Acetylsalicylsäure
Handelsname: Aspirin® u.a.
Englisch: ASA, acetylsalicylic acid
Definition
Acetylsalicylsäure, kurz ASS, ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Cyclooxygenasehemmer, der zu den nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) zählt.
Geschichte
Chemie
Die Summenformel von Acetylsalicylsäure lautet C9H8O4. Acetylsalicylsäure besitzt eine molare Masse von 180,2 g/mol, der Schmelzpunkt beträgt 141–144 °C. Sie liegt in Form farbloser Kristalle oder als weißes kristallines Pulver von saurem Geschmack vor und ist (fast) geruchlos. Acetylsalicylsäure ist leicht löslich in Ethanol (90-%ig), löslich in Ether und Chloroform und nur wenig löslich in Wasser.
Wirkmechanismus
Acetylsalicylsäure wirkt analgetisch, antiphlogistisch, antipyretisch und insbesondere thrombozytenaggregationshemmend. Die Wirkung beruht auf einer irreversiblen Hemmung der Cyclooxygenasen COX-1 und COX-2 durch Acetylierung eines Serinrestes (bei COX-1 in Position 530, bei COX-2 in Position 516).
Wirkung auf COX-1
ASS ist in niedriger Dosierung (um 100 mg/Tag) ein selektiver COX-1 Hemmer. Durch kompetitive Hemmung der COX-1 wird die Bildung von Thromboxan A2 (TXA2) in Thrombozyten reduziert. Dadurch wird die Thrombozytenaggregation gehemmt und das Risiko von arteriellen Thrombosen vermindert.
Dieser selektive Effekt wird u.a. zur Herzinfarktprophylaxe genutzt. Da reife Thrombozyten nur die konstitutive COX-1 exprimieren und keinen Zellkern zur Regenerierung geschädigter Enzymsysteme besitzen, hält die Wirkung von ASS so lange an, bis neue Thrombozyten ausgereift sind. Der Effekt der Thrombozytenaggregationshemmung entspricht also in etwa der Lebensdauer eines Thrombozyten, d.h. 7 bis 11 Tage. In dieser Zeit besteht die Gefahr von längeren oder stärkeren Blutungen, weshalb die Medikation vor größeren chirurgischen Eingriffen ggf. abgesetzt werden sollte.
Wirkung auf COX-2
In einer höheren Dosis wird vermehrt auch die COX-2 gehemmt. Dieses Enzym vermittelt die Bildung von Prostaglandinen, die eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Schmerzen, Fieber und Entzündungen spielen. Dadurch wirkt Acetylsalicylsäure antiphlogistisch, antipyretisch und analgetisch.
Diese Wirkung hält nur etwa 6 bis 8 Stunden an, da kernhaltige Zellen (z.B. Endothelzellen, Makrophagen) die Bildung von COX-2 induzieren und somit das Enzym schnell neu synthetisieren können.
Darüber hinaus regt ASS die COX-2 dazu an, entzündungshemmende Lipoxine, zu produzieren. Über diese wird der plasmatische NO-Spiegel erhöht. Das entstehende NO verhindert, dass Leukozyten in der Mikrozirkulation an Endothelzellen anhaften und bewirkt dadurch einen schnelleren Transport von Leukozyten aus dem Gefäßsystem hin zu Infektionsherden und Verletzungen.
Pharmakokinetik
ASS wird nach oraler Aufnahme schnell und fast komplett resorbiert. Bereits bei der Gastrointestinalpassage wird ein Teil des Wirkstoffes, nämlich der Acetylrest, teilweise abgespalten und es entsteht der aktive Hauptmetabolit Salicylsäure. Die weitere Metabolisierung erfolgt in der Leber. Hier entstehen Ester- und Etherglucuronide, sowie das Glycinat der Salicylsäure. Nur ein geringer Teil wird zu der sogenannten Gentisinsäure oxidiert. Die Ausscheidung erfolgt vorwiegend renal.
ASS hat eine geringe Plasmahalbwertszeit von 15 Minuten. Die Eliminationskinetik der Salicylsäure hingegen ist stark dosisabhängig. Sie beträgt bei niedriger Dosierung etwa zwei bis drei Stunden, bei hochdosierter ASS-Gabe kann die Elimination bis zu 30 Stunden andauern. Grund dafür ist eine Sättigung der Leberenzyme.
Salicylsäure ist plazentagängig und kann aufgrund dessen in die Muttermilch übergehen. Auch im Liquor und der Synovialflüssigkeit konnte Salicylsäure nach Einnahme von ASS nachgewiesen werden.
Indikationen
Acetylsalicylsäure ist in vielen verschiedenen Indikationen anwendbar:
- Thrombozytenaggregationshemmung
- Primärprophylaxe bei koronarer Herzkrankheit (KHK)
- akutes Koronarsyndrom (ACS): instabile Angina pectoris (iAP), akuter Myokardinfarkt (AMI)
- Rezidiv- und Sekundärprophylaxe nach Myokardinfarkt (Reinfarktprophylaxe)
- Sekundärprävention nach transitorischen ischämischen Attacken (TIA) und Hirninfarkten (Schlaganfall)
- Prävention von Gefäßverschlüssen bei pAVK
- Prophylaxe von arteriellen Thrombosen nach gefäßchirurgischen Eingriffen, PTCA und Stentimplantationen
- Analgesie
- leichte bis mittelschwere Schmerzen (Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen, Regelschmerzen etc.)
In Ausnahmefällen wird Acetylsalicylsäure auch zur Fiebersenkung, sowie bei entzündlichen Erkrankungen (als Reservemittel in höherer Dosierung) eingesetzt, wenn modernere Antiphlogistika kontraindiziert sind oder gleichzeitig eine irreversible Thrombozytenaggregation gewünscht ist.
Dosierung
Als Thrombozytenaggregationshemmer wird Acetylsalicylsäure in einer Dosis von 100 mg/d p.o. verabreicht. Als Analgetikum wird eine höhere Dosis von 500–1.000 mg p.o. 2-3x/d empfohlen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Verschreibungspflicht
Acetylsalicylsäure ist in den meisten Darreichungsformen ohne Rezept erhältlich. Nur Acetylsalicylsäure-Präparate für die parenterale Anwendung sind in Deutschland verschreibungspflichtig.
Nebenwirkungen
Höhere Dosen (ab 6–8 g/Tag) von ASS haben eine Ototoxizität und können das Gehör schädigen und Tinnitus verursachen.
Weiterhin führt hochdosierte Acetylsalicylsäure wie alle NSAR zu einem erhöhten Auftreten von gastralen und duodenalen Ulzera mit dem Risiko einer gastrointestinalen Blutung und Perforation, insbesondere bei gleichzeitiger Einnahme eines Glukokortikoids.
System | Nebenwirkungen (Auswahl) |
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Gastrointestinaltrakt |
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Blut |
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Nieren |
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Nervensystem |
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Schwangerschaft |
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Sonstige |
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Acetylsalicylsäure sollte wie jedes Arzneimittel entsprechend den Angaben in der Packungsbeilage aufbewahrt werden. Nach Überschreiten des Verfalldatums kann ASS zu Salicylsäure zerfallen und zu stärkeren unerwünschten Wirkungen führen.
Wechselwirkungen
Bei gleichzeitiger Einnahme von ASS mit Ibuprofen kann Ibuprofen vor ASS an das katalytische Zentrum der COX-1 binden. Folge ist eine Aufhebung der kardioprotektiven Wirkung von ASS. Aus diesem Grund sollten Patienten, die ASS zur Herzinfarktprophylaxe einnehmen, nicht mehr als eine Einzeldosis Ibuprofen pro Tag erhalten. Die Gabe von Ibuprofen sollte darüber hinaus aufgrund des zuvor beschriebenen Mechanismus mindestens zwei Stunden nach Einnahme von ASS erfolgen.
Die gleichzeitige Zufuhr anderer Analgetika wie Paracetamol, Celecoxib oder Diclofenac beeinflussen die thrombozytenaggregationshemmende Wirkung von ASS hingegen nicht.
Kontraindikationen
Bei Kindern und Jugendlichen sollte die Acetylsalicylsäure generell nicht eingesetzt werden, insbesondere während fieberhafter Erkrankungen, da sie das Reye-Syndrom auslösen kann. Weitere Kontraindikationen sind u.a.:
- Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Hilfsstoffe
- Analgetikaasthma
- hämorrhagische Diathese
- gastroduodenale Ulkuskrankheit
- Hinweise auf Blutungen im Verdauungssystem, z.B. Teerstuhl oder Bluterbrechen
- schwere Leberinsuffizienz
- schwere Niereninsuffizienz (GFR < 30 ml/min)
- schwere dekompensierte Herzinsuffizienz
- Kombination mit Methotrexat (> 15 mg/Woche)
- letztes Trimenon der Schwangerschaft
- Stillzeit: regelmäßige Einnahme von Dosen > 300 mg
Warnhinweise
- Hohes Alter, Gebrechlichkeit: Vorsichtige Dosierung, niedrigste wirksame Dosis verwenden
- Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel: ASS kann in höherer Dosierung eine Hämolyse induzieren, da G6PD gehemmt wird.
- Asthma bronchiale: ASS kann Asthmaanfälle und Bronchospasmen auslösen.
Toxizität
Ab einer eingenommenen Dosis von etwa 100 mg/kgKG ist mit Vergiftungserscheinungen zu rechnen. Die Therapiemaßnahmen zielen auf die Wiederherstellung des Säure-Basen-Haushaltes und eine beschleunigte Ausscheidung ab.
- siehe Hauptartikel: Acetylsalicylsäureintoxikation
Literatur
- Freissmuth et al. Pharmakologie und Toxikologie. Springer Publishing, 2016
- Aktories et al. Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie: Begründet von W. Forth, D. Henschler, W. Rummel (12. Aufl.). Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017
- ZWP Online - Verletzungen der Mundschleimhaut - Diagnose und Therapie, abgerufen am 22.11.2024
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