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Infektiöse Mononukleose

nach dem deutschen Kinderarzt Emil Pfeiffer (1846–1921)
Synonyme: Pfeiffer-Drüsenfieber, Pfeiffersches Drüsenfieber, Mononucleosis infectiosa, Epstein-Barr-Virus-Infektion, "Studentenfieber"
Englisch: infectious mononucleosis, "kissing disease"

1. Definition

Die infektiöse Mononukleose, auch Pfeiffersches Drüsenfieber genannt, ist eine Infektionskrankheit, die durch das Epstein-Barr-Virus (EBV) verursacht wird.

2. Epidemiologie

Die infektiöse Mononukleose ist weltweit sehr verbreitet. Es handelt sich um eine nicht saisonale Krankheit. Alleiniges Erregerreservoir ist der Mensch. Die Durchseuchungsrate der Bevölkerung in Deutschland liegt für Personen über dem 30. Lebensjahr bei etwa 90 %.

3. Übertragung

Die Übertragung erfolgt häufig durch Kontaktinfektion, typischerweise mit dem Speichel durch das Küssen. Die Erkrankung wird deshalb im englischsprachigen Raum auch als "kissing disease" bezeichnet. Weitere mögliche Übertragungswege sind Tröpfcheninfektion und Schmierinfektion. Eine sexuelle Übertragung wird ebenfalls diskutiert.

4. Inkubationszeit

Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 1 bis 3 Wochen, kann aber auch bis zu zwei Monate dauern.

5. Pathogenese

Bei einer Infektion werden zunächst die Epithelzellen des Oro- und Nasopharynx sowie der Speicheldrüsen befallen – daher der Name "Drüsenfieber". Begleitend entsteht eine regionale Lymphadenitis. Im weiteren Verlauf kommt es zur Generalisierung mit Befall von Leber und Milz.

Eine weitere Zellpopulation, die von dem Virus mit hoher Affinität infiziert werden, sind B-Lymphozyten. Dabei nutzt das Virus den Komplementrezeptor 2 (CD21), in geringerem Umfang auch den Komplementrezeptor 1 (CD35) als Adhäsionsfaktoren für den Zelleintritt. Die Infektion der B-Lymphozyten führt zu einer polyklonalen Stimulation der Zellen mit Expression von Neoantigenen (z.B. LYDMA) an ihrer Zelloberfläche. Es kommt zur virus-induzierten Immortalisierung der B-Lymphozyten und einem Auftreten atypischer, lymphoblastoider Zelllinien im Blut. Außerdem werden heterophile Antikörper gebildet, was zu falsch positiven Ergebnissen vieler serologischer Untersuchungen führen kann.

6. Symptome

Zum Krankheitsbild gehören meist:

Es können jedoch eine Reihe weiterer Symptome auftreten. So kann es z.B. im Verlauf zu einem generalisierten Exanthem, oraler Haarleukoplakie, palatinalen Petechien, periorbitalen Ödemen, einem Ikterus, einer Splenomegalie, Hepatomegalie oder Hepatosplenomegalie (HSM) kommen. Zudem zeigen viele Patienten eine ausgeprägte Abgeschlagenheit, die für mehrere Monate anhalten kann.

Bei Kleinkindern kann eine EBV-Infektion asymptomatisch verlaufen.

7. Diagnostik

7.1. Labormedizin

7.1.1. Antikörpernachweis

Der eindeutige Nachweis der Infektion erfolgt serologisch durch den Nachweis von EBV-Antikörpern. Hier stehen verschiedene Testverfahren zur Verfügung, u.a.:

7.1.2. Referenzbereiche

Test Ergebnis Bewertung
EBV-Schnelltest negativ
positiv
EBV-(VCA)-IgM < 13 U/ml negativ
13-17 U/ml schwach positiv, Kontrolle empfohlen
> 17 U/ml positiv
EBV-(VCA)-IgG < 9 U/ml negativ
9-13 U/ml schwach positiv, Kontrolle empfohlen
> 13 U/ml positiv
EBV-Blot VCA negativ
EBNA negativ
EA (early antigen) negativ

7.1.3. Interpretation

7.1.3.1. Schnelltests

Bei EBV-Schnelltests handelt es sich meist um Latexagglutinationstests zum Nachweis heterophiler Antikörper vom Typ IgM. Sie sind bei über 90 % der frühen Infektionen nachweisbar. Allerdings sind falsch positive Ergebnisse durch andere Infektionen und Autoimmunerkrankungen häufig.

7.1.3.2. EBV-(VCA)-IgM (ELISA)

EBV-(VCA)-IgM sind bei fast allen Primärinfektionen und bei einer Reaktivierung positiv. Die Antikörper persistieren in der Regel 8 bis 10 Wochen.

7.1.3.3. EBV-(VCA)-IgG (ELISA)

EBV-(VCA)-IgG sind ebenfalls meist schon im Frühstadium von Infektionen positiv und daher bedingt auch als Screening brauchbar. Die IgG-Antikörper persistieren meist lebenslang. Bei einer Reaktivierung kommt es zum Titeranstieg. Bei chronischer Infektion lassen sich persistierend hohe Titer nachweisen.

7.1.3.4. EBV-(EBNA1)-IgG (ELISA)

EBNA1-IgG-Antikörper sind etwa 6 bis 12 Wochen nach der Primärinfektion nachweisbar. Sie persistieren meist lebenslang in schwachen Titern. Der Nachweis von IgG-Antikörpern gegen EBNA1 zeigt eine zurückliegende EBV-Infektion mit Übergang in die latente Phase an. Bei etwa 5% der Patienten sind EBNA1-Ak nicht nachweisbar.

7.1.3.5. EBV-Western-Blot (IgG/IgM)

Die Antigene VCA, EBNA1 und EA sind auf einem Blotstreifen angeordnet, sodass keine isolierte Analyse möglich ist.

  • Virus-Kapsid-Antigen (VCA): VCA ist ein Strukturprotein der Virushülle, das meist schon vor klinischen Symptomen nachweisbar ist. Es dient als Marker für eine neue, alte oder persistierende Infektion.
  • EBV-spezifisches nukleäres Antigen 1 (EBNA1): EBNA1 wird in latent EBV-infizierten Zellen gebildet. Ausgeprägte Banden im Blot können Hinweis für eine chronische Infektion sein.
  • Early Antigen (EA): EA ist 8 bis 10 Tage nach Primärinfektion bei 80 % der Patienten nachweisbar. Es persistiert einige Wochen (meist 3 bis 6 Wochen) und tritt bei Reaktivierung erneut auf.

7.1.4. Blutbild

Im Blutbild kommt es häufig zu einer auffälligen Leukozytose mit mononukleären Zellen (daher der Name Mononukleose). Der Gesamtaspekt wird wegen der großen Anzahl gefärbter Leukozyten auch als "buntes Blutbild" bezeichnet. Im Blutausstrich präsentieren sich die mononukleären Zellen meist mit einem unregelmäßig geformten Zellkern. Man bezeichnet sie auch als Lymphoid- bzw. Pfeiffer-Zellen. Dabei handelt es sich um aktivierte T-Lymphozyten.

7.1.5. Weitere Laborbefunde

Die Leberenzyme sind in vielen Fällen erhöht.

7.2. Lymphknotenbiopsie

In seltenen Fällen kann zur differentialdiagnostischen Abklärung einer infektiösen Mononukleose eine Lymphknotenbiopsie mit anschließender Pathohistologie notwendig sein. Dabei sieht man eine follikuläre Hyperplasie mit Bildung zahlreicher Lymphoblasten und vermehrten Apoptosen. Die Histoarchitektur der Lymphfollikel ist massiv gestört.

8. Differentialdiagnosen

9. Komplikationen

Seltene Komplikationen des Pfeifferschen Drüsenfiebers sind:

Patienten mit geschwächtem Immunsystem sind besonders gefährdet. Bei Transplantatempfängern kann sich durch eine EBV-Infektion ein Posttransplantationslymphom (PTLD) entwickeln. Bei hochgradiger Immundefizienz kann die Erkrankung einen letalen Verlauf nehmen.

Weitere, seltene Folgen einer infektiösen Mononukleose sind:

  • Milzrupturen: Sie treten als Folge der Splenomegalie in etwa 0,1 bis 0,5 % der Fälle auf.[1]
  • Entwicklung einer chronisch aktiven EBV-Infektion: Sie ist durch eine andauernde lytische Virusaktivität mit hoher Viruslast charakterisiert.

10. Spätfolgen

Das auslösende Epstein-Barr-Virus steht im Verdacht, Burkitt- und Hodgkin-Lymphome auszulösen.[2] In westlichen Industrieländern lassen sich im Tumorgewebe von Hodgkin-Lymphomen in 20 bis 50 % der Fälle Virusgene nachweisen. In Entwicklungsländern liegt der Anteil noch höher.[3] Am häufigsten treten EBV-Gene beim MC-Subtyp des Hodgkin-Lymphoms auf.[3]

EBV spielt auch eine entscheidende Rolle in der Pathogenese anaplastischer Nasopharynxkarzinome, da in diesen Tumoren fast durchgängig EBV-DNA nachgewiesen werden kann.

Kreuzreaktive Antikörper gegen das EBV-Protein EBNA1 sind ein zentraler Faktor in der Pathogenese der multiplen Sklerose (MS). Die Schübe einer MS werden ebenfalls mit einer latenten EBV-Infektion in Zusammenhang gebracht.

11. Virusausscheidung

Akut Erkrankte scheiden das Virus über Monate aus. Ca. 30 % der Erkrankten bleiben lebenslang Ausscheider.

12. Therapie

Die Therapie erfolgt symptomatisch durch eine antipyretische und analgetische Behandlung. Die Patienten sollen genug Flüssigkeit zu sich nehmen und sich während der akuten Krankheitsphase schonen. Bei einer klinisch relevanten Milzvergrößerung darf nach Abklingen der Symptome für einen Zeitraum von 3 bis 4 Wochen kein Belastungssport betrieben werden.

Cave: Aufgrund der Beeinträchtigung der Leberfunktion sollte Paracetamol vermieden werden. Bei Kindern ist Acetylsalicylsäure wegen des Risikos eines Reye-Syndroms kontraindiziert.

Eine Behandlung mit Antibiotika ist nur bei Sekundärinfektionen sinnvoll. Die Gabe von Amoxicillin oder Ampicillin ist zu vermeiden, da es bei einer infektiösen Mononukleose unter diesen Wirkstoffen häufig zu einem generalisierten Exanthem kommt.

Die zur Zeit (2022) verfügbaren Virostatika (z.B. Aciclovir, Penciclovir oder Ganciclovir) zeigen bei infektiöser Mononukleose keine befriedigende Wirkung.[4] Einige Wirkstoffe reduzieren zwar die Viruslast, der klinische Effekt ist jedoch in der Regel gering. Lediglich bei Patienten mit PTLD ergibt sich ein schwacher Hinweis auf den Nutzen einer antiviralen Prophylaxe.[4]

13. Prophylaxe

Eine Impfung gegen infektiöse Mononukleose ist zur Zeit (2022) nicht verfügbar, aber Gegenstand der Forschung.[5]

14. Quiz

15. Quellen

  1. Baker CR, Kona S Spontaneous splenic rupture in a patient with infectious mononucleosis, BMJ Case Rep. 2019, abgerufen am 03.04.2020
  2. Cohen JI Epstein–barr virus vaccines, Clin Transl Immunology. 2015, abgerufen am 03.04.2020
  3. 3,0 3,1 Flavell KJ, Murray PG Hodgkin's disease and the Epstein-Barr virus, Mol Pathol. 2000, abgerufen am 03.04.2020
  4. 4,0 4,1 Joseph S. Pagano et al. Antiviral Drugs for EBV Cancers 2018, abgerufen am 03.04.2020
  5. Lok SM Inhibiting EBV: The Key to Carefree Smooching, Immunity. 2018, abgerufen am 03.04.2020

16. Literatur

17. Bildquelle

  • Bildquelle für Flexikon-Quiz: ©Crawford Jolly / Unsplash

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