Puerperale Tetanie (Hund)
Synonyme: Puerperaltetanie, Eklampsie
Englisch: puerperal hypocalcemia
Definition
Die puerperale Tetanie, oftmals auch Eklampsie genannt, ist eine systemische Erkrankung im Puerperium der Hündin, die durch eine Hypokalzämie verursacht wird.
Vorkommen
Puerperale Tetanien betreffen v.a. kleine Hunderassen mit überdurchschnittlich guter Laktation. Häufig wird die Hypokalzämie erst postpartum klinisch manifest, kann jedoch in jeder Phase der Trächtigkeit auftreten.
Ätiologie
Die puerperale Tetanie ist eine Stoffwechselstörung, die maßgeblich durch eine Hypokalzämie (Serum-Kalzium < 1,7 mmol/L) gekennzeichnet ist. Prädisponierende Faktoren sind falsche Fütterung, hohe Milchleistung, schlechte Körperkondition und eine große Anzahl an Welpen.
Pathogenese
Die puerperale Tetanie entsteht infolge eines ungleichen Verhältnisses zwischen Kalziumzufuhr und Kalziumabgabe über die Milch. Wird während der Laktation zu wenig Kalzium dem Körper zugeführt, kann der Organismus den erhöhten Kalziumverlust über die Muttermilch nicht mehr kompensieren, sodass es zu einem absoluten Mangel kommt. Wurde der Hündin während der Trächtigkeit zusätzlich Kalzium peroral substituiert, wird die Kalziumhomöostase reflektorisch herunter reguliert. In weiterer Folge entwickelt sich eine klinische Hypokalzämie bei hohem Kalziumbedarf. Oft leiden die Tiere gleichzeitig auch an einer Hypoglykämie.
Die hypokalzämische Krise wird dabei nicht (wie vermutet) von einer unzureichenden Produktion von Parathormon beeinflusst.
Pathophysiologie
Die erniedrigte Kalziumkonzentration in der extrazellulären Flüssigkeit wirkt sich erregend auf die Nerven- und Muskelzellen aus: Das Schwellenpotenzial sinkt, sodass es sich dem Ruhemembranpotenzial annähert. Da sich die positiv geladenen Kalziumionen an den Außenflächen der Natriumkanäle anlagern, kommt es zu einer Öffnung der Kanäle. Die Nervenmembranen werden für Natriumionen durchlässiger, wodurch sie bereits bei geringen elektrischen Änderungen depolarisieren. Es resultiert eine spontane und sich wiederholende Erregung der Nervenfasern, die klinisch als Tetanie in Erscheinung tritt.
Klinik
Das Prodromalstadium ist vorwiegend durch Unruhe, Nervosität, leichtem Muskelzittern, Zuckungen, Wimmern und Tachypnoe gekennzeichnet. Im weiteren Krankheitsverlauf zeigen betroffene Hunde ein steifes Gangbild, werden aggressiv und leiden an Hypersalivation. Sie sind desorientiert und überempfindlich gegenüber äußeren Reizen. Bei schwerem Verlauf setzen generalisierte tonisch-klinische Krämpfe ein, die bis zum Koma und Tod führen können.
Manchmal kommt es zu Hyperthermie sowie bei länger andauernden Anfällen zu einem Hirnödem, Tachykardie, Polyurie, Polydipsie und Erbrechen. Durch das starke Hecheln stellt sich eine respiratorische Alkalose ein, wodurch Hypokalzämie drastisch verschlechtert wird.
Eine Hypokalzämie tritt in der Regel post partum auf, betrifft jedoch selten auch Hündinnen in der präpartalen Phase. Aufgrund der Hypokalzämie kommt es zu ineffektiven Myometriumkontraktionen, die das Fortschreiten der Wehen und somit der Geburt deutlich verzögeren (Dystokie).
Differenzialdiagnosen
Als Differenzialdiagnosen kommen u.a. folgende Erkrankungen in Frage:
- Hypoglykämie anderer Genese
- Intoxikationen (z.B. Methaldehyd)
- primäre neurologische Störungen (z.B. idiopathische Epilepsie)
- Hypoparathyreoidismus
Diagnose
Therapie
Initial ist eine langsame intravenöse Verabreichung von 10%igem Kalziumglukonat (0,5 bis 1,5 ml/kgKG über 10 bis 30 Minuten) zu starten. In den meisten Fällen kommt es rasch zu einer klinischen Besserung der Symptome. Die Substitution darf jedoch nicht zu schnell erfolgen, da es sonst zu einem Herzstillstand kommen kann. Aufgrund dessen ist während der gesamten Infusion sorgfältig die Herzfrequenz mittels EKG zu überwachen.
Nachdem eine klinische Besserung eingetreten ist, kann die parenterale Kalziumverabreichung auf eine orale Substitution umgestellt werden (z.B. 50 bis 100 mg/kgKG/Tag Kalziumlaktat). Parallel dazu empfiehlt sich Vitamin D zu verabreichen, um die Resorption von Kalzium aus der Nahrung zu verbessern (z.B. 0,3 bis 0,6 mg/kgKG/Tag über 3 Tage, dann für mehrere Tage ausschleichen).
Die Welpen dürfen für mindestens 24 Stunden nicht mehr am Gesäuge getränkt werden. Sie sind zwischenzeitlich mit einem Milchaustauscher zu versorgen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Quellen
- Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3
- Hall JA. 2015. Postpartum hypocalcemia, Periparturient hypocalcemia, Puerperal tetany, Eclampsia. MSD Manual, Veterinary Manual.