Präeklampsie
von lateinisch: prae - vor und altgriechisch: ἐκλάμπειν ("eklampein") - hervorstrahlen
Synonyme: EPH-Syndrom, Spätgestose, Schwangerschaftsvergiftung, EPH-Gestose (obsolet),
Englisch: preeclampsia, edema proteinuria hypertension gestosis (obsolet)
Definition
Als Präeklampsie bezeichnet man das gemeinsame Auftreten einer Hypertonie mit mindestens einer weiteren Organmanifestation (meistens Proteinurie) während der Schwangerschaft. Sie gehört zur Gruppe der hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen. Die Präeklampsie ist eine Vorstufe der Eklampsie.
ICD10-Codes
- O14.-: Präeklampsie (Gestationshypertonie mit bedeutsamer Proteinurie)
- O14.0: Leichte bis mäßige Präeklampsie
- O14.1: Schwere Präeklampsie
- O14.2: HELLP-Syndrom
- O14.9: Präeklampsie, nicht näher bezeichnet
- O11: Pfropfpräeklampsie
- O15.-: Eklampsie
Epidemiologie
Die europaweite Inzidenz der Präeklampsie wird mit ca. 2 % aller Schwangerschaften angegeben.
Ätiologie
Die genauen Ursachen der Präeklampsie sind zur Zeit (2024) noch nicht vollständig geklärt. Es werden genetische und immunologische Faktoren diskutiert – sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits. Der wesentliche pathogenetische Auslöser ist wahrscheinlich eine gestörte Invasion des Trophoblasten, die zu einer Fehlentwicklung des plazentaren Gefäßsystems führt. Die Spiralarterien wachsen nicht ausreichend in das Myometrium ein und das Remodeling der kleinen Spiralarterien zu großlumigen Gefäßen unterbleibt. Insgesamt kommt es dadurch zu einer Erhöhung des uteroplazentaren Gefäßwiderstands.
Pathophysiologie
Die Präeklampsie ist ein komplexer pathophysiologischer Prozess, bei dem im Grunde alle Organsysteme der Mutter betroffen sein können.
Die Nieren sind durch eine Abnahme der GFR um bis zu 50 % des Ausgangswertes betroffen, was sich durch eine Oligurie äußern kann. In einem Teil der Fälle kommt es zur Beteiligung der Leber und zur Ausbildung von Gerinnungsstörungen. Mögliche Veränderungen sind Hämolyse, Erhöhung der Transaminasen, Thrombozytopenie und Verbrauchskoagulopathie mit Hypofibrinogenämie und Erhöhung der D-Dimere. Ein Teil dieser Komplikationen ist unter dem Begriff des HELLP-Syndroms (Hemolysis, Elevated Liver Enzymes, Low Platelets) zusammengefasst.
Mögliche fetale Komplikationen der Präeklampsie umfassen Wachstumsstörungen, eine vorzeitige Plazentalösung und im schlimmsten Fall den intrauterinen Fruchttod (IUFT).
Die Präeklampsie kann unvermittelt in eine Eklampsie mit maternalen Krampfanfällen übergehen. Bei einer Eklampsie ist die kindliche und mütterliche Prognose nochmals erheblich verschlechtert.
Risikofaktoren
Wenn einer oder mehrere der folgenden Faktoren vorliegen, ist das Risiko für eine Präeklampsie erhöht:
- Alter unter 18 oder über 35
- Erstschwangerschaft
- Mehrlingsschwangerschaft
- Präeklampsie bei vorhergehenden Schwangerschaften oder in der Familienanamnese
- Hypertonie oder Gestationshypertonie (SIH) in der Anamnese
- Diabetes mellitus
- Adipositas
- Gefäßerkrankung
- Antiphospholipid-Antikörper
Anhand des sogenannten Präeklampsie-Screenings kann in der Frühschwangerschaft das individuelle Risiko einer Präeklampsie mithilfe von verschiedenen Scores kalkuliert werden. Bei einem positiven Screening wird eine medikamentöse Prophylaxe mit Acetylsalicylsäure (100 bis 150 mg tgl.) empfohlen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Symptomatik
Die Kardinalsymptome der Präeklampsie sind:
- Hypertonie (> 140/90 mmHg bzw. Anstieg um 30 mmHg systolisch und 15 mmHg diastolisch)
- Proteinurie (> 0,3 g/d im 24-Stunden-Sammelurin bzw. ein Protein-/Kreatinin-Quotient von ≥ 30 mg/mmol im Spontanurin)
Neben dem Begriff der Präeklampsie besteht auch die nach neuen Klassifikationen veraltete Krankheitsbezeichnung einer EPH-Gestose, die zusätzlich die Ödembildung als Symptom führt.
Von einer schweren Eklampsie spricht man, wenn folgende Befundkonstellation vorliegt:
- Hypertonie > 170/110 mmHg
- Proteinurie > 5 g/d
- Nierenfunktionsstörung: Serumkreatinin > 0,9 g/l oder Oligurie < 500 ml/d. Als wichtiger Verlaufsparameter zur Beurteilung der Nierenbeteiligung dient die Serumkonzentration der Harnsäure. Ein übermäßiger Anstieg (> 6 mg/dl) ist ein ungünstiges Zeichen.
- Leberbeteiligung: Oberbauchschmerz, ALAT und ASAT erhöht
- Lungenödem mit Dyspnoe und Zyanose
- Hämolyse
- Thrombozytopenie
- Neurologische Symptome: Kopfschmerz, Schwindel, Sehstörungen, Hyperreflexie
- Nausea
- Wachstumsstörung des Kindes (IUGR)
Im klinischen Alltag sind die Übergänge zwischen den Schweregraden fließend. Nicht jedes der aufgeführten Symptome hat schwerwiegende Konsequenzen für den Schwangerschaftserhalt.
Diagnostik
Die klassische Diagnostik im Rahmen einer stationären Aufnahme zum Ausschluss eine Präeklampsie besteht aus:
- Fetometrie mit Doppler-Sonographie (insbesondere Arteria uterina beidseits)
- mind. 5x tgl. Blutdruckmessungen ggf. 24h Langzeit-Blutdruck
- 1x täglich CTG
- regelmäßige Gewichtskontrollen
- Basislabor
- U-Status mit Protein/Kreatinin-Quotient
- 24-Stunden-Sammelurin: Gesamteiweiß im Urin ↑
- Retentionswerte: erhöht
- Blutbild: Hämatokrit ↑, Thrombozyten ↓
- Leberwerte: GOT, GPT und Bilirubin sind erhöht
- Hämolyseparameter: Haptoglobin ↓, LDH ↑
- Gerinnungsfaktoren: AT-III ↓, Fibrinogen ↓, Quick-Wert ↓, PTT ↑ und D-Dimere ↑
- Gesamteiweiß im Serum ↓
PlGF und sFlT-1
Bei Frauen mit Präeklampsie finden sich veränderte Serumspiegel für PIGF, den "placental growth factor", und sFlt-1 (soluble fms-like tyrosine kinase-1), auch VEGF-Rezeptor-1 genannt. Darüber hinaus kann durch den Nachweis der PlGF- und sFlt-1-Konzentrationen im Blut eine normale Schwangerschaft von einer mit Präeklampsie einhergehenden Schwangerschaft noch vor dem Auftreten der klinischen Symptome eingegrenzt werden.
In einer normalen Schwangerschaft steigt der pro-angiogenetische Faktor PlGF während der ersten beiden Trimester an und fällt gegen Ende der Schwangerschaft ab. Im Gegensatz dazu bleibt der anti-angiogenetische Faktor sFlt-1 während des frühen und mittleren Stadiums der Schwangerschaft gleich. Danach steigt er bis zum Ende der Schwangerschaft ständig an.
Bei Frauen, die eine Präeklampsie entwickeln, konnten höhere sFlt-1-Konzentrationen und niedrigere PlGF-Konzentrationen festgestellt werden, als bei normal verlaufenden Schwangerschaften. Dabei ist der sFlt-1/PlGF-Quotient ein besserer Prädiktor für Präeklampsie als die jeweilige Bestimmung der Biomarker für sich alleine (s.o. Präeklampsiescreening).
Therapie
Die einzige verfügbare Therapieoption ist die Entbindung der Patientin. Der Zeitpunkt der Entbindung ist von Schwere, dem klinischen Gesamterscheinungsbild und der Schwangerschaftswoche abhängig. Die Entbindung kann durch Weheninduktion als normale Geburt oder durch einen Kaiserschnitt erfolgen.
Tritt eine Präeklampsie vor der 32. SSW auf, kann nach der Krankenhausaufnahme eine Blutdruckeinstellung (Alpha-Methyldopa, Dihydralazin, Urapidil, Betablocker) angestrebt werden. Eine sorgfältige Flüssigkeitsbilanzierung ist zur Verhinderung eines Lungenödems unerlässlich. Eine fetale Lungenreifungstherapie mit Glukokortikoiden (induziert Surfactantbildung) sollte bei Progredienz der Befundkonstellation und Klinik der Patientin ebenfalls erfolgen (vor 34+0 SSW). Eine Prophylaxe von Krampfanfällen kann durch die intravenöse Gabe von Magnesiumsulfat unter engmaschigen klinischen Kontrollen (Muskeleigenreflexe, Atemfrequenz) und Serumspiegelbestimmungen erfolgen. Dies kann unter Umständen auch peri- bzw. postpartal notwendig sein.
Bei Auftreten jeglicher Komplikationen ist jedoch auch in diesen Fällen eine Entbindung zu befürworten. Durch Fortschritte in der Neonatologie hat sich die Prognose bei Frühgeburten erheblich verbessert.
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 08.06.2021