zu erwägen.
Die Wirkung einer vorbeugenden oder therapeutischen Gabe von Vitamin C ist umstritten.
Verlauf
Der Krankheitsverlauf ist sehr unterschiedlich, meist relativ harmlos ohne Folgen, z.T. aber auch lebensgefährlich (v.a. bei Kindern und älteren immungeschwächten Personen).[2]
Die akute Erkrankung klingt in der Regel etwa nach 5 bis 7 Tagen ab. Einzelne Symptome (z.B. Husten, Abgeschlagenheit) können jedoch noch über einen längeren Zeitraum weiter bestehen. Je nach Schwere der durchgemachten Erkrankung ist eine Rekonvaleszenz über Tage, aber auch über Wochen möglich.
Komplikationen
Perakute Viruspneumonie
Eine mögliche Komplikation der Influenza, der bei bestimmten Virusstämmen auftritt, ist der so genannte Zytokinsturm. Dabei versagt die adaptive Immunantwort und es kommt zu einer Überreaktion des Immunsystems im Sinne einer sich selbst verstärkenden Kaskadenreaktion. Die dazu fähigen Zellen des Immunsystems (T-Zellen, Makrophagen) schütten große Mengen an Zytokinen aus, die eine massive Entzündungsreaktion hervorrufen. Sie tritt klinisch als schwere, perakute Influenzapneumonie mit Dyspnoe, Lungenblutungen und möglichem Organversagen in Erscheinung.
Bestimmte Erregervarianten des Influenzavirus begünstigen die Entstehung eines Zytokinsturms. Sie bilden Proteine, auf die das Immunsystem offensichtlich besonders empfindlich reagiert. Häufig unterscheiden sie sich nur in einigen wenigen Genabschnitten von weniger pathogenen Stämmen.
Bakterielle Sekundärinfektionen
Eine weitere, häufigere Komplikation sind bakterielle Sekundärinfektionen bzw. Superinfektionen. Hier besiedeln pathogene Bakterien, die durch die Viren geschädigte Schleimhaut. Mögliche Folgen sind bakterielle Entzündungen der Atemwege, z.B. Pneumonie, Bronchitis, Sinusitis oder Otitis media. Personen mit geschwächtem Immunsystem sind besonders gefährdet.
Weitere Komplikationen
Prophylaxe
Allgemeinmaßnahmen
Eine effektive, aber häufig unterschätzte Maßnahme ist das gründliche Händewaschen, da die Erreger durch Seifen abgetötet werden. Es minimiert vor allem das Risiko einer Schmierinfektion.[3]
Das Tragen von Gesichtsmasken zum Eigenschutz ist nur sinnvoll, wenn es sich um Masken handelt, die den ungefilterten Lufteinstrom ausreichend vermindern, wie z.B. FFP3-Masken. Einfache Gesichtsmasken (Mundschutz) sind als Schutzmaßnahme unwirksam, da sie den Atemstrom nicht filtrieren, weil Luft frei an den Seiten ein- und austreten kann. Sie können jedoch die Wahrscheinlichkeit einer Weitergabe der Infektion mindern.
Impfung
Die jährliche Impfung gegen Influenzaviren im Herbst wird von der STIKO als Standardimpfung für alle Personen ab 60 Jahren empfohlen. Weiterhin kann sie im Sinne einer Indikationsimpfung bei bestimmten Personengruppen verabreicht werden:
- Schwangere ab 2. Trimenon, bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens bereits ab 1. Trimenon.
- Personen ab 6 Monaten mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens (Asthma, COPD, chronische Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, Diabetes mellitus, multiple Sklerose, Immunsuppression)
- Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen
- Personen, die als mögliche Infektionsquelle im selben Haushalt lebende oder von ihnen betreute Risikopersonen gefährden können.
- Wenn eine schwere Epidemie aufgrund von Erfahrungen in anderen Ländern oder nach deutlichem Antigendrift bzw. -shift zu erwarten ist und der Impfstoff die neue Variante enthält.
Verwendet wird ein quadrivalenter Totimpfstoff (IIIV4) mit der aktuell von der WHO empfohlenen Antigenkombination. Für Personen zwischen dem 2. und 17. Lebensjahr existiert weiterhin eine quadrivalenter Lebendimpfstoff (LAIV4) zur nasalen Applikation, der ebenfalls verwendet werden kann.
Die Impfung mit saisonalen humanen Influenza-Impfstoffen erfolgt nicht primär zum Schutz vor Infektionen durch den Erreger der aviären Influenza, sie kann jedoch Doppelinfektionen mit den aktuell zirkulierenden Influenzaviren verhindern.
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 30.03.2021
- Robert Koch Institut – Influenzapandemie-Planung
- WHO - Influenza
- PLoS: Influenza Virus Transmission Is Dependent on Relative Humidity and Temperature
Quellen
- ↑ Müller C. Baloxavir reduziert Ansteckungsgefahr bei Grippe, DAZ 04.06.2019, abgerufen am 02.09.2019
- ↑ Lust, F.: Diagnostik und Therapie der Kinderkrankheiten. Urban & Schwarzenberg Berlin Wien 1918. S. 235-236.
- ↑ Amtliches Unterrichtsbuch des Deutschen Roten Kreuzes für die Sanitätskolonnen - Pflegerschaften u. Samaritervereine vom Roten Kreuz. Berlin 1930. S. 290. Herausgegeben vom "Deutschen Roten Kreuz"