Posttransplantationslymphom
Synonym: PTLD
Englisch: post-transplant lymphoproliferative disorder
Definition
Als Posttransplantationslymphome, kurz PTLD, werden seltene, aber schwere Komplikationen nach Organ- oder Stammzelltransplantationen bezeichnet, bei denen lymphomartige Erkrankungen auftreten. Ursächlich ist die Immunsuppression, die im Rahmen der Transplantation notwendig ist.
Epidemiologie
Die Inzidenz der PTLD variiert im Verlauf aller Transplantationen zwischen 2 % und 20 %. Sie hängt hauptsächlich von der Art des erhaltenen Organtransplantats und der verwendeten Immunsuppression ab. Empfänger von Transplantaten fester Organe sind im Vergleich zu Empfängern von Stammzelltransplantationen häufiger betroffen. Die meisten beschriebenen Fälle von PTLD treten im Zusammenhang mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) auf, es ist aber auch eine EBV-negative PTLD möglich. Insgesamt ist das Risiko für pädiatrische Transplantatempfänger erhöht, da im jungen Alter die EBV-Seroprävalenz geringer ist und somit ein erhöhtes Risiko für eine Primärinfektion nach Transplantation besteht. Bei Patienten mit Herz-, Lungen- oder Dünndarmtransplantation treten häufiger PTLDs auf. Der durchschnittliche Krankheitsbeginn bei Empfängern von soliden Organen liegt bei 6 Monaten. Der Krankheitsbeginn bei Stammzelltransplantationen liegt im Mittel etwas früher.
Ätiologie
PTLD als EBV-assoziierte proliferative B-Zell-Erkrankung kann entweder durch eine Primärinfektion, durch den Spender oder durch Umweltexposition erworben werden. Beim immunkompetenten EBV-infizierten Wirt löst eine Primärinfektion in der Regel eine selbstlimitierende Erkrankung ohne nennenswerte Komplikationen aus. Die Immunsuppression im Rahmen von Transplantationen führt u.a. zu einer Beeinträchtigung der T-Zell-Funktion, was die Interaktion mit anderen Immunzellen behindert. Dadurch kommt es zur Proliferation der infizierten B-Zellen.
Einteilung
Die EBV-assoziierte PTLD wird wie folgt eingeteilt:
- Frühe Phase: reaktive Plasmazellhyperplasie, ähnlich der infektiösen Mononukleose
- Polymorphe PTLD
- Monomorphe PTLD, unterteilt nach Lymphomklassfikation in:
- Hodgkin-Lymphom (HL) und Hodgkin-Lymphom ähnliche PTLD
Pathogenese
Bei einer EBV-Infektion persistiert das Virus durch eine Transformation latent in den B-Lymphozyten oder es kommt zur Virusreplikation und zur Lyse der B-Zellen. Unter (iatrogener) Immunsuppression wird die Funktion von zytotoxischen T-Zellen gehemmt. In der Folge werden die B-Zellen unkontrolliert aktiviert und proliferieren, was langfristig zur PTLD führen kann.
Diagnostik
Bei ungeklärten fiebrigen Erkrankungen eines Transplantatempfängers, insbesondere innerhalb des ersten Jahres, sollte eine PTLD in Betracht gezogen werden. Symptomatisch ähnelt die PTLD einer typischen EBV-Infektion. Gastrointestinale Beschwerden sind unabhängig vom transplantierten Organ aufgrund des reichen Lymphgewebes des Darms (GALT) häufig.
Labor
Im Blutbild kann eine Anämie, Thrombozytopenie oder Leukopenie vorliegen. Weitere Hinweise sind eine Erhöhung der Laktatdehydrogenase (LDH) im Sinne eines Tumorlysesyndroms.
Um den EBV-Status zu ermitteln, kann eine PCR zur quantitativen Bestimmung der EBV-Viruslast, zur Diagnose und/oder zum Monitoring herangezogen werden. Eine negative EBV-PCR schließt die Möglichkeit einer PTLD nicht aus. Daneben kann auch eine EBV-Serologie (z.B. EBNA1, EBNA1-IgG-Antikörper) Aufschluss über die Spender-Empfänger-Verhältnisse geben.
Bildgebung
Zu den radiologischen Untersuchungen gehören Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) und Positronenemissionstomographie (PET), die der Beurteilung der Ausbreitung dienen. Ein PTLD manifestiert sich meist extranodal, typischerweise in folgenden Lokalisationen:
- Leber: häufigste Lokalisation
- Dünndarm, seltener Kolon oder Magen
- Lunge
- Kopf-Hals-Bereich und ZNS
- Haut
- selten Knochen
Die radiologischen Befunde ähneln denen eines primären Lymphoms des entsprechenden Organs.
Weiterführende Diagnostik
Mithilfe der Lumbalpunktion lässt sich EBV im Liquor nachweisen und damit eine ZNS-Beteiligung feststellen. Die endgültige Diagnose kann nur durch eine histopathologische Untersuchung des Tumors gestellt werden.
Klinik
- Müdigkeit
- indolente Lymphadenopathie
- B-Symptome: Fieber, Nachtschweiß
- Gewichtsverlust
- gastrointestinale Beschwerden (Unwohlsein, Durchfall, Übelkeit)
Therapie
Reduktion der Immunsuppression
Die zelluläre Immunität kann durch eine individuelle Reduktion der immunsuppressiven Medikation wiederhergestellt werden. Dieses Vorgehen geht jedoch mit dem Risiko einer Transplantatabstoßung einher.
Rituximab
Der monoklonale Antikörper Rituximab bindet an den Zellrezeptor CD20, der auf der Membranoberfläche von B-Zellen exprimiert wird. Die Bindung führt zur Apoptose der entsprechenden Zellen. Insbesondere bei ausbleibendem Ansprechen auf eine reduzierte Immunsuppression ist eine Rituximab-Gabe sinnvoll.
Chemotherapie
In der Regel wird ein R-CHOP-Therapieschema (Rituximab plus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison) eingesetzt.
Adoptive Immuntherapie
Eine relative neue Therapieoption (2023) ist die adoptive Immuntherapie. Dabei werden EBV-spezifische zytotoxische T-Lymphozyten eingesetzt, um die EBV-spezifische zelluläre Immunantwort zu induzieren und die B-Zell-Proliferation zu kontrollieren. Die adoptive Immuntherapie geht allerdings mit einem erhöhten Risiko von Graft-versus-Host-Erkrankungen einher.