Antenatale Kortikosteroidtherapie
Synonym: Lungenreifeinduktion, Lungenreifeförderung
Abkürzung: ANS
Englisch: antenatal corticosteroids for fetal lung maturity, induced lung maturation
Definition
Die antenatale Kortikosteroidtherapie, kurz ANS, bezeichnet die Gabe von Glukokortikoiden vor der 35. Schwangerschaftswoche (SSW) bei drohender Frühgeburt, wodurch die fetale Surfactant-Produktion und damit die Lungenreifung angeregt werden soll. Sie erfolgt zur Prophylaxe des Atemnotsyndrom des Frühgeborenen (IRDS).
Hintergrund
Eine ausreichene Auskleidung des Alveolarepithels mit Surfactant besteht in der Regel erst ab der 35. Schwangerschaftswoche. Bei einer Frühgeburt und noch unreifer Lunge besteht somit die Gefahr von kollabierenden Alveolen bzw. einer unzureichenden Entfaltung der Lunge und dem daraus resultierenden IRDS.
Geschichte
1972 zeigten G. C. Liggins und R. N. Howie erstmals positive Effekte einer Lungenreifeinduktion bei Föten durch pränatale Gabe von Glukokortikoiden an Schwangere.
Wirkmechanismen
Eine Lungenreifeinduktion mit Glukokortikoiden beschleunigt die Entwicklung und Differenzierung von Pneumozyten Typ I und Typ II. Sie fördert die Produktion von Phospholipiden zur Bildung von Surfactant sowie die Freisetzung von Antioxidantien.
Folgen sind eine Maximierung des Lugenvolumens und der Compliance der Lunge.
Indikationen
- bei drohender Frühgeburt vor der SSW 34 + 0
- bei drohender Frühgeburt in der SSW < 24 + 0, wenn eine neonatal-intensivmedizinische Maximaltherapie geplant ist
- wenn vor der SSW 29 + 0 bereits vor über sieben Tagen eine Kortikosteroidgabe erfolgt ist und nun ein zunehmendes Risiko einer unmittelbaren Frühgeburt besteht
Kontraindikationen
Folgende Maßnahmen sind nicht empfohlen:
- Kortikosteroidgabe bei drohender Frühgeburt zwischen der SSW 34 + 1 und 36 + 5 (Gefahr von psychomotorischen Entwicklungsstörungen)
- "Schnellreifung" durch Verkürzung des Abstands auf 12 statt 24 Stunden (Gefahr der nekrotisierenden Enterokolitis)
Vorgehen
Zur Induktion der Lungenreife werden der Schwangeren zweimal im Abstand von 24 Stunden 12 mg Betamethason intramuskulär injiziert. Alternativ eignet sich auch die intramuskuläre Gabe von 6 mg Dexamethason insgesamt vier mal im Abstand von je 12 Stunden zur Lungenreifebehandlung. Allerdings gibt es Hinweise auf ein schlechteres neurologisches Outcome der Neugeborenen, sodass Dexamethason in Deutschland nur noch selten eingesetzt wird.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Literatur
- S2k-Leitlinie Prävention und Therapie der Frühgeburt Stand Februar 2020
- Liggins GC, Howie RN. A controlled trial of antepartum glucocorticoid treatment for prevention of the respiratory distress syndrome in premature infants. Pediatrics. 1972 Oct;50(4):515-25.