Hepatische Lipidose (Katze)
Synonyme: Feline hepatische Lipidose, HL
Definition
Die hepatische Lipidiose ist eine häufige und erworbene hepatobiliäre Erkrankung der Katze.
Vorkommen
Die hepatische Lipidose war lange Zeit die häufigste erworbene hepatobiliäre Erkrankung bei inappetenten oder anorektischen Katzen. Aus bisher (2021) unerklärlichen Gründen, hat die Inzidenz dieser Erkrankung in den letzten Jahren jedoch deutlich abgenommen.
Die Erkrankung kann Katzen jeden Alters betroffen, allerdings handelt es sich in der Regel um mittelalte, kastrierte und meist übergewichtige Tiere.
Ätiologie
Bei der hepatischen Lipidose kommt es zu einer massiven Einlagerung von Triglyzeriden in die Leberzellen. Infolge dessen entwickeln sich schwerwiegende Störungen der Leberfunktion, die ohne aggressive Therapie zum Tod führen.
In den meisten Fällen liegt einer hepatischen Lipidose eine mit Anorexie einhergehende Primärerkrankung zugrunde, z.B. Enteropathie, Cholangitis, Pankreatitis, Harnwegserkrankungen, respiratorische Erkrankungen, Stomatitis oder Neoplasien. Selten entwickelt sich aufgrund eines Futterwechsels oder einer neuen Katze im Haushalt eine hepatische Lipidose.
Die primäre oder idiopathische hepatische Lipidose hingegen ist selten.
Pathogenese
Unabhängig von der Ursache kommt es zu einer negativen Energiebilanz, die wiederum eine vermehrte Sekretion diabetogener Hormone induziert. Infolge dessen wird die hormonsensitive Lipase stimuliert und somit eine vermehrte Lipolyse ausgelöst. Die Aktivität der Lipase wird bei gesunden Katzen normalerweise durch Insulin reguliert und supprimiert. Bei der hepatischen Lipidose liegt aber ein relativer Insulinmangel vor und es wird weniger Insulin sezerniert.
Katzen sind reine Karnivoren und benötigen daher im Vergleich zu omnivoren Spezies 2- bis 3-mal so viele Proteine. Gleichzeitig ist ihr Bedarf an essentiellen Aminosäuren sowie essentiellen Fettsäuren höher als bei Hunden. Bei einem verminderten Proteinangebot können Katzen jedoch weder die Enzyme des Harnstoffzykluses noch die Aminotransferasen adäquat anpassen. Deshalb können sie kaum ihren Proteinstoffwechsel adaptieren, um eine positive Stickstoffbilanz zu wahren. Bei einer anhaltenden Anorexie kommt es daher rasch zu einer Mobilisierung von Lipiden aus peripheren Fettdepots. Da diese allerdings nicht ausreichend in der Leber metabolisiert werden können, reichern sie sich als zytoplasmatische Triglyzeride im Parenchym ab.
Aufgrund des Aminosäuremangels kann der Körper nicht genügend Carnitin hepatisch synthetisieren. Carnitin wird einerseits für den Transport langkettiger Fettsäuren in die Mitochondrien zur β-Oxidation benötigt, andererseits auch für den Transport der Fettsäureester aus den Mitochondrien in das Hepatozytenzytosol und vom Zytosol in das Plasma. Eine weitere Folge der Aminosäuredefizienz ist, dass nicht ausreichend Apolipoproteine synthetisiert werden. Hierdurch wird das erneute Ausschleusen der Triglyzeride aus der Leberzelle zusätzlich erschwert. Durch die intrazelluläre Lipidanlagerung kommt es zur massiven Leberzellschwellung und Verdrängung von Zellorganellen. Es folgt eine beträchtliche Funktionsstörung sowie Zerstörung der normalen Zellarchitektur, wodurch letztendlich eine schwere intrahepatische Cholestase entsteht.
Klinik
Betroffene Katzen leiden über mehrere Tage hinweg an Inappetenz, die mit bis zu 20 % Gewichtsverlust einhergeht. Die Gewichtsabnahme fällt v.a. in der Peripherie auf, während das abdominale Fett erhalten bleibt. Zusätzlich dominieren gastrointestinale Symptome wie Erbrechen, Durchfall oder Obstipation.
Bei einer schweren Hyperkaliämie (seltener auch Hypophosphatämie oder Thiaminmangel) kommt es gleichzeitig zu einer Ventroflexion des Halses. Mit zunehmender Cholestase entwickelt sich Übelkeit, worauf die Katzen mit Hypersalivation reagieren. Bei Fortschreiten der Erkrankung entwickelt sich ein deutlich ausgeprägter Ikterus sowie eine hepatische Enzephalopathie mit entsprechender Klinik (Ataxie, fehlender Drohreflex).
Palpatorisch kann eine nicht-schmerzhafte, weiche und vergrößerte Leber erfasst werden.
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus Anamnese, klinischer Untersuchung, typischer Klinik, Labordiagnostik und Ultraschalluntersuchung.
Nach Rehydratation, Elektrolytsubstitution und Stabilisierung (inkl. Substitution von Vitaminen (Vitamin K, Vitamin B1 und Vitamin B12) kann die Diagnose mithilfe einer Feinnadelaspiration gesichert werden. Eine Biopsie ist nur bei Nichtansprechen auf die Therapie indiziert. Eine Cholezystozentese sollte nur bei ultrasonografisch abnormaler Gallenblasenwand (z.B. Verdickung) durchgeführt werden.
Laboruntersuchung
Hämatologie | Elektrolyt- und Vitaminhaushalt |
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Bei der Harnuntersuchung zeigt sich ein erhöhtes Bilirubin, ein vermindertes spezifisches Harngewicht sowie Ammoniumuratkristalle im Sediment.
Ultraschalluntersuchung
Das Leberparenchym zeigt sich typischerweise sehr echoreich und wirkt vergrößert. Diese Befunde erhärten den Verdacht, schließen eine Erkrankung bei Fehlen jedoch nicht aus. Die Sensitivität einer Ultraschalluntersuchung liegt bei ca. 70 %.
Therapie
Betroffene Katzen müssen initial mit Vollelektrolytinfusionen rehydriert werden (geschätztes Flüssigkeitsdefizit + weitere Verluste + Erhaltungsbedarf). Die Elektrolyte (v.a. Kalium und Phosphat) sind während dieser Zeit engmaschig zu überwachen. Da Katzen mit hepatischer Lipidose oftmals einen gestörten Laktatmetabolismus haben (häufig Hyperlaktatämie), darf keine Ringer-Laktat-Lösung verwendet werden. Eine Verwendung von glukosehaltigen Lösungen ist nur bei Hypoglykämie indiziert und sonst kontraproduktiv. Eine zusätzliche Glukoseinfusion würden zu einer Deregulation der Fettsäureoxdiation sowie zu einer verstärkten Akkumulation von Triglyzeriden führen und zusätzlich die Osmodiurese ankurbeln, wodurch der Elektrolythaushalt weiter gestört wird.
Parallel dazu kann gegen die Übelkeit und das Erbrechen Ondansetron, Metoclopramid, Cisaprid oder Ranitidin eingesetzt werden. Zusätzlich ist auf eine schnelle und konsequente Zwangsfütterung zu achten (bei Bedarf mittels nasogastrischer Sonde). Die verwendete Sondennahrung muss jedoch proteinreich und sondengängig sein (ca. 60 bis 70 kcal/kgKG auf Idealgewicht gerechnet). Bei einer abrupten Verschlechterung (Apathie, Erbrechen) muss an ein mögliches Refeeding-Syndrom gedacht werden.
Sobald die Katze stabilisiert wurde, sollte die Fütterung über eine Ösophagussonde durchgeführt werden. Zusätzlich sind essenzielle Aminosäuren, Vitamine und Antioxidanzien zu supplementieren:
- Arginin: 250 bis 500 mg/Tag p.o. (unterstützt hepatische Fettverbrennung)
- Taurin: 250 mg/Tag p.o. (konjugiert membranozytolytische Gallensäuren)
- Thiamin: 100 mg/Tag p.o.
- Cobalamin: 250 µg s.c.
- Vitamin K: 1 mg/kgKG s.c.
- S-Adenosylmethionin: 30 bis 60 mg/kgKG p.o. 1x täglich
- Vitamin E: 10 I.E./kgKG p.o.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Über die Notwendigkeit einer antibiotischen Therapie finden sich unterschiedliche Meinungen in der Literatur. Zum Einsatz kommen z.B. Ampicillin, Amoxicillin-Clavulansäure und Cephalosporine. Wirkstoffe, die einer hepatischen Metabolisation unterliegen (verschiedene Antibiotika oder Benzodiazepine), sollten hingegen strikt vermieden werden.
Literatur
- Schmidt V, Horzinek MC (Begr.), Lutz H, Kohn B, Forterre F (Hrsg.). 2015. Krankheiten der Katze. 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co KG. ISBN: 978-3-8304-1242-7