Hypomagnesiämie
Englisch: hypomagnesemia
Definition
Ursachen
Eine Hypomagnesiämie kann primär durch kongenitale Genmutationen verursacht werden oder sekundär als Folge anderer Grunderkrankungen auftreten.
Angeborene Magnesiumverlusterkrankungen
Angeborene Hypomagnesiämien sind eher selten. Dazu zählen:
- Intestinal-bedingte Hypomagnesiämie (autosomal-rezessiver Erbgang)
- Primäre Hypomagnesiämie mit Hypokalzurie (autosomal-dominanter Erbgang)
- CASR-Mutationen
- Familiäre Hypomagnesiämie mit Hyperkalziurie und Nephrokalzinose (FHHNSC)
- Gitelman-Syndrom
- Bartter-Syndrom
Sekundäre Ursachen
Unter folgenden Bedingungen kann es zu einer sekundären bzw. erworbenen Hypomagnesiämie kommen:[1]
- Verminderte Zufuhr: einseitige Ernährung, parenterale Ernährung, etc.
- Verminderte Resorption: Malabsorptionsyndrome, Protonenpumpenhemmer[2], Laxantienabusus, Diarrhö
- Erhöhter Bedarf: Leistungssport, Schwangerschaft
- Erhöhte renale Ausscheidung durch Polyurie: Diabetes mellitus, Diabetes insipidus
- Medikamentös: Diuretika, Aminoglykoside, Cisplatin, Ciclosporin A, Amphotericin B[2]
Labordiagnostik
Da knapp ein Drittel des Magnesiums im Blut an Plasmaeiweiß gebunden vorliegt, kann eine Hypoproteinämie (z.B. Hypoalbuminämie) niedrige Magnesiumwerte verursachen, ohne dass das biologisch aktive Magnesium vermindert ist. Zur Berechnung der Magnesiumkonzentration wird daher folgende Formel verwendet, die für die Albuminkonzentration korrigiert.[3]
Beim Erwachsenen beträgt der Körperbestand bei rund 24 g; davon befinden sich etwa 99 % im Intrazellulärraum, davon wiederum etwa 60 % in Knochen und 40 % in der Skelettmuskulatur. Extrazelluläres Mg macht nur ca. 1 %, der Anteil im Serum gerade einmal 0,3 % aus. Da der Serumspiegel trotz intrazellulärem Magnesiummangel relativ lange konstant bleibt, repräsentiert die Messung des Serummagnesiums den Magnesiumhaushalt nicht optimal. Normale Werte schließen einen klinisch manifesten Magnesiummangel nicht aus. Alternativ kann die Magnesiumausscheidung im Urin bestimmt werden.
Klinik
An eine erworbene Hypomagnesiämie sollte gedacht werden bei:[1]
- Neuromuskulärer Hyperexzitabilität, (Tremor[2], Krampfanfälle, Spasmen, Tetanie)
- EKG-Veränderungen: ST-Senkung, T-Abflachung, QT-Verlängerung, Torsade-de-Pointes
- Schwangerschaft: Eklampsie, vorzeitige Wehentätigkeit
- Elektrolythaushalt: unklare Hypokalziämie (Magnesium wird zur Parathormonsekretion benötigt), therapierefraktäre Hypokaliämie
- ZNS/Psyche: Adynamie, Depressionen, Migräne
- chronischem Alkoholabusus
Darüber hinaus wird die Beschleunigung einer Osteoporose diskutiert.
Therapie
Falls möglich, zielt die Therapie auf die Beseitigung der auslösenden Ursache. Die Magnesiumsubstitution richtet sich nach dem klinischen Bild (Symptomatik, Schweregrad), empfohlen wird:[1][4]
- bei Tetanie, Krampfanfällen und Herzrhythmusstörungen mit hämodynamischer Instabilität parenterale Applikation von 1 bis 2 g Magnesiumsulfat (ca. 4 bis 8 mmol Magnesium) über 2 bis 15 Minuten
- bei asymptomatischen Patienten die orale Applikation von 20 bis 30 mmol/d
- bei symptomatischen Patienten die intravenöse Gabe von 50 mmol/d (reduziert auf 37,5 bis 25 mmol bei Niereninsuffizienz)
Beispielhafte Anwendungssituationen sind:
- Torsade-de-Pointes-Tachykardie: intravenöser Bolus von 2 g Magnesiumsulfat über 2 bis 5 min
- Eklampsie: intravenöser Bolus von 4 g Magnesiumsulfat über 15 bis 20 min (falls nicht mit Magnesium vorbehandelt)
- Tokolyse: intravenöser Bolus von 4 g Magnesiumsulfat; Erhaltungsdosis 2 g/h; oder intravenöser Bolus von von 6 g; Erhaltungsdosis von 2 (bis max. 4) g/h[5]
Digitalisinduzierte ventrikuläre Arrhythmien, Extrasystolien und viele tachykarde Rhythmusstörungen können oft durch das Anheben von Magnesium und Kalium auf hochnormale Werte günstig beeinflusst werden.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Rosner MH et al. Acquired Disorders of Hypomagnesemia. Mayo Clin Proc. 2023
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Lazic M et al. Tremor beim polymedizierten Patienten. Swiss Med Forum. 2023
- ↑ Basten M: Beobachtungsstudie zur Bedeutung des ionisierten Magnesiums bei chronischer Niereninsuffizienz, RWTH Aachen University 2019.
- ↑ Suttorp N, Möckel M, Siegmund B, Dietel M: Harrisons Innere Medizin, Georg Thieme Verlag KG 2020.
- ↑ Rath W. Tokolyse. Frauenheilkunde up2date 2021