Antimykotikum
von altgriechisch: ἀντί ("anti") - gegen; μὑκης ("mykes") - Pilz
Synonyme: Mykostatikum, vulgo "Pilzmittel", "Antipilzmittel"
Englisch: antimycotic(s), antimycotic agent, antimycotic drug
Definition
Antimykotika sind Arzneistoffe, die bei Infektionen mit humanpathogenen Pilzen (Mykosen) angewendet werden.
Anwendung
Je nach Infektion können Antimykotika lokal oder systemisch appliziert werden. Insbesondere bei systemisch zu verabreichenden Antimykotika ist auf deren Verträglichkeit und Nebenwirkungsprofil zu achten.
Einteilung
Antimykotika werden i.d.R. anhand ihrer chemischen Struktur oder ihres Wirkmechanismus eingeteilt. Chemisch gesehen unterscheidet man folgende Wirkstoffgruppen:
Polyene
Polyen-Antimykotika bilden einen Komplex mit Ergosterol in der Zellmembran von Pilzen, wodurch sich die Membrandurchlässigkeit erhöht. Polyen-Antimykotika wirken fungizid, haben ein breites Wirkspektrum, weisen kaum Resistenzen auf, sind jedoch sehr toxisch. Wichtige Vertreter sind:
Amphotericin B wurde erstmals in den späten 1950er-Jahren bei systemischen Pilzinfektionen erfolgreich eingesetzt. Es ist bis heute das Antimykotikum mit dem breitesten Wirkungsspektrum. Haupteinsatzgebiete sind invasive Candidosen, Kryptokokkosen und Aspergillosen. Amphotericin B kann nur intravenös angewendet werden. Um die Nephrotoxizität und andere Nebenwirkungen (z.B. Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit, Rigor, Hypotonie) zu senken, wurden Lipidformulierungen entwickelt:
- liposomales Amphotericin B
- Amphotericin B als Lipidkomplex
- kolloidale Dispersion von Amphotericin B (ABCD)
In Entwicklungsländern wird jedoch weiterhin das kostengünstigere Amphotericin-Desoxycholat verwendet.
Nystatin wird nach peroraler Gabe nicht resorbiert. Man wendet es vor allem bei oropharyngealem Soor und vaginaler Candidose an. Prophylaktisch kann es bei Immunsuppression eingesetzt werden.
Azole
Azol-Antimykotika hemmen die Ergosterolsynthese durch Blockade des Enzyms Lanosteroldemethylase. Sie wirken primär fungistatisch, z.T. auch fungizid, weisen ein breites Wirkspektrum auf und sind liquorgängig. Nachteile sind u.a. eine schlechte Verträglichkeit und viele Arzneimittelinteraktionen bei systemischer Anwendung. Man unterscheidet zwischen:
- Triazol-Antimykotika: systemische Anwendung möglich
- Imidazol-Antimykotika: nur zur Lokaltherapie geeignet
Triazole
- Fluconazol p.o. oder i.v.: Candidose, Kryptokokkose, Dermatophytosen. Unwirksam bei Aspergillosen, Mukormykosen sowie Infektionen durch Scedosporium apiospermum. Gegen Candida glabrata und Candida krusei ist es weniger wirksam als neuere Azole. Indikationen sind u.a.:
- Meningitis durch Coccidioides und Cryptococcus
- Candidämie
- Prophylaxe bei Immunsupprimierten (v.a. nach Stammzell- und Lebertransplantation)
- Voriconazol p.o. oder i.v.: Wirksam bei Candida (incl. Candida glabrata und Candida krusei), Aspergillus, Scedosporium, Fusarium und Coccidioides. Mittel der Wahl bei Aspergillose. Nebenwirkungen sind im Vergleich zu Fluconazol häufiger.
- Itraconazol p.o. oder i.v.: Mittel der Wahl bei leichter bis mittelschwerer Histoplasmose und Blastomykose. Effektiv bei chronischer Kokzidioidomykose, Sporotrichose und Infektionen durch Scedosporium apiospermum. Weitere Einsatzgebiete sind oropharyngeale Candidamykose (besonders bei AIDS), Pityriasis versicolor, Tinea capitis und Onychomykose.
- Posaconazol p.o.: größtes Wirkspektrum von allen Triazolen. Wird v.a. bei therapierefraktären Mykosen (invasive Aspergillose, Fusariose, Chromoblastomykose, Kokzidioidomykose) verabreicht. Außerdem zugelassen für die Prophylaxe invasiver Mykosen bei immunsupprimierten Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML), myelodysplastischem Syndrom (MDS) oder Stammzelltransplantation. Weiteres Einsatzgebiet ist die Behandlung der mukokutanen Candidose von Immunsupprimierten und Schwerkranken.
- Isavuconazol: Zugelassen für die Behandlung von Erwachsenen mit invasiver Aspergillose oder Mukormykose. Alternative zu Amphotericin B, z.B. bei Niereninsuffizienz.
- Fosfluconazol: Prodrug von Fluconazol. Keine Zulassung in Deutschland.
Imidazole
- Clotrimazol: bei Candidose. Darf auch in der Schwangerschaft eingesetzt werden.
- Ketoconazol: bei Candidose. Einsatz auch beim Cushing-Syndrom.
- Bifonazol: bei Dermatophytosen. Anwendung auch bei Erythrasma.
- Miconazol
- Econazol
- Oxiconazol
- Tioconazol
Echinocandine
Echinocandine hemmen die Synthese von 1,3-β-D-Glucan und zerstören somit die Zellwand von Pilzen. Bei Candida gelten sie als fungizid, bei Aspergillus als fungistatisch. Echinocandine werden intravenös verabreicht, weisen ein breites Wirkspektrum auf, sind auch in Biofilmen effektiv und haben die höchste Verträglichkeit im Vergleich zu anderen systemischen Antimykotika. Nachteile sind die fehlende Liquorgängigkeit, ihre Hepatotoxizität und die hohen Therapiekosten. Zu den Echinocandinen zählen:
- Caspofungin: Einsatz v.a. bei systemischer Candidose, Candidämie und Candida-Ösophagitis. Reservemedikament bei Aspergillose
- Cilofungin: Entwicklung eigestellt
- Anidulafungin: Zugelassen für die systemische Candidose bei nicht neutropenischen Patienten.
- Micafungin: Anwendung bei Candida-Ösophagitis bzw. ösophagealer Candidose sowie zur Prophylaxe von Candida-Infektionen nach Stammzelltransplantation und bei protrahierter Neutropenie.
Weitere Antimykotika
- Flucytosin wird v.a. in Kombination mit Amphotericin B bei Meningitis durch Cryptococcus und Candida eingesetzt. Der Arzneistoff wird in der Pilzzelle zu 5-Fluoruracil umgewandelt, das zytotoxisch wirkt.
- Ciclopirox ist ein Pyridon-Derivat mit fungizider, antibakterieller und entzündungshemmender Wirkung. Es blockiert die Aufnahme von Eisen, Aluminium, Kalium und Phosphat in die Pilzzelle. Haupteinsatzgebiete sind lokale Pilzinfektionen (Dermatophytosen, Onychomykosen, Pityriasis versicolor, Vaginalmykosen mit Candida, Seborrhoische Dermatitis)
- Allylamine blockieren die Ergosterolsynthese durch Hemmung des Enzyms Squalenepoxidase.
- Naftifin: auch antiinflammatorische und antibakterielle Effekte. Liegt als Gel und Creme zur topischen Anwendung vor und wird v.a. bei Dermatophytosen und Onychomykosen eingesetzt.
- Terbinafin: wird sowohl in Tablettenform als auch als Creme bei Tinea und Onychomykosen eingesetzt.
- Tolnaftat: Ein Thiocarbamat, das vermutlich ebenfalls die Squalenepoxidase hemmt. Topische Anwendung bei Dermatophytosen.
- Amorolfin: Der Wirkstoff zählt zu den Morpholinen. Er hemmt die Ergosterolsynthese über Sterol-Δ14-Reduktase sowie Sterol-Δ8/7-Isomerase). Das Antimykotikum wird bei Dermato- und Onychomykosen angewendet.
- Tavaborol ist eine organische Bor-Verbindung und zählt zu den Oxaborolen. Es hemmt die Proteinsynthese in den Pilzen durch Blockade der Leucyl-tRNA-Synthetase und wird bei Onychomykosen eingesetzt.
- Undecylensäure: Anwendung bei Tinea pedis
- Griseofulvin ist wirksam gegen Dermatophyten (u.a. über Interaktion mit dem Spindelapparat der Pilzzelle). Fertigpräparate sind in Deutschland nicht mehr verfügbar.