Enzym
von altgriechisch: énzymon, abgeleitet von en - in und zýmē - Sauerteig, Hefe
Synonym: Ferment
Englisch: enzyme
Definition
Ein Enzym ist ein biochemischer Katalysator, der die Umsetzung eines für ihn spezifischen Substrats unterstützt, selbst aber nicht chemisch verändert wird. Die meisten Enzyme gehören zur Stoffgruppe der Proteine, mit Ausnahme der Ribozyme, die aus RNA aufgebaut sind.
Biochemie
Enzyme setzten die für die Reaktion nötige Aktivierungsenergie herab und ermöglichen so eine Reaktion, die ohne sie nicht oder wesentlich langsamer möglich wäre. Sie binden spezifisch ein oder einige wenige Substrate, indem sie mit ihnen einen reversiblen Enzym-Substrat-Komplex bilden. Bei der Reaktion ist die Substratbindungsstelle, das aktive Zentrum, von Bedeutung, das für die spezifische Substratbindung und die katalytische Aktivität verantwortlich ist. Es besteht aus speziell gefalteten Teilen der Polypeptidkette oder reaktiven Nicht-Protein-Anteilen des Enzyms.
Die spezielle Hohlstruktur im Enzym bewirkt, dass das aktive Zentrum mit einem passenden Substrat in Kontakt treten kann. Enzyme können dadurch nur ein bestimmtes oder einige wenige Substrate umsetzen, was Substratspezifität genannt wird. Des Weiteren ist ein Enzym nur in der Lage, eine bestimmte Reaktion zu katalysieren, was man Reaktionsspezifität nennt. Ein Substrat kann dagegen von unterschiedlichen Enzymen umgesetzt werden.
An den komplexen biochemischen Reaktionen der meisten Stoffwechselwege sind mehrere Enzyme beteiligt. Bestimmt ein Enzym maßgeblich die Reaktionsgeschwindigket eines Stoffwechselwegs, nennt man es Schrittmacherenzym. Enzyme, die in einem Stoffwechselweg stark exergone Reaktionen katalysieren, die in der Zelle nicht mehr umkehrbar sind, bezeichnet man als Schlüsselenzyme.
Enzymkinetik
Die Enzymaktivität, einer der Parameter der Enzymkinetik, ist von äußeren Faktoren abhängig. Dazu zählen vor allem:
- Temperatur: Eine Temperaturerhöhung vermag die Geschwindigkeit einer enzymatischen Reaktion zu steigern, jedoch nur dann, wenn durch die erhöhte Temperatur die Enzymproteine nicht denaturieren (= Temperaturoptimum). Grundlage für dies ist die RGT-Regel (Reaktions-Geschwindigkeits-Temperatur Regel): Sie besagt, dass - wenn sich die Temperatur um 10°C erhöht - sich die Reaktionsgeschwindigkeit verdoppelt, solange diese Temperatur das Temperaturoptimum nicht überschreitet.
- pH-Wert: Auch pH-Wert-Änderungen haben einen Einfluss auf die Enzymaktivität, da die Enzymkatalyse häufig vom Zustand dissoziierbarer Gruppen am Enzym oder Substrat abhängt. Deswegen haben alle Enzyme bei einem bestimmten pH-Wert ihre optimale Wirksamkeit, das pH-Optimum. Schwankt der pH-Wert stark, können Enzyme ihre Konformation verändern oder ganz denaturieren.
Nomenklatur
Enzymnamen enden meistens mit der Silbe -ase, z.B. Lipase, Amylase, Proteinase. Ausnahmen sind die Protein abbauenden Enzyme Trypsin und Chymotrypsin aus der Bauchspeicheldrüse sowie das im Magen wirksame Pepsin; sie haben ihre traditionellen Trivialnamen beibehalten. Die Benennung kann anhand zweier Eigenschaften geschehen:
- Substrat: z.B. Lipasen, die Lipide spalten
- Reaktion: z.B. Hydrolasen, die ihre Substrate hydrolytisch spalten
Klassifizierung
Enzyme können anhand ihres molekularen Aufbaus klassifiziert werden.
Reine Protein-Enzyme
Sie bestehen vollständig aus Proteinen. Das aktive Zentrum wird bei ihnen von bestimmten Aminosäureresten gebildet. Zu dieser Gruppe gehören z.B. die Hydrolasen.
Holoenzyme
Holoenzyme bestehen aus einem Proteinanteil, dem Apoenzym, und einem Nicht-Protein-Anteil, dem Cofaktor, der das Apoenzym aktiviert. Cofaktoren können anorganische Ionen (z.B. Eisen- oder Mangan-Ionen) oder organische Moleküle (Coenzyme) sein. Einige Holoenzyme benötigen sowohl ein Coenzym als auch ein oder mehrere Metallionen für ihre Aktivität. Cofaktoren können fest oder temporär an das Apoenzym gebunden sein. Ein über kovalente Bindung dauerhaft gebundener Cofaktor heißt prosthetische Gruppe. Da er bei der katalysierten Reaktion häufig verändert wird, muss er regeneriert werden. Ein Beispiel ist das Häm im Hämoglobin-Molekül.
Ribozyme
Ribozyme sind RNA-Moleküle mit katalytischer Aktivität. Zu ihnen gehört das bei Eukaryoten vorhandene Spliceosom.
Systematik
Nach internationalem Standard lassen sich Enzyme aufgrund der von ihnen katalysierten Reaktionen in sechs Klassen einteilen, denen jeweils eine EC-Nummer (Enzyme Commission) zugeordnet wird:
- Gruppe I: Oxidoreduktasen
- Gruppe II: Transferasen
- Gruppe III: Hydrolasen
- Gruppe IV: Lyasen (Synthasen)
- Gruppe V: Isomerasen
- Gruppe VI: Ligasen (Synthetasen)
- Gruppe VII: Translokasen
Enzymhemmung
Man unterscheidet vier Formen der Enzymhemmung:
Kompetitive Hemmung
Der Hemmstoff (Inhibitor) konkurriert mit dem Substrat aufgrund der Ähnlichkeit ihrer chemischen Strukturen um das aktive Zentrum. Der Inhibitor kann vom Enzym nicht umgesetzt werden und inhibiert dadurch die Enzymaktivität. Nimmt die Konzentration des Hemmstoffes ab und die Substratkonzentration zu, kann das Enzym wieder arbeiten.
Somit haben reversible kompetitive Inhibitoren keinen Einfluss auf die maximale Reaktionsgeschwindigkeit Vmax. Erhöht wird jedoch die Michaeliskonstante, da in Anwesenheit eines kompetitiven Inhibitors eine höhere Substratkonzentration notwendig ist, um die halbmaximale Umsetzungsgeschwindigkeit zu erreichen.
siehe auch: Kompetitive Hemmung
Nichtkompetitive Hemmung
Bei einer nichtkompetitiven Hemmung erfolgt keine Anlagerung des Inhibitors an das aktive Zentrum des Enzyms, sondern an eine andere Stelle. Diese Bindung führt zu einer Konformationsänderung des Enzyms, das dadurch inaktiviert wird. Die Substratbindung selbst wird nicht beeinträchtigt. Die Bindung des Inhibitors und die Inaktivierung des Enzyms finden daher auch unabhängig vom Substrat statt. Eine Aufhebung der Hemmung durch eine erhöhte Substratkonzentration ist nicht möglich.
Ein nichtkompetitiver Inhibitor verändert für die katalytische Aktivität wichtige Gruppen des Enzymmoleküls. Diese Veränderungen sind häufig irreversibel, beispielsweise bei Einwirkung von Schwermetallionen auf Enzymproteine. Bei einer nichtkompetitiven Hemmung wird Vmax demnach herabgesetzt, jedoch bleibt die Michaeliskonstante unverändert.
Allosterische Hemmung
Der Inhibitor bindet bei dieser Form der Hemmung reversibel am allosterischen Zentrum des Enzyms und verändert so die Form des aktiven Zentrums, sodass das Substrat nicht mehr in das Enzym passt. Durch eine Substratkonzentrationserhöhung kann der Inhibitor aus dem Enzym verdrängt werden.
siehe auch : Allosterische Hemmung
Feedback Hemmung
Die Feedback Hemmung ist eine Variante der allosterischen Hemmung, nur dass hierbei das Endprodukt als Inhibitor dient, dadurch entsteht automatisch ein Regelkreis. Diese auch als Endprodukthemmung bezeichnete Variante sorgt dafür, dass ein Stoff nur so lange synthetisiert wird, bis eine gewisse Konzentration vorliegt. Dadurch spart der Organismus Rohstoffe und Energie. Eine Feedback-Hemmung ist oft bei Multienzymkomplexen vorzufinden.
siehe auch: Enzymhemmung
Bedeutung
Im menschlichen Organismus sind hunderte Enzyme aktiv. Inaktive Enzyme, verursacht etwa durch Mutationen der kodierenden Gene, Hemmung oder fehlende Cofaktoren (z.B. Vitamine), können genetisch oder erworben sein und lösen teils nicht oder schwer behandelbare Erkrankungen aus.
Enzyme spielen in der Industrie eine wichtige Rolle, etwa bei Waschmitteln, denen Lipasen zur Erhöhung der Reinigungsleistung zugesetzt werden. Da sie unter extremen Bedingungen, in diesem Fall stark alkalischer Umgebung, aktiv sind, spricht man hier von Extremozymen. Enzyme werden auch zur Herstellung einiger Medikamente und Insektenschutzmittel verwendet. Bei der Käseherstellung wirkt das Labferment mit, ein Enzym, das aus Kälbermägen gewonnen wird. Viele Enzyme können heute mithilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt werden.
um diese Funktion zu nutzen.