Milzruptur
Synonym: Milzriss
Englisch: spleen rupture
Definition
Eine Milzruptur ist ein Riss der bindegewebigen Milzkapsel, meist mit Beteiligung des Milzparenchyms. Sie ist eine häufig auftretende Verletzungsform der Milz.
- ICD10-Code: S36.0, D73.5 (nichttraumatische Milzruptur)
Ursachen
Traumatisch
Die Milzruptur ist meist Folge eines stumpfen Bauchtraumas, z.B. im Rahmen eines Arbeits-, Verkehrs- oder Sportunfalls. Bei polytraumatisierten Patienten ist die Milzruptur häufig die bedrohlichste Traumakomponente. Spitze Traumen (z.B. Messerstich, Rippendurchspießung, intraoperative Verletzungen) führen ebenfalls zu einer Milzruptur.
Nicht-traumatisch
In seltenen Fällen kann eine Milzruptur auch aus anderen Gründen entstehen. Dazu zählen Pathologien, die zu einem raschen Größenwachstum des Milzparenchyms oder zu einem Blutstau in der Milz führen, u.a.:
Schweregradeinteilung
Das Spektrum der Verletzungen reicht von einer leichten Quetschung mit Ödembildung bis zur Milzruptur mit massiver Hämorrhagie in die Bauchhöhle.
Das Vollbild einer Milzruptur entspricht dem Einriss von Organkapsel und Parenchym mit Abriss des Gefäßstiels. Davon zu unterscheiden ist der Parenchymriss bei intakter Kapsel mit Ausbildung eines Hämatoms.
...nach klinischem Verlauf
- Einzeitige Milzruptur: Entwicklung einer hämorrhagisch bedingten Hypovolämie unmittelbar nach dem traumatischen Ereignis.
- Zweizeitige Milzruptur: Entwicklung einer Hypovolämie nach mehreren Stunden bis Tagen, meist bei intakter Kapsel und sekundärem Riss bzw. Ausdehnung des Hämatoms.
...nach der Ausprägung
In Anlehnung an die AAST-Klassifikation werden klinisch fünf verschiedene Schweregrade unterschieden:[3][4]
Schweregrad | Beschreibung |
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I |
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II |
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III |
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IV |
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V |
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Symptomatik
Die Patienten klagen über Abdominalschmerzen im linken, oberen Quadranten. Möglich sind auch eine Ausstrahlung in die linke Schulter (Kehr-Zeichen) sowie eine Druckschmerzhaftigkeit des "Milzpunkts" links zwischen Musculus scalenus anterior und Musculus sternocleidomastoideus (Saegesser-Zeichen).
Bei starker Blutung kann ein hämorrhagisch/hypovolämischer Schock mit Tachykardie und Hypotonie entstehen.
Diagnose
Im Rahmen der körperlichen Untersuchung fällt eine Abwehrspannung und Druckschmerzhaftigkeit im linken, oberen Quadranten des Abdomens auf.
In der Akutsituation ist bei der abdominellen Sonographie der Nachweis von freier Flüssigkeit an den Nierenpolen möglich. Bei unauffälligem Befund aber klinisch weiter bestehendem Verdacht sollte die Untersuchung engmaschig wiederholt werden. Damit wird sichergestellt, dass eine zweizeitige Ruptur oder ein zunehmendes Kapselhämatom nicht übersehen wird. Eine sichere Diagnose ist – bei stabiler Kreislaufsituation – durch Anfertigung eines Abdomen-CT möglich.
Die früher übliche Peritoneallavage wird wegen ihrer hohen Fehlerquote nicht mehr durchgeführt.
Therapie
Die Therapie der Milzruptur kann konservativ oder operativ ausgerichtet sein, was sich vor allem nach dem klinischen Schweregrad richtet.
Konservative Therapie
Eine konservative Therapie kommt generell nur bei hämodynamischer Stabilität infrage.
Bei AAST-Schweregrad I bis II sollte, sofern Zeichen einer aktiven Blutung fehlen, zunächst nur engmaschig überwacht werden. Dabei sollten für mindestens 24 Stunden in Abständen von 2 bis 4 Stunden klinische, laborchemische (Hb-Wert) und sonographische Kontrollen erfolgen. Voraussetzungen sind dabei eine hinreichende personelle und strukturelle Ausstattung (Monitoring, Abrufbarkeit von Blutkonserven).[4]
Interventionelle Therapie
Eine interventionelle Versorgung ist indiziert, wenn bei Rupturen vom Grad I der II im Verlauf sonographisch oder aufgrund abfallender Hämoglobinwerte der Verdacht auf eine aktive Blutung besteht. Auch bei den AAST-Schweregraden III bis V kann zunächst eine angiographische Versorgung versucht werden, sofern der Patient hier hämodynamisch stabil oder stabilisierbar ist.[4] Zwei Verfahren sind möglich:[4][5]
- proximale Milzarterienembolisation (PAE): angiographischer Verschluss der Arteria lienalis unmittelbar nach dem Abgang der pankreatischen Äste (meist mittels Coiling) zur Reduktion des lienalen Perfusionsdruckes
- selektive Milzarterienembolisation (SAE): gezielter angiographischer Verschluss kleinerer intralienaler Gefäße bei limitierten Milzläsionen
Chirurgische Therapie
Eine operative Versorgung ist bei hämodynamischer Instabilität indiziert. Auch bei Nichtverfügbarkeit von oder frustraner Versorgung mit angiographischen Verfahren bei III- bis V-gradigen Milzrupturen muss chirurgisch therapiert werden. Präferierter Zugang ist die Medianlaparotomie.[4]
Das operative Vorgehen zielt – vor allem bei Kindern und Jugendlichen – auf den Erhalt der Milz. Bei Typ II und III kann mittels lokaler Blutstillung (Infrarotkoagulation, Elektrokoagulation, Gefäßligatur und/oder Fibrinkleber) oft eine Blutstillung erzielt werden. Zusätzlich kann eine Netzkompression mit einem resorbierbaren Kunststoffnetz versucht werden. Bei Typ 4 und 5 ist meist eine Milzteilresektion oder eine totale Splenektomie notwendig.
Literatur
- Gaarder et al., Spleen and liver injuries: when to operate?, Current Opinion in Critical Care, 2017.
Quellen
- ↑ ratiopharm GmbH, Fachinformation zu Ratiograstim, Fachinfo-Service der Rote Liste Service GmbH, Stand August 2024, Version 7.
- ↑ Chugai Pharma Germany GmbH, Fachinformation zu GRANOCYTE®, Fachinfo-Service der Rote Liste Service GmbH, Stand Februar 2023.
- ↑ Moore et al., Organ Injury Scaling - Spleen and Liver (1994 Revision), The Journal of Trauma: Injury, Infection, and Critical Care, 1995.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Schild-Suhren et al., Therapieempfehlung und Versorgung bei traumatischer Milzruptur, Die Chirurgie, 2023.
- ↑ Ahuja, Farsad, Chadha, An Overview of Splenic Embolization, American Journal of Roentgenology, 2015.