Babesia
nach dem rumänischen Tierarzt Viktor Babès (1854–1926), Entdecker der Babesien beim Rind
Synonym: Babesien
Englisch: babesia
Definition
Die Gattung Babesia ist eine Gruppe von Protozoen mit über 100 Arten, die in Erythrozyten vieler Säugetierarten sowie einigen Vögeln parasitieren.
Taxonomie
- Domäne: Eukaryota
- Stamm: Haematozoea
- Ordnung: Piroplasmida
- Familie: Babesiidae
- Gattung: Babesia spp.
- Familie: Babesiidae
- Ordnung: Piroplasmida
- Stamm: Haematozoea
Erreger
Babesia-Arten parasitieren hauptsächlich bei Säugetieren. Die meisten Arten befallen Nager, Fleischfresser und Wiederkäuer sowie wenige Vögel. Alle Haussäugetiere können sich mit bestimmten Babesia-Arten infizieren.
Charakteristisch für Babesien sind die tropfen- oder birnenförmigen, einkernigen, 0,3 bis 5 µm langen Merozoiten. Diese liegen meist paarweise, seltener zu mehreren zentral oder marginal vereinten Strukturen in den Erythrozyten. Parasitologisch werden Babesien in große Arten (Merozoiten >2,5 µm) und kleine Arten (Merozoiten <2,5 µm) eingeteilt. Neben den verschiedenen Arten sind noch etliche Babesia-Genotypen bekannt.
Folgende Tabelle listet eine Auswahl an Babesia-Arten bei den Haussäugetieren auf:
Wirt | Babesia-Art | Vektoren | Verbreitung |
---|---|---|---|
Rinder | Babesia bigemina | Rhipicephalus spp. | Tropen, Subtropen, Südeuropa |
Babesia bovis | Rhipicephalus spp. | Tropen, Subtropen, Südeuropa | |
Babesia divergens | Ixodes ricinus, Ixodes persulcatus | Europa | |
Babesia major | Haemaphysalis punctata | Europa | |
Schaf, Ziege | Babesia ovis | Rhipicephalus bursa u.a. | Südeuropa, Afrika, Asien, Kuba |
Babesia motasi (virulent) | Haemaphysalis punctata | Südeuropa, Afrika, Asien, Kuba | |
Babesia motasi (avirulent) | Haemaphysalis punctata | Mittel-, West- und Nordeuropa | |
Equiden | Babesia caballi | Dermacentor spp., Hyalomma spp. | Südeuropa, Tropen, Subtropen |
Wildwiederkäuer | Babesia capreoli | Ixodes ricinus* | Mitteleuropa |
Babesia venatorum | Ixodes ricinus* | Mitteleuropa | |
Hund u.a. Caniden | Babesia canis canis | Dermacentor reticulatus | Süd-, Mittel- und Osteuropa |
Babesia canis vogeli | Rhipicephalus sanguineus | Südeuropa, Tropen, Subtropen | |
Babesia canis rossi | Haemaphysalis laeachi | Südafrika | |
Babesia gibsoni | Rhipicephalus sanguineus, Haemaphysalis bispinosa | Asien, Australien, Nordafrika | |
Babesia condradae | Rhipicephalus sanguineus | Kalifornien | |
Babesia annae* | Ixodes hexagonus* | Spanien | |
Katze u.a. Feliden | Babesia felis | Haemaphysalis leachi* | Südafrika, Simbabwe |
Nagetiere | Babesia microti | Ixodes ricinus*, Ixodes trianguliceps*, Ixodes scapularis* | Mitteleuropa, Großbritannien, Nordamerika |
* = fragliche Bedeutung oder unbekannt |
Entwicklung
Säugetiere infizieren sich mit Babesien durch den Stich von Schildzecken (Ixodidae). Mit dem Zeckenspeichel werden Sporozoiten inokuliert, die ausschließlich Erythrozyten befallen. In denen bilden sie zunächst ringförmige oder amöboide Trophozoiten. Durch eine äußere Knospung (Exodyogenie) entstehen meist zwei birnen- oder tropfenförmige Merozoiten, die freigesetzt werden und wieder neue Erythrozyten befallen. Auf diesem Wege kann die Infektion jahrelang persistieren.
Zeckenweibchen nehmen mit dem Blut infizierter Wirte bestimmte sphäroide Merogoniestadien der Babesien auf, die im Darm der Zecke männliche und weibliche Gamonten bilden. Im Anschluss an die Gamogamie differenzieren sich aus den Zygoten sogenannte Kineten, die in die Darmzellen eindringen, sich dort vermehren und Sporokineten bilden. Die Sporokineten wandern anschließend in die Hämolymphe und befallen danach Hämozyten und verschiedene Körperzellen, in denen fortwährende Sporogoniezyklen ablaufen. Zusätzlich werden auch noch die Ovarien von Babeisen befallen, die wiederum über die Eizelle an die Nachkommenschaft weitergegeben werden (transovariale Infektion).
Nachdem eine Zeckenlarve aus einem infizierten Ei schlüpft, dringen die Sporokineten in Zellen der Speicheldrüsen ein, um dort Sprozoiten zu bilden. Diese werden dann mit dem Speichel auf einen Wirt übertragen. Durch die vertikale Erregerübertragung sowie die Weitergabe der Erreger auf 3 bis 4 Tochtergenerationen, können Zeckenpopulationen in einem Endemiegebiet über einige Jahre infiziert bleiben – auch dann, wenn sie keine Gelegenheit zu Neuinfektionen an Babesia-infizierten Säugetieren haben. Eine vertikale Übertragung wird jedoch durch verschiedene Faktoren in ihrer Ausbreitung begrenzt: Einerseits sind nur ein Teil der Eier (etwa 10 bis 20 %) mit Babesien infiziert und andererseits legen infizierte Zeckenweibchen weniger Eier als nicht infizierte.
Nur dann, wenn der Zeckenvektor gut an den Säugetierwirt und die Babesienart gut an den Vektor angepasst sind, können alle Zeckenstadien (Larve, Nymphe, Weibchen, Männchen) Erreger übertragen. In Europa sind dies folgende Arten: Babesia divergens, Babesia major und Babesia canis vogeli. Die einzelnen Übertragungsmodi der Babesienarten sind äußerst komplex, insbesondere bei 1- und 2-wirtigen Zecken.
Es gibt einige (atypische) Babesia-Arten (Nagerbabesien, kleine Arten von Caniden und Feliden), die genetisch den Theilerien nahestehen. Diese werden – soweit bekannt – nicht transovarial, sondern nur von Stadium zu Stadium übertragen. So wird z.B. Babesia microti nur von der Zeckenlarve (empfängliches Stadium) zur Zeckennymphe (übertragenes Stadium) weitergegeben. Nach der Sporozoiten-Übertragung erlischt die Infektion in der Nymphe, sodass die nachfolgenden Zeckenstadien nicht mehr mit Babesien infiziert sind.
Epidemiologie
Aus epidemiologischer Sicht spielt nur die Übertragung der Babesien durch Zecken eine Rolle. Es gibt daneben zwar seltene pränatale Infektionen (z.B. Babesia caballi) sowie iatrogene Übertragungen durch Bluttransfusionen oder kontaminierte Instrumente, jedoch spielen diese eine untergeordnete Rolle in der Verbreitung der Babesien.
Vorkommen
Räumliches Verbreitungsmuster
Verschiedene Zeckenarten leben in unterschiedlichen Habitaten. Dadurch kann das meist herdförmige Vorkommen (Naturherde) einzelner Zeckenarten und ihre Beschränkung auf bestimmte Regionen erklärt werden. In solchen Naturherden ist es möglich, dass gewisse Babesia-Arten über längere Zeit persistieren können. Die einzelnen Infektionsraten der Zecken können somit nur grob geschätzt werden. Bei Babesia-divergens-Infektionen sind sie z.B. relativ hoch (>1 %), bei Babesia-bovis-Infektionen hingegen sehr gering (ca. 0,04 %). Da Schildzecken lange Hungerperioden und (je nach Art) auch Trocken- oder Kälteperioden überstehen können, beherbergen sie auch die Entwicklungsstadien der Babesien über diese Perioden hinweg. Dadurch können Babesien sowohl in ariden Gebieten als auch in gemäßigten und kalten Klimazonen (bis nördlich des Polarkreises) verbreitet sein.
Die Verbreitung der Babesien erfolgt meist durch den Transport von infizierten Tieren aus endemischen in freie Gebiete. Ebenso kann ein Verschleppen von Zecken in geeignete, freie Habitate die Ausbreitung begünstigen. Auf diese Weise wurden in den vergangenen Jahrhunderten Boophilus-Arten in die Neue Welt und nach Australien verschleppt. Auf diesen Kontinenten gehören sie seitdem zu den bedeutendsten Parasiten der Rinder. In Mitteleuropa fand in den letzten Jahrzehnten in geeigneten Habitaten eine Endemisierung von Rhipicephalus sanguineus und Dermacentor reticulatus statt.
Zeitliches Auftreten
Das zeitliche Auftreten von Babesiosen ist – je nach Region und Vektorenart – sehr unterschiedlich. Ixodes ricinus (Vektor von Babesia divergens des Rindes) hat in Mitteleuropa meist eine bimodale Saisonaktivität. Aufgrund dessen kommt es bei Weidetieren im Mai und Juni sowie im September und Oktober zu Babesioseausbrüchen – selten in einer anderen Phase der Weideperiode.
In Deutschland und in Südeuropa sind die adulten Stadien von Dermacentor reticulatus (Überträger von Babesia canis canis) besonders in der Zeit von März bis Juni und von September bis November (vereinzelt auch bis Dezember) aktiv. In tropischen Gebieten hingegen sind bestimmte Zeckenarten das ganze Jahr über als Vektoren aktiv.
Immunologie
Im Anschluss an eine Erstinfektion entwickelt sich im Wirt eine partielle Immunität, welche die Tiere für einige Zeit vor Erkrankungen schützt, jedoch eine neue Infektion nicht verhindert. Man geht davon aus, dass solche Infektionen (ohne Superinfektionen) nur wenige Monate bis 1 Jahr (Babesia motasi, Babesia caballi), seltener auch 2 bis 4 Jahre (Babesia divergens, Babesia bovis) persistieren.
Bei Weidetieren stellt sich in hochendemischen Gebieten – nach einer symptomatischen oder inapparenten Primärinfektion sowie einer Reihe rezidivierender, allmählich schwächer werdender Parasitämien und wiederholten Superinfektionen – eine fast ununterbrochene, aber geringgradige, inapparente Parasitämie ein. Zwar sind die Tiere dann durch eine infektionsgebundene Immunität nicht vor einer Superinfektion, jedoch vor Erkrankungen geschützt. Mithilfe der Antigenvariation sowie anderer Mechanismen der Immunevasion können Babesien dem Immunsystem entgehen und so im Wirt persistieren. Persistierende Serumantikörper sind deutliche Zeichen einer Infektion mit Babesia-Arten.
Werden Tiere nach Elimination der Infektion seronegativ, kann eine Schutzwirkung erhalten bleiben. Dabei handelt es sich dann nicht mehr um eine infektionsgebundene Immunität, sondern um eine sogenannte sterile Immunität.
Pathogenese und Klinik
Die typischen Fälle von Babesiose zeigen in der akuten Phase folgende Hauptsymptome: Apathie, Inappetenz, hohes Fieber, Parasitämie, Anämie, Hämoglobinurie, Ikterus, Kreislaufsymptome (Schock, Ödeme) und neurologische Störungen. Zu beachten ist, dass einige dieser Symptome nicht regelmäßig oder nur zeitweise auftreten können. Der Verlauf und Grad der Erkrankung hängt im Allgemeinen von der Pathogenität der Babesia-Art, vom Alter und Immunstatus des Wirtes sowie von weiteren Faktoren ab.
Die verschiedenen Pathogenitätsmechanismen bei Babesiosen sind erst in Ansätzen bekannt. Als ein wichtiger Mechanismus hat sich die Lyse von Erythrozyten herausgestellt. Der Grad der Parasitämie und der Erythrozytenverlust korrelieren häufig nicht miteinander, weshalb für die Lyse nicht nur die direkte Schadwirkung der Merozoiten, sondern auch zusätzliche Faktoren verantwortlich gemacht werden, u.a.:
- Antikörper (IgG), die gegen Erythrozyten gerichtet sind (Babesia gibsoni)
- Komplement-vermittelte Lyse sowie Phagozytose von Erythrozyten durch mononukleäre Zellen
- Produktion eines hämolytischen Faktors (Babesia gibsoni)
Verschiedene hochpathogene Arten (z.B. Babesia bovis, Babesia canis canis, Babesia canis rossi u.a.) induzieren schon vor Beginn der Anämie eine Kaskade akuter Reaktionen. An ihnen sind u.a. Zytokine, reaktive Stickstoffmetaboliten, ein Thrombozyten-Aktivierungs-Faktor und Eicosanoide beteiligt. Eine Infektion mit Babesia bovis verursacht bereits bei einer geringgradigen Parasitämie hochgradiges Fieber und eine Aktivierung des Kallikrein-Kinin-Systems (KKS). Letztere kann zu einer Erhöhung der Gefäßpermeabilität, zur Vasodilatation und zum Blutdruckabfall führen – und einen perakuten oder akuten letalen Verlauf haben.
Neurologische Störungen werden nur von einigen Arten ausgelöst (z.B. Babesia bovis). Diese werden (zumindest teilweise) auf die Zytoadhärenz zurückgeführt. Es konnten auf der Oberfläche von Babesia-infizierten Erythrozyten antigene Parasitenproteine nachgewiesen werden. Diese sorgen offensichtlich dafür, dass infizierte Erythrozyten in den Kapillaren an den Endothelzellen adhärieren und so einer vorzeitigen Sequestrierung in der Milz entgehen. Dadurch, dass immer wieder veränderte Moleküle auf den Erythrozytenoberflächen exprimiert werden, vermögen die Parasiten lange im Wirt zu persistieren.
Diagnose
Eine Befall mit Babesien wird anhand der Anamnese (Erhebung eines vorausgegangenen Zeckenbefalls, Aufenthalt in endemischen Gebieten) und der Symptomatik (fieberhafte Erkrankung, eventuell Hämoglobinurie) in Betracht gezogen. Eine akute Babesiose kann durch direkten Erregernachweis im Blutausstrich unter Giemsa-Färbung diagnostiziert werden.
Eine Differenzierung zwischen großen und kleinen Babesien erfolgt nach folgenden Kriterien: Länge der Merozoiten (direkter Vergleich mit dem Radius der Erythrozyten), Teilungswinkel (spitz vs. stumpf) sowie Lage der Babesien im Erythrozyt (zentral vs. peripher). Eine chronische oder inapparente Infektion kann auch indirekt durch Nachweis spezifischer Antikörper (ELISA, IFAT, u.a.) mit hoher Sensitivität und Spezifität erfasst werden. Gleichzeitig gibt es für die meisten Babesia-Arten PCR-Verfahren. Eine anschließende DNA-Sequenzanalyse ermöglicht eine gesicherte Art- und Stammdiagnose.
Therapie
Eine Babesiose muss so früh wie möglich therapiert werden. Es gilt: Je höher die Parasitämie ist, desto gravierender sind die Symptome und umso ungünstiger wird die Prognose. Eine hohe Parasitämie kann unter einer Therapie zu einem fatalen Schock führen.
Rinder, Pferde und Hunde werden in Mitteleuropa mit Imidocarb behandelt. Schwere Fälle sind – besonders bei Pferden – nicht einfach zu behandeln und sollten möglichst erfahrenen Klinikern überlassen werden. Zu beachten ist, dass Imidocarb auch bei therapeutischer Dosierung Nebenwirkungen verursachen kann: Speicheln, Tränenfluss, Schwitzen, Unruhe, Kolik, usw. Als Antidot sollte Atropin verwendet werden.
Gravierende Fälle mit schwerer Anämie bedingen zusätzliche, palliative Maßnahmen, in ausgeprägten Fällen muss auch eine Euthanasie in Betracht gezogen werden.
Bekämpfung
Prophylaktische Maßnahmen richten sich in erster Linie gegen Zeckenbefall oder gegen akute Infektionen. In Mitteleuropa kommen für die verschiedenen Tierarten unterschiedliche Maßnahmen infrage:
- Rind: In Österreich ist ein Formalin-inaktivierter Totimpfstoff gegen Babesia divergens zugelassen. Dieser wird etwa 6 Wochen vor Weideauftrieb 2-mal im Abstand von 2 Wochen s.c. appliziert. Eine 3. Injektion führt zu einer Verbesserung des Impfschutzes. In Deutschland kann eine bestandsspezifische Vakzine verwendet werden.
- Pferd: Vor dem Im- oder Export von Pferden sind serologische Kontrolluntersuchungen empfohlen.
- Hund: Hunde sollte man bei Reisen in Endemiegebiete prophylaktisch mit Imidocarb behandeln (1 x 6,0 mg/kgKG s.c. oder 2 x 4,0 bis 6,0 mg/kgKG s.c. im Abstand von 14 Tagen). Das schützt etwa 4 Wochen lang vor Erkrankungen durch Babesien und Ehrlichia canis. In Österreich ist ein bivalenter Totimpfstoff mit löslichem Antigen von Babesia canis canis und Babesia canis rossi zugelassen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Bedeutung für den Menschen
Bisher wurden in Europa rund 30 Fälle von Babesiose beim Menschen diagnostiziert. Die meisten Fälle wurden ätiologisch auf Babesia divergens (übertragen von Ixodes ricinus) zurückgeführt. In einigen Fällen konnte auch Babesia microti nachgewiesen werden. Infektionen mit Babesia divergens oder ähnlichen Erregern sind bei splenektomierten Patienten aufgetreten. Eine Infektion führte zu Malaria-ähnlichen Symptomen.
In den USA konnte Babesia microti (übertragen von Ixodes scapularis) in 95 % von mehreren hundert Fällen mit intakter Milz nachgewiesen werden.
Literatur
- Eckert, Johannes, Friedhoff, Karl Theodor, Zahner, Horst, Deplazes, Peter. Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Enke Verlag, 2008.
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