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Mukoviszidose

(Weitergeleitet von Mucoviscidosis)

von lateinisch: mucus - Schleim, viscidus - zäh, klebrig
Synonyme: zystische (Pankreas-)Fibrose, cystische Fibrose, Fibrosis cystica, CF
Englisch: mucoviscidosis; cystic fibrosis

1. Definition

Die Mukoviszidose ist eine Erbkrankheit aus der Gruppe der Stoffwechselstörungen. Sie verursacht die Produktion eines zähen Sekrets durch die exokrinen Drüsen.

2. Epidemiologie

Mit einem Erkrankungsrisiko von 1:2.500 unter Neugeborenen und einer Heterozygotenhäufigkeit von etwa 1:25 in der deutschen Bevölkerung ist die Mukoviszidose die zweithäufigste hereditäre Stoffwechselstörung nach der Hämochromatose.

3. Pathogenese

Bei der Mukoviszidose handelt es sich um eine Erkrankung mit einem autosomal-rezessiven Erbgang. Homozygote Mutationsträger und Träger von zwei verschiedenen mutierten Allelen (Compound-Heterozygotie) weisen Symptome auf. Bei heterozygoten Trägern, die ein gesundes und ein mutiertes Allel besitzen, manifestiert sich die Erkrankung hingegen nicht.

Die Erkrankung wird durch eine Mutation des CFTR-Gens auf Chromosom 7 ausgelöst, das für den Anionenkanal CFTR (Cystic Fibrosis Transmembrane Regulator) kodiert. Dieses 1.480 Aminosäuren lange Molekül ermöglicht den passiven Durchtritt von Chlorid und Bikarbonat durch die Zellmembran. Der Konformationswechsel beim Öffnen und Schließen wird durch die Hydrolyse von ATP verstärkt, jedoch ist CFTR kein aktiver Transporter. CFTR befindet sich in dem apikalen Membranabschnitten von Epithelzellen und reguliert die Menge und Zusammensetzung der Sekrete exokriner Drüsen. Der Freisetzung von Chlorid und Bikarbonat folgt häufig ein passiver Einstrom von Wasser. In den Atemwegen ermöglicht CFTR den submukösen Drüsen (Glandulae bronchiales) die Bildung einer adäquaten periziliären Flüssigkeitsschicht (PCL) und damit die mukoziliäre Clearance.

Eine gestörte CFTR-Funktion führt folglich zu einer unzureichenden Chloridsekretion, sodass in den Ausführungsgängen der Drüsen ein zähflüssiges, hochvisköses Sekret entsteht. Eine zu geringe PCL führt außerdem zu einer Immobilität der Kinozilien. Im Verlauf kommt es zu Verlegungen und rezidivierenden Entzündungen der Drüsengänge und des umliegenden Gewebes. Die neutrophile Entzündungsreaktion führt zur Freisetzung von proteolytischen Enzymen und zum Remodeling der Atemwege mit Bildung von Bronchiektasen. Veränderungen der Zusammensetzung der PCL tragen zur gestörten lokalen Immunabwehr bei.

Die Mutationen des CFTR-Gens verstärken außerdem die Expression von ENaC, einem epithelialen Natriumkanal. Auf diese Weise werden zusätzlich osmotisch aktive Natriumionen in die Epithelzellen befördert, was das Problem der erhöhten Sekretviskosität verstärkt.

4. Genetik

Die Literatur beschreibt über 2.000 bekannte allelische Varianten, von denen mehrere Hundert als sicher krankheitsauslösende Mutationen charakterisiert sind.[1][2]

Krankheitsauslösende CFTR-Defekte werden in 6 Mutationsklassen eingeteilt.

  • Klasse I: Fehlende Proteinsynthese
  • Klasse II: Gestörte Reifung und vorzeitiger Proteinabbau (häufigste Form)
  • Klasse III: Störung des Gatings
  • Klasse IV: Defekte der Ionenkanalpore
  • Klasse V: Reduzierte Zahl von CFTR-Transkripten durch Anomalie des Promoters oder des Splicing
  • Klasse VI: vermehrter Abbau in der Plasmamembran

Klasse-II-Defekte sind die häufigsten genetischen Anomalien. In Deutschland tragen ca. 85 % der Patienten mindestens ein F508del-Allel, etwa 47 % sind homozygot. Bei diesem Allel liegt eine Deletion an Position 508 des CFTR-Proteins vor, was ein Fehlen der Aminosäure Phenylalanin in der Proteinstruktur zur Folge hat. Hieraus resultiert eine fehlerhafte Proteinfaltung und ein intrazellulärer Abbau des fehlgefalteten Proteins im Proteasom. Somit wird die Menge des CFTR-Proteins auf der Zelloberfläche bei dieser Mutation stark verringert.

Zu Klasse III zählt z.B. die G551D-Mutation, bei der Glycin in Position 551 durch Aspartat ausgetauscht ist. Diese Mutation verhindert den Transport der Anionen in Anwesenheit von ATP. In Deutschland weisen 1,5 % der Patienten mindestens ein G551D-Allel auf, in den USA 4-5 %. Häufige Klasse-I-Defekte sind CFTR-Nonsense-Allele (G542X, R553X, W1282X) oder große Deletionen des Gens.

Eine Loss-of-Function-Mutation im Gen des Chloridkanals ORCC kann ebenfalls zur Symptomatik einer Mukoviszidose führen.

5. Symptome

Die ersten klinischen Zeichen treten normalerweise in der Kindheit auf, allerdings wird bei etwa 7 % der Betroffenen die Diagnose erst im Erwachsenenalter gestellt. Die Klinik der Mukoviszidose variiert je nach zugrundeliegender Mutation mitunter stark. Die Erkrankung ist vor allem durch chronische Atemwegsinfektionen charakterisiert. Es kommt zu Bronchiektasen und einem progredienten Lungenumbau. Außerhalb der Atemwege manifestiert sich die Mukoviszidose in einer exokrinen Pankreasinsuffizienz, einer Sekretionsstörung des Darmepithels, einer Galleabflussstörung, einer abnormen Funktion der Schweißdrüsen und einer gestörten Reproduktionsfähigkeit. Mit zunehmendem Alter kommen weitere Komplikationen wie z.B. Diabetes mellitus Typ 3, Osteoporose, Arthropathien und andere Autoimmunkrankheiten hinzu.

5.1. Respirationstrakt

Die Mortalität und Morbidität der Mukoviszidose wird primär durch den Schweregrad der pulmonalen Symptome bestimmt. Hypervisköses Sputum und eine eingeschränkte mukoziliäre Clearance führen zur Obstruktion der kleinen und mittelgroßen Atemwege. Dadurch kommt es zur Besiedlung mit pathogenen Bakterien u.a. mit Staphylococcus aureus, Haemophilus influenzae, Pseudomonas aeruginosa, NTM und Burkholderia cepacia. Die resultierende chronische Entzündung führt zu einem progredienten Lungenumbau mit Bronchiektasen (v.a. in den Mittel- und Oberfeldern) und respiratorischer Insuffizienz. Außerdem sind invasive Pilzinfektionen mit Aspergillen oder Scedosporium möglich. Weitere akute respiratorische Komplikationen sind Hämoptysen und ein Pneumothorax.

Die genannten Erreger führen außerdem bei den meisten Patienten zu einer chronischen Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRScNP).

5.2. Pankreas

Die Mukoviszidose löst eine Gewebedestruktion des exokrinen Pankreas mit Fibrose, Lipomatose, zystischer Proliferation und Zerstörung der Pankreasstruktur aus. Die Pankreasgänge werden von viskösen Sekreten verschlossen. Die Folgen der exokrinen Pankreasinsuffizienz sind:

Bei ca. 30 % der Erwachsenen mit Mukoviszidose entsteht im Verlauf ein Diabetes mellitus, der multifaktoriell bedingt ist (Insulinmangel und Insulinresistenz).

5.3. Weitere Symptome

Die Verlegung der Gallengänge führt zu Cholestase, rezidivierender Cholelithiasis, periportaler Fibrose und bei bis zu 15 % der Patienten zu einer multilobulären Leberzirrhose mit portaler Hypertension.

Die Mukoviszidose manifestiert sich bei 10-20 % der Neugeborenen auch durch einen Mekoniumileus. Bei Erwachsenen bedingt der zähe, eingedickte Darminhalt bei 20 % der Patienten ein distales intestinales Obstruktionssyndrom (DIOS) mit rezidivierendem Subileus.

Bei Männern besteht i.d.R. eine beidseitige Obliteration des Vas deferens mit Azoospermie und Infertilität, trotz funktionstüchtiger Spermatogenese. Vermutlich handelt es sich dabei um eine Entwicklungsstörung. Bei Frauen mit Mukoviszidose ist die Fertilität leicht eingeschränkt.

Malabsorption, chronische Entzündung, endokrine Störungen und Medikamentennebenwirkungen führen im Verlauf zu einer schlechten Knochenmineralisierung (Osteopenie bzw. Osteoporose). Weitere Symptome sind z.B. salziger Schweiß (verminderte Rückresorption von Chloridionen) sowie Depressionen.

6. Diagnostik

Seit 2016 gibt es in Deutschland ein Neugeborenenscreening auf Mukoviszidose.
Für die endgültige Diagnosestellung ist darüber hinaus mindestens ein klinischer Hinweis und der Nachweis einer CFTR-Funktionsstörung notwendig.

Als klinischer Hinweis gilt eines der oben beschriebenen Symptome oder ein an Mukoviszidose erkranktes Geschwisterkind. Der Nachweis einer CFTR-Funktionsstörung erfolgt durch:

6.1. Neugeborenenscreening

Dem Neugeborenenscreening dienen immunreaktives Trypsin (IRT) und Pankreatitis-assoziiertes Protein (PAP) als Marker - sie detektieren eine perinatale Pankreasschädigung. Außerdem findet eine molekulargenetische Untersuchung auf die 31 häufigsten Mutationen statt. Zu beachten ist, dass Patienten mit einem Mekoniumileus falsch-negative IRT-Werte liefern können.

7. Therapie

Die Mukoviszidose ist zur Zeit (2021) nicht heilbar, aber durch therapeutische Maßnahmen in ihrem Verlauf beeinflussbar:

7.1. Symptomatische Therapie

7.2. Lungentransplantation

Bei terminalem Lungenversagen kommt eine Lungentransplantation in Frage. Die postoperative 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei über 60 %, das mediane Überleben bei über 8 Jahren.

7.3. CFTR-Modulation

Des Weiteren besteht die Möglichkeit einer mutationsspezifischen Therapie mit so genannten CFTR-Modulatoren. Diese Behandlung kann die symptomatische Therapie nicht ersetzen, jedoch die Symptomatik eindämmen und die Lebensqualität verbessern.

  • Ivacaftor: interagiert mit dem CFTR-Protein und steigert dadurch die Chloridsekretion bei G551D- und anderen Klasse-III-Defekten.
  • Lumacaftor und Tezacaftor: überwindet partiell die defekte Proteinsynthese bei F508del-Mutation und erhöht die Dichte an der Zellmembran.
  • Unter der Dreierkombination aus Elexacaftor, Tezacaftor und Ivacaftor (Trikafta®) konnte eine Verbesserung der Lungenfunktion nachgewiesen werden.

7.4. Gentherapie

Gentechnische Therapieansätze befinden sich zur Zeit (2023) noch im Stadium der präklinischen oder frühen klinischen Forschung (Phase 1 und 2). Sie basieren auf dem Prinzip der Transfektion. Dabei werden unterschiedliche Ansätze verfolgt. Beispiele sind:

  • 4D-710: Inhalative Gentherapie, die Adenoviren als Vektoren verwendet. Sie schleusen intakte Kopien des CFTR-Gens in Form von DNA in Körperzellen ein.
  • KB407: Übertragung des CTFR-Gens in Form von DNA. Verwendet HSV-1 als Vektor
  • MRT5005: Inhalative Therapie, die Codon-optimierte mRNA über Lipidnanopartikel (LNPs) in Zellen einschleust.

8. Prognose

War die Lebenserwartung von Mukoviszidosepatienten vor einigen Jahrzehnten noch sehr gering, so erreichen heute fast 50 % das Erwachsenenalter und ca. 17 % werden älter als 30 Jahre. Das mediane Überleben beträgt in Deutschland ca. 39 Jahre.

In Ländern mit fehlender breitflächiger Diagnostik und unzureichendem Zugang zu einer interdisziplinären Behandlung wie z.B. in weiten Teilen Lateinamerikas beträgt die mediane Lebenserwartung nur ca. 20 Jahre.

9. Literatur

  • Laborlexikon.de; abgerufen am 31.03.2021
  • Herold et al.: Innere Medizin (2021)

10. Quellen

  1. CFTR2, abgerufen am 20.05.2021
  2. ECFS3, abgerufen am 20.05.2021

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