Parvovirose (Hund)
Synonyme: canine Parvovirusenteritis, Hundepanleukopenie, hämorrhagische Gastroenteritis, canine Parvovirusinfektion, Hundeseuche
Definition
Die Parvovirose ist eine durch das canine Parvovirus hervorgerufene Infektionskrankheit der Hunde. Sie verläuft als zyklische Allgemeinerkrankung mit Fieber, Erbrechen und unstillbaren Durchfällen.
Ätiologie
Erreger der Parvovirose ist das canine Parvovirus 2 (CPV-2), das erstmals Ende der 1970er-Jahre auftrat. Es handelt es sich um ein unbehülltes DNA-Virus aus der Familie der Parvoviridae (Gattung Parvovirus). Zur Gattung Parvovirus gehören außerdem das feline und das porcine Parvovirus. Die Viren besitzen untereinander nur geringe Sequenzunterschiede. Es wird vermutet, dass das canine Parvovirus aus dem felinen Parvovirus, dem Erreger der Panleukopenie der Katzen (Katzenseuche) entstanden ist. Aus diesem Grund wird die Parvovirose des Hundes in der Literatur teilweise synonym auch als "Hundeseuche" bezeichnet.
Innerhalb der Gruppe des caninen Parvovirus 2 kommen verschiedene Subtypen vor, die sich wiederum in ihrer Virulenz unterscheiden: CPV-2a und CPV-2b gelten als besonders virulente Formen, die in den letzten Jahren eine zunehmende Rolle spielen. Im Jahr 2000 trat in Italien ein neuer Subtyp, CPV-2c auf, der ebenfalls als hochvirulent eingestuft wird.
Parvoviren zeichnen sich durch eine außerordentlich hohe Tenazität aus und bleiben in einem breiten pH-Bereich (3 bis 11) und bei hohen Temperaturen (bis zu 70 °C) in der Außenwelt ansteckungsfähig. Eine Desinfektion erfordert 2%ige Natronlauge, 0,2%ige Peressigsäure, 1%iges Glutaraldehyd oder Hypochloridpräparate.
Pathogenese
Die Ansteckung erfolgt fäkal-oral durch die Aufnahme von mit Kot beschmutztem Futter sowie über am Fell anhaftende Viren von Artgenossen. Das Virus dringt dann über die Schleimhäute des Verdauungs- und Respirationstrakts in den Körper ein. Anschließend vermehren sich die Viren im lokalen Lymphgewebe. Etwa 2 bis 5 Tage post infectionem kommt es dann zu einer Virämie, durch die sich der Erreger im ganzen Körper ausbreitet.
Das Virus ist auf Zellen mit einer hohen Replikationsrate angewiesen, die einen Transferrin-Rezeptor besitzen. Es siedelt sich daher vor allem im Darmepithel, im Myokard und im lymphoretikulären Gewebe an. Herzmuskelzellen sind noch einige Wochen postnatal teilungsaktiv und bilden den Transferrin-Rezeptor aus. Durch massive Schädigung des Darmepithels kommt es zu Maldigestion, Malabsorption und schweren Durchfällen.
Symptome
Als erste Symptome treten Anorexie, Fieber und Apathie auf. Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es dann häufig zu Erbrechen, gefolgt von den charakteristischen Durchfällen. Der Durchfall kann grünlich bis gelblich sein, häufig sind Blutbeimengungen vorhanden. Teilweise scheint der Durchfall ausschließlich aus Blut zu bestehen.
Bei Welpen kann es zu plötzlichen Todesfällen kommen. Diese sind häufig durch eine akute Myokarditis mit Störungen im Reizleitungssystem bedingt. Kardiale Störungen im Zusammenhang mit Parvovirose wurden auch bei adulten Hunden beschrieben, sie treten aber in milderer Form auf und stehen nicht im Zusammenhang mit Todesfällen. Durch den massiven Flüssigkeits-, Elektrolyt- sowie Glukoseverlust können weitere, vor allem auch zentralnervöse Symptome auftreten.
Labor
Hämatokrit und Gesamtprotein sind je nach Ausmaß des Flüssigkeitsverlustes teilweise stark erhöht. Zusätzlich zeigt sich eine starke Leukopenie (< 2.000/µl) mit Neutropenie und ausgeprägter Lymphopenie. Im weiteren Krankheitsverlauf kann sich jedoch auch eine massive Leukozytose (> 60 bis 80.000/µl) mit Linksverschiebung einstellen.
Komplikation
Durch die starken blutig-wässrigen Durchfälle und das unstillbare Erbrechen kommt es zu massiver Dehydratation. Zusätzlich stellt sich eine ausgeprägte Hypalbuminämie und infolge dessen Ödeme ein. Aufgrund einer Hypoperistaltik kann es auch zu Darminvaginationen kommen.
Durch eine Sepsis und die damit einhergehende Freisetzung prokoagulatorischer Substanzen kommt es zur DIC und damit einhergehenden Komplikationen (Petechien, Ekchymoseen, Thrombozytopenie u.ä.).
Differenzialdiagnosen
Es müssen virale Durchfälle anderer Genese (v.a. Staupe, Coronavirus-Enteritis, Hepatitis contagiosa canis) sowie schwere bakterielle Durchfälle (Salmonellose, Campylobakteriose, Clostridiose und Escherichia-coli-Enteritis) ausgeschlossen werden. Zusätzlich ist an hämorrhagische Gastroenteritis (HGE), Pankreatitis, Addison-Krise, Obstruktionen bzw. Invaginationen, Vergiftungen und starken Wurmbefall (v.a. bei Welpen) zu denken.
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus der Anamnese, der typischen Klinik und der deutlichen Leukopenie und/oder Lymphopenie. Die Diagnose kann mittels Schnelltest (auf ELISA- oder Immunchromatographie-Basis) bestätigt werden. Zu bedenken ist jedoch, dass die Spezifität dieser Tests meistens sehr gut, die Sensitivität jedoch nur mäßig ist. Das heißt, dass ein negatives Testergebnis eine Parvovirose nicht ausschließt.
Bei negativem Testergebnis, jedoch starkem Verdacht einer Erkrankung, ist der Schnelltest zu einem späteren Zeitpunkt zu wiederholen. Alternativ kann auch ein Erregernachweis im Kot oder Blut mittels PCR durchgeführt werden.
Therapie
Die Parvovirose fordert aufgrund des akuten bis perakuten Verlaufs eine intensive Therapie, die wegen der hohen Infektiosität in Isolationsstationen durchzuführen ist.
Die symptomatische Behandlung umfasst eine parenterale Flüssigkeitstherapie (z.B. Ringer-Laktat-Lösung mit Kaliumsubstitution inkl. kolloidaler Lösungen) und bei Bedarf auch die Verabreichung von Plasma. Um bakterielle Superinfektion zu vermeiden, sind Beta-Laktam-Antibiotika (z.B. Amoxicillin-Clavulansäure, Cephalosporine der 3. Generation oder die Kombination von Cephalosporinen der 1. und 3. Generation, Fluorchinolone u.ä.) indiziert. Zusätzlich sollten Antiemetika (z.B. Maropitant) sowie ein Protonenpumpenhemmer (z.B. Pantoprazol) verabreicht werden. Gleichzeitig ist auf eine frühe enterale Ernährung (z.B. nasoösophageale Sonde) und die Aufrechterhaltung des Glukosehaushalts zu achten.
Sobald das Erbrechen sistiert, müssen erkrankte Hunde möglichst rasch entwurmt werden. Hierfür eignet sich insbesondere Fenbendazol, da dieser Wirkstoff auch eine gute Wirkung gegen Giardien aufweist. Vor dem Einsatz von Antiparasitika sollte jedoch eine koproskopische Untersuchung durchgeführt werden. Zusätzlich kann eine Immuntherapie (z.B. Felines Interferon Omega, spezifische Gamma-Globuline, rekombinanter humaner Granulozyen-stimulierender Faktor u.ä.) gestartet werden.
Prognose
Die Prognose hängt stark vom Alter, der Rasse, den Begleitinfektionen, der Immunitätslage sowie vom Auftreten von Komplikationen ab. Als prognostisch günstig gilt das Fehlen einer Leukopenie, ein frühzeitiges Auftreten von stabkernigen Neutrophilen und/oder das Ansteigen der Lymphozyten innerhalb von 24 Stunden. Als prognostisch ungünstig zu werten hingegen sind eine ausbleibende Besserung und stark erhöhte Lipasewerte (> 10.000 U/L).
Durch eine frühzeitige intensive Therapie kann die Mortalität beträchtlich gesenkt werden, jedoch ist in vielen Fällen eine Euthanasie indiziert.
Prophylaxe
Die Erkrankung kann durch eine Impfung (häufig als Kombinationsimpfung, z.B. SHPPi-Impfung) verhindert werden. Die Grundimmunisierung kann - abhängig vom Impfhersteller - bereits ab der 4. Lebenswoche durchgeführt werden (Auffrischungsimpfung in der 8. und 12. Lebenswoche).
Literatur
- Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3.
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