Thiamin
Synonyme: Vitamin B1, Aneurin
Englisch: thiamine
Definition
Thiamin ist ein wasserlösliches Vitamin aus dem Vitamin-B-Komplex.
Chemie
Thiamin hat die Summenformel C12H17ClN4OS und enthält zwei stickstoffhaltige Ringsysteme. Im menschlichen Organismus kommt Thiamin in nativer oder in phosphorylierter Form als Thiaminmonophosphat (TMP), Thiaminpyrophosphat (TPP) und Thiamintriphosphat (TTP) vor.
Physiologie
Thiamin ist wasserlöslich, hitze-, alkali- und sauerstofflabil. Es wird nicht gespeichert und nicht über den Bedarf hinaus resorbiert. In der Leber in erfolgt die Umwandlung in eine Pyrophosphatform (Coenzym), welche in der Niere dephosphoryliert und so renal eliminiert wird.
Funktion
Das Thiamin hat in Pyrophosphat-Form wichtige Funktionen als Coenzym bei Decarboxylierungen durch bestimmte Enzyme wie zum Beispiel bei
und als Coenzym der Transketolase, einem wichtigen Enzym des Pentosephosphatzyklus.
Thiamintriphosphat (TTP) kommt in hoher Konzentration in Neuronen vor, an deren Axonen es die Funktionalität der Ionenkanäle aufrechterhält.
Vorkommen
Gute Thiaminquellen sind
- Linsen
- Erbsen
- Bohnen
- Grünkohl
- (Vollkorn-)Getreide
- Schweinefleisch
- Hefe
Bedarf
- Frauen: 1,1 mg/d
- Männer: 1,2 mg/d
Pathophysiologie
Da nur eine kleine Menge Thiamin im Körper gespeichert wird, kann dieser unter Umständen schon innerhalb von 14 Tagen abgebaut sein. Ein gravierender bzw. chronischer Thiaminmangel kann zu potentiell schwerwiegenden Komplikationen im Nervensystem, in der Muskulatur, im Herzen und Magen-Darm-Trakt führen. Durch den Mangel kommt es zur Blockade der Transketolasereaktion in Erythrozyten, wodurch ein Anstieg der Pentosephosphate auf das 3fache der Normwerte hervorgerufen wird. Dies kann sich durch erhöhte Pyruvat- u. Laktatblutspiegel äußern.
Thiaminmangel erzeugt u.A. das Krankheitsbild Beriberi, das verschiedene Verlaufsformen mit vordergründig neurologischer oder kardiologischer Symptomatik besitzt. Es wird auch Wernicke-Enzephalopathie, Korsakow-Syndrom oder auch kombiniert Wernicke-Korsakow-Syndrom genannt.
Die Symptome der Beriberi sind auf massive Störungen der Energieverwertung durch den Organismus zurückzuführen. Es kommt unter anderem zur Muskelschwäche, Herzversagen, Neuropathien und Zuständen von Verwirrtheit. Frühsymptome sind oft unspezifisch und vielfältig.
Thiaminmangelzustände treten in Ländern der Dritten Welt immer noch zu häufig auf, und werden in industrialisierten Ländern für selten gehalten. In den entwickelten Ländern sind jedoch u.A. betroffen bzw. gefährdet:
- Diabetiker: Bei Diabetikern wurde im Vergleich zu Gesunden eine um 75 Prozent geringere Thiaminkonzentration im Plasma gefunden. Einsatz von hochdosiertem Thiamin, beziehungsweise seinem Vorläufer Benfothiamin, hat Erfolge bei der Behandlung der diabetischen Retinopathie, Neuropathie und Nephropathie gezeigt.
- Senioren
- Patienten mit Morbus Crohn
- Unausgewogen ernährte Alkoholiker
- Patienten beim Alkoholentzug
Zudem ist eine (vermutlich grosse) Dunkelziffer zu erwarten unter Personen deren Ernährung einen großen Bestandteil an Produkten aus (fast) ausschließlich Auszugsmehl und viel Zucker enthält (unspezifische Frühsymptome).
Die Beriberi tritt in Ländern der Dritten Welt bei Verzehr von poliertem Reis (Schale enthält das Thiamin) als Hauptnahrungsmittel auf.
Erhöhter Thiaminbedarf besteht während der Schwangerschaft und Stillzeit, bei Dialysepatienten und Fieberzuständen.
Bei einer Überdosierung können folgende Symptome auftreten:
- Kopfschmerzen
- Muskelschwäche
- Paralyse
- Herzrhythmusstörungen
- allergische Reaktionen: i. v. Injektion kann u. U. einen tödlichen anaphylaktischen Schock auslösen
Labormedizin
Material
Für die Untersuchung werden 5 ml EDTA-Blut benötigt.
Referenzbereich
- 20-100 ng/ml
- Umrechnung: ng/ml x 3,75 = nmol/l
Interpretation
Erniedrigte Werte
- Alimentäre Ursachen
- einseitige Ernährung (Alkoholiker)
- Kaffee, Tee und einige Fischarten (roh) enthalten Thiaminasen (Abbau vor Resorption)
- Malabsorptionssyndrome
- Maldigestionssyndrome
- Erhöhter Bedarf:
- Schwangerschaft
- Laktation
- schwere körperliche Arbeit
Erhöhte Werte
- Überdosierung von Vitaminpräparaten
- Leukämien
- Morbus Hodgkin
- Polycythaemia vera
Therapie
Die Supplementation mit Thiamin, oder Benfotiamin, soll bei Patienten mit Thiaminmangel oder assoziierten Erkrankungen unter ärztlicher Aufsicht stattfinden.
um diese Funktion zu nutzen.