Hypofibrinogenämie
Englisch: hypofibrinogenemia
Definition
Die Hypofibrinogenämie bezeichnet eine verminderte plasmatische Fibrinogenkonzentration. Klinisch relevant ist sie als Ausdruck einer gestörten Hämostase mit erhöhter Blutungsneigung. Sie tritt überwiegend sekundär im Rahmen akuter oder chronischer Erkrankungen auf und ist nur selten primär genetisch bedingt.
Hintergrund
Fibrinogen ist ein in der Leber gebildetes Akute-Phase-Protein, das eine zentrale Rolle in der Hämostase spielt.
Ätiologie
In der klinischen Praxis überwiegen sekundäre Ursachen. Typische Auslöser sind:
- akute Verbrauchskoagulopathie, insbesondere bei disseminierter intravasaler Gerinnung
- schwere Blutungen und Massivtransfusion
- Polytrauma
- Sepsis und septischer Schock
- schwere Lebererkrankungen mit Synthesestörung
- akute Leukämien
- Thrombolysetherapie
Primäre, hereditäre Formen sind selten und umfassen:
- angeborene Afibrinogenämie
- angeborene Hypofibrinogenämie
- kombinierte Hypo- und Dysfibrinogenämien
Diese manifestieren sich meist bereits im Kindes- oder jungen Erwachsenenalter durch spontane oder traumabedingte Blutungen.
Pathophysiologie
Bei sekundären Formen steht entweder ein gesteigerter Verbrauch oder eine verminderte Synthese im Vordergrund. Im Rahmen der disseminierten intravasalen Gerinnung kommt es zu einer systemischen Aktivierung der Gerinnung mit konsekutivem Verbrauch von Fibrinogen. Bei Leberinsuffizienz ist die hepatische Synthese eingeschränkt. Massivtransfusionen führen durch Verdünnungseffekte zu einem relativen Fibrinogenmangel, der oft früher auftritt als Defizite anderer Gerinnungsfaktoren.
Ein niedriger Fibrinogenspiegel resultiert in einer instabilen Fibrinpolymerisation und unzureichender Thrombusfestigkeit, was die Blutungsneigung deutlich erhöht.
Klinik
Die klinische Präsentation ist abhängig von Ausmaß und Ursache. Leichte Hypofibrinogenämien können asymptomatisch sein. Bei ausgeprägtem Mangel treten auf:
- verlängerte Blutungen nach Verletzungen oder Operationen
- Schleimhautblutungen
- Hämatomneigung
- gastrointestinale oder urogenitale Blutungen
In der Notfall- und Intensivmedizin ist die Hypofibrinogenämie ein prognostisch ungünstiger Marker bei Trauma, Sepsis und schwerer Blutung und geht mit erhöhter Mortalität einher.
Diagnostik
Die Bestimmung der Fibrinogenkonzentration erfolgt quantitativ, meist nach der Clauss-Methode. Der Referenzbereich liegt bei Erwachsenen in der Regel zwischen 1,5 und 4,5 g/L. Werte unter 1,5 g/L gelten als pathologisch, bei schweren Blutungen werden Zielwerte von mindestens 1,5 bis 2,0 g/L angestrebt.
Hinweis: Referenzwerte sind häufig vom Messverfahren abhängig und können von den o.a. Werten abweichen. Ausschlaggebend sind die Referenzwerte, die vom Labor angegeben werden, das die Untersuchung durchführt.
Die Diagnostik erfolgt immer im Gesamtkontext der Gerinnungsanalyse mit INR, aPTT, Thrombozytenzahl und gegebenenfalls D-Dimeren. Bei Verdacht auf eine Verbrauchskoagulopathie ist eine engmaschige Verlaufskontrolle erforderlich.
Therapie
Die Behandlung richtet sich primär nach der Ursache. Bei klinisch relevanter Blutung oder hohem Blutungsrisiko ist eine gezielte Substitution indiziert. Therapeutische Optionen sind:
- Fibrinogenkonzentrat als Mittel der Wahl
- frisch gefrorenes Plasma bei zusätzlichem Mangel weiterer Gerinnungsfaktoren
In der Akut- und Traumaversorgung wird eine frühzeitige Fibrinogensubstitution empfohlen, da Fibrinogen häufig der limitierende Faktor der Gerinnung ist. Zielwerte orientieren sich an Leitlinien und dem klinischen Bild.
Eine isolierte, asymptomatische Hypofibrinogenämie ohne Blutungszeichen erfordert in der Regel keine Substitution, jedoch eine Ursachenabklärung.
Literatur
- AWMF: S2K-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie, abgerufen am 16.12.2025
- Reitgruber et al., Internistische Intensivmedizin für Einsteiger, Springer-Verlag 2021, abgerufen am 16.12.2025
- Fries et al., Gerinnungsmanagement in der Intensivmedizin, Springer-Verlag 2014, abgerufen am 16.12.2025