Tetanus (Hund)
Synonym: Wundstarrkrampf
Englisch: tetanus
Definition
Tetanus ist eine akut, teils subakut verlaufende Infektionskrankheit beim Hund, die durch das Bakterium Clostridium tetani ausgelöst wird.
Ätiologie
Clostridium tetani ist ein ubiquitärer, grampositiver, obligat anaerober, begeißelter und sporenbildender Erreger, der meist über verunreinigte Wunden in den Körper gelangt.
Clostridium tetani ist im physiologisch im Darm und v.a. in mit Stallmist oder Kot (auch Hundekot) überdüngten Böden verbreitet. Das stoffwechselaktive Bakterium ist gegenüber Desinfektionsmitteln und Hitze empfindlich und überlebt nicht lange außerhalb des Körpers. Im Gegensatz dazu sind die vom Bakterium gebildeten Sporen in der Umwelt unter optimalen Bedingungen jahrelang infektionsfähig. Sie bleiben auch bei Hitze von bis zu 120 °C für ca. 15 bis 20 Minuten lang sowie gegenüber den üblichen Desinfektionsmitteln widerstandsfähig.
Clostridium tetani produziert das Neurotoxin Tetanospasmin, das lokale oder generalisierte, schmerzhafte tonische Muskelspasmen hervorruft.
Epidemiologie
Die Häufigkeit von klinisch manifesten Erkrankungen variiert stark - je nach Region. Einerseits gibt es Gegenden, in denen nur alle paar Jahre oder gar nie ein Tetanusfall beobachtet wird, wohingegen in anderen Landabschnitten gehäuft Erkrankungen auftreten.
Hunde sind im Vergleich zu anderen Säugetieren wesentlich unempfindlicher gegenüber den von Clostridium tetani gebildeten Exotoxinen. So weisen Hunde im Vergleich zum Pferd eine ca. 600 mal höhere Resistenz gegen Tetanospasmin auf, sodass es hier auch deutlich seltener zu Krankheitsfällen kommt. Grund für die erhöhte Resistenz scheint die verminderte Toxinpenetration zu sein.
Pathogenese
Die Ansteckung mit Clostridium-tetani-Sporen erfolgt über verschmutzte Wunden. Selten kommt es auch nach Operationswunden, in denen anaerobe Verhältnisse (und/oder Mischinfektionen, z.B. mit Staphylokokken infizierte Bisswunden) vorherrschen, zu Infektionen. In den meisten Fällen sind die Eintrittspforten nicht mehr nachweisbar. Potenzielle bzw. okkulte Eintrittspforten sind v.a. Zahnfleischtaschen, Darm und Uterus. Bei Junghunden wird eine Infektion oftmals auch durch den Zahnwechsel begünstigt.
Nach der Infektion kommt es zu einer lokalen Erregervermehrung. Dabei werden die Exotoxine Tetanolysin und Tetanospasmin produziert und an die Umgebung abgegeben. Nachdem das Tetanospasmin an die motorischen Endplatten gebunden hat, wandert es entlang der Nervenbahnen zentripetal zu den Vorderhörnern des Rückenmarks. Dort reichert sich das Toxin v.a. in den afferenten Synapsen der grauen Rückenmarksubstanz an. Besonders stark betroffen sind inhibitorische Neurone. Dort blockiert das Toxin die Transmission inhibitorischer Reize durch Hemmung der Ausschüttung von Glycin und GABA und löst damit periphere tonische Muskelspasmen (Extensorenrigidität) aus.
Ein Teil des Toxins steigt im Rückenmark bis in den Hirnstamm auf, um dort an Ganglioside zu binden. Aufgrund dessen kommt es zu Kopfmuskeltonisierungen, Konvulsionen und eventuell auch zum Atemstillstand. Ein anderer Teil des Tetanospasmins gelangt lymphohämatogen in verschiedene Bereiche des Nervensystems. Da Tetanospasmin auch auf sympathische präganglionäre Neurone wirkt, kann es zu autonomen Dysfunktionen kommen.
Klinik
Abhängig von Infektionsort und Ausbreitungsgeschwindigkeit des Toxins kommt es in der Regel 5 bis 21 Tage nach der Infektion zu ersten Symptomen.
Aufgrund der natürlichen caninen Resistenz tritt die lokalisierte Tetanusform häufiger auf als die generalisierte. In leichten Fällen ist die Erkrankung lediglich auf einzelne Muskelgruppen oder nur auf den Infektionsort beschränkt. Andere Hunde wiederum zeigen eine Nachhandsteife oder -schwäche, einen gestelzten, unsicheren Gang und Extensorenrigidität einer oder mehrerer Gliedmaßen. Bereits kleinste Stimuli (z.B. akustisch, taktil oder Lichtreize) können generalisierte tonische Muskelspasmen verursachen, die sich auf die Kopfmuskeln oder gar auf den ganzen Körper ausdehnen können.
Manchmal kommt es initial zur Verkrampfung der mimischen Muskulatur. Dann fällt eine typische Stirnfältelung mit Annäherung der Ohransätze bzw. der Ohrspitzen, ein Rückwärtsziehen der Maulwinkel und vermehrter Speichelfluss (Hypersalivation) auf. Hinzu kommen oft eine Lidspaltenverengung (Blepharospasmus) oder auch aufgesperrte Augen (infolge Augenwinkelretraktion, Enophthalmus mit Nickhautvorfall und Trismus) sowie Dysphagie und Regurgitieren aufgrund eines Megaösophagus.
Typisch sind ein veränderter Gesichtsausdruck, eine steife und gestreckte Rute sowie eine Sägebockstellung der Gliedmaßen. Betroffene Hunde können sich nicht drehen und haben sichtlich Schwierigkeiten beim Aufstehen. Oftmals zeigen sich noch Anzeichen einer autonomen Dysfunktion wie Bradykardie, Hypertonie- und Tachykardieepisoden sowie kardiale Arrhythmien und periphere Vasokonstriktion.
Komplikationen
Häufige Komplikationen einer Tetanus-Erkrankung sind Aspirationspneumonien (Folge der Dysphagie), Larynx- und Atemmuskelspasmen mit Erstickungsanfällen und eventuell ein plötzlicher Tod. Oftmals kommt es auch zu Hyperventilation, Erschöpfung, Dysurie, Obstipation, gasigen Abdomenauftreibungen, Frakturen und Atemstillstand.
Differenzialdiagnosen
Als Differenzialdiagnosen kommen verschiedene Intoxikationen in Frage, u.a.:
Zusätzlich sind Eklampsie, Hypokalzämie, Tollwut, Polymyositis und Hirntumoren auszuschließen.
Diagnose
Das klinische Bild einer Intoxikation mit Tetanospasmin ist weitgehend pathognomonisch.
Ein Nachweis von Clostridium tetani aus einer Wunde ist häufig nicht möglich, da die Erreger meist nur in geringer Anzahl vorliegen und ubiquitär vorkommen. Bei unklarer Symptomatik (v.a. im Anfangsstadium) kann der serologische Nachweis von Tetanustoxin-Antikörpern diagnostisch hilfreich sein.
Therapie
Nach Diagnosestellung ist unverzüglich eine parenterale Antibiose indiziert. Hierzu eignet sich v.a. Metronidazol. Metronidazol (10 mg/kgKG TID) hat zusätzlich den Vorteil, dass es Gewebe gut penetrieren kann, sich auch in anaerobem Milieu anreichert und bakterizid wirkt. Kann eine Eintrittspforte (z.B. Wunde) festgestellt werden, ist ein chirurgisches Wunddebridement durchzuführen.
Tetanusantitoxin ist nur zu Beginn der Erkrankung zur Neutralisierung von noch nicht ans Nervengewebe gebundenem Toxin einzusetzen. Das Antitoxin muss dann langsam intravenös (25 bis 110 I.E./kgKG) appliziert werden. Um mögliche anaphylaktische Reaktionen zu vermeiden, ist ca. 30 Minuten vor der Antiseruminjektion eine Testdosis von 0,1 bis 0,2 ml s.c. anzuraten.
Parallel dazu sind betroffene Tiere umfangreich pflegerisch zu versorgen (weiche Lagerung, Verdunklung und Abschirmung des Raums von Lärm, adäquate parenterale Flüssigkeitsversorgung, Sondenernährung u.ä.). Zur Sedierung werden Phenothiazine (z.B. Acepromazin 0,05 mg/kgKG i.v. oder Chlorpromazin 0,5 bis 2 mg/kgKG i.v.) empfohlen. Tonische Krämpfe können mit Benzodiazepinen (z.B. Diazepam 0,2 bis 10 mg/kgKG i.v.) behandelt werden. Bei ausbleibender Wirkung muss auf Phenobarbital (1 bis 4 mg/kgKG i.v.) oder Pentobarbital (3 bis 15 mg/kgKG i.v.) zurückgegriffen werden. Aufgrund der schmerzhaften Muskelspasmen ist zusätzlich immer auch ein Analgetikum (z.B. Metamizol 20 mg/kgKG i.v.) indiziert.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Prognose
In leichten bzw. schleichend verlaufenden Fällen ist die Prognose als günstig zu werten. Bei länger andauerndem und schwerem Krankheitsverlauf müssen die erkrankten Hunde häufig euthanasiert werden.
Quellen
- Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3.
- Sprott KR. 2008. Generalized tetanus in a Labrador retriever. Can Vet J. 2008 Dec; 49(12): 1221–1223.