Krankheitsverlauf
Definition
Der Krankheitsverlauf ist das quantitative (zeitliche) und qualitative (die Symptomatik betreffende) Profil einer Erkrankung.
Allgemeine Einteilung
Der Krankheitsverlauf kann - je nach betrachtetem Aspekt - mit unterschiedlichen Attributen versehen werden, die seine Geschwindigkeit, Schwere oder andere Eigenschaften charakterisieren. Die einzelnen Attribute werden dabei im klinischen Sprachgebrauch häufig miteinander kombiniert, z.B. "chronisch-rezidivierend", "chronisch-progredient", "akut-rezidivierend" oder "chronisch-intermittierend".
Leider sind die klinisch verwendeten Bezeichnungen nicht systematisch konstruiert, so dass in einem Begriff oft mehrere Dimensionen abgebildet sind. So bezeichnet "akut" z.B. einen schnellen Erkrankungsbeginn (Onset), aber auch eine eher kurze Krankheitsdauer. Der als Antonym verwendete Begriff "chronisch" bezieht sich hingegen primär auf die Krankheitsdauer. Auch chronische Erkrankungen können aber durchaus akut beginnen, z.B. ein Asthma, dass sich erstmalig durch eine akute Atemnot manifestiert.
...nach zeitlichem Verlauf
Tempo bzw. Dauer
- perakut: sehr schnell auftretend mit sehr kurzer Dauer
- akut: schnell auftretend mit i.d.R. kurzer Dauer
- subakut: etwas weniger schnell auftretend als akut, Dauer verlängert
- subchronisch: mit verlängerter Krankheitsdauer, aber noch nicht chronisch
- chronisch: langandauernde Krankheit, entweder mit durchgehender oder variierender Symptomatik
- prolongiert: gegenüber der Erwartung verlängerter Krankheitsverlauf
Rhythmik
- rezidivierend: wiederholt auftretende Krankheitsphasen ohne vollständige Ausheilung
- intermittierend: von Unterbrechungen getrennte, eher kurze Krankheitsphasen
- episodisch: unregelmäßig auftretende, längere Krankheitsphasen
- transitorisch: kurze, schnell vorübergehende Krankheitsphasen
- persistierend: durchgehend präsente Erkrankung ohne Besserungstendenz
...nach Fortschritt der Symptomatik
- paroxysmal: anfallsartig mit maximaler Symptomatik einsetzender Krankheitsverlauf
- foudroyant: Krankheitsverlauf mit stürmisch einsetzenden Symptomen
- progredient: fortschreitende, sich verschlimmernde Symptomatik
- floride: voll ausgeprägte, deutliche Symptomatik
- protrahiert: in die länge gezogene Symtomatik mit Tendenz zur Verschlechterung
- exazerbiert: verschlechterte Symptomatik im Rahmen einer chronischen Erkrankung
- regredient: zurückschreitende, sich verbessernde Symptomatik
- restitutiv: Verringerung der Symptomatik mit Wiederherstellung
...nach Schwere der Symptomatik
- latent: versteckt, nicht sichtbar
- blande: schwach ausgeprägt, mild
- inapparent: nicht in Erscheinung tretend
- subklinisch: unterschwellig, nicht offensichtlich
- manifest: deutlich, gut erkennbar
- aggraviert: verschlimmert
- letal: tödlich
...nach Pathophysiologie
Eine zusätzliche Einteilung kann nach dem Schädigungsmuster erfolgen, das der Krankheitsverlauf erzeugt. Dazu dienen z.B. folgende Attribute:
- abszedierend: unter Bildung eines Abszesses
- destruierend: zerstörend
- infiltrierend: in andere Gewebe einwachsend
- konsumierend: auszehrend
- metastasierend: unter Absiedelung von Metastasen
- nekrotisierend: mit Untergang von Gewebe
- obstruierend: verschließend
- perforierend: durchbohrend
- sklerosierend: unter Verhärtung des Gewebes (durch Bildung von Fasern)
- stenosierend: verengend
- ulzerierend: Geschwüre bildend
Spezielle Einteilungen
Neben den o.a. allgemeinen Beschreibungen gibt es für viele Erkrankungen spezifische Einteilungen für den Krankheitsverlauf, die eine Gliederung in Stadien oder Phasen erlauben. Bei Infektionskrankheiten ist beispielsweise die Inkubationszeit ein wichtiger Abschnitt des Krankheitsverlaufs, ebenso wie das symptomfreie Intervall bzw. die Latenzperiode.
Auch bei vielen chronischen Erkrankungen ist eine spezifische Unterteilung des Krankheitsverlaufs üblich. Bei der Niereninsuffizienz wird der Krankheitsverlauf zum Beispiel anhand der Retentionswerte in 4 Stadien unterteilt, bei malignen Tumoren anhand verschiedener Staging-Systeme.
Outcome
Ein wichtiger Aspekt des Krankheitsverlaufs ist das so genannte Outcome, also der Zustand des Patienten nach Ablauf der Erkrankung unter Einbeziehung der Therapiemaßnahmen. Unabhängig vom Krankheitstyp lassen sich folgende Endpunkte eines Krankheitsverlaufs festhalten:
- Restitutio ad integrum: Der Krankheitsverlauf führt in einen vollkommen funktionsfähigen Zustand zurück, der dem vor der Krankheit entspricht.
- Restitutio ad functionem: Der Krankheitsverlauf lässt einen weitgehend funktionsfähigen Zustand zurück, der aber nicht vollständig dem vor der Krankheit entspricht.
- Restitutio cum defectu: Auch Defektheilung genannt. Der Krankheitsverlauf führt zu einer Funktionseinschränkung. Das Ausmaß kann dabei von leichten Einschränkungen bis hin zu schweren Behinderungen reichen.
- Tod: Der Krankheitsverlauf endet letal.