Hypertrophe Kardiomyopathie
Synonyme: Familiäre hypertrophie Kardiomyopathie, FHC
Englisch: hypertrophic cardiomyopathy, familial hypertrophic cardiomyopathy
Definition
Die hypertrophe Kardiomyopathie, kurz HCM, ist eine Muskelerkrankung des Herzens (Kardiomyopathie), die durch Mutationen verschiedener myokardialer Strukturproteine gekennzeichnet ist und meist autosomal-dominant vererbt wird. Sie führt überwiegend zu einer asymmetrischen Hypertrophie des linken Ventrikels, die nicht durch Druck- oder Volumenbelastung bedingt ist.
Epidemiologie
Die HCM hat eine Prävalenz von etwa 0,02 % in der Allgemeinbevölkerung und ist damit zwar selten, aber die häufigste genetische Kardiomyopathie. Sie ist der häufigste Auslöser eines plötzlichen Herztods (SCD) bei Säuglingen, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Ursache
Bei der hypertrophen Kardiomyopathie handelt es sich überwiegend um eine autosomal-dominante Erkrankung mit unvollständiger Penetranz. Autosomal-rezessive, X-chromosomale und mitochondriale Formen sind beschrieben. Es existiert eine Vielzahl an möglichen Genmutationen, insbesondere der am Aufbau des Sarkomers beteiligten Strukturproteine. Betroffene Gene sind u.a.:
- MYBPC3 (myosinbindendes Protein) auf Chromosom 11: 30 bis 40 %
- MYH7 (schwere Myosinkette) auf Chromosom 14: 20 bis 30 %
- TNNT2 (kardiales Muskeltroponin) auf Chromosom 1: 10 %
- TNNI3 (Troponin I Typ 3) auf Chromosom 19: 7 %
- MYL2 (leichte Myosinkette 2) auf Chromosom 12: 4 %
- MYL3 (leichte Myosinkette 3) auf Chromosom 3: 2 %
- TPM1 (Tropomyosin 1) auf Chromosom 15: 1 %
Auch ein syndromales Aufteten, z.B. beim Noonan-Syndrom, bei der Friedreich-Ataxie oder im Rahmen einer Embryopathia diabetica ist möglich.
Pathophysiologie
Bei der hypertrophen Kardiomyopathie kommt es zu einer Verdickung der Muskulatur des linken Ventrikels (> 12 bis 15 mm diastolisch) ohne begleitende Dilatation. In 15 bis 17 % findet sich eine assoziierte rechtsventrikuläre Hypertrophie.
In 70 % der Fälle liegt eine Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes (LVOT) vor. Man spricht dann von einer hypertroph-obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM). Sie ist definiert durch einen LVOT-Gradienten > 30 mmHg, wobei man ab 50 mmHg von einer hämodynamischen Relevanz ausgeht. Die Obstruktion betrifft meist das basale Septum.
Weiterhin ist die HCM mit einem "Systolic Anterior Movement" (SAM) des anterioren und seltener des posterioren Mitralklappensegels assoziiert. Ein SAM kann die LVOT-Obstruktion verstärken.
Weitere assoziierte Begleitbefunde sind:
- Mitralklappeninsuffizienz: klassischerweise nach posterior gerichtet
- linksatriale Dilatation
- Pathologien der Papillarmuskeln: z.B. Hypertrophie oder direkter Ansatz am anterioren Segel der Mitalklappe.
Einteilung
...nach Hämodynamik
- HCM ohne dynamische Obstruktion (auch: hypertrophe nicht-obstruktive Kardiomyopathie, HNCM)
- HCM mit dynamischer Obstruktion (auch: hypertroph-obstruktive Kardiomyopathie, HOCM)
- Endstadium der HCM ("burned-out phase"): systolische Dysfunktion mit linksventrikulärer Ejektionsfraktion von < 50 %
...nach Morphologie
Asymmetrische HCM
Die mit 60 bis 70 % häufigste Form ist die asymmetrische HCM, bei der meist die basalen anteroseptalen und angrenzenden basalen anterioren Segmente hypertrophiert sind. Die daraus resultierende Verengung des LVOT können zu einer dynamischen Obstruktion führen. Charakteristisch sind eine Septumdicke von ≥ 15 mm und ein Verhältnis des Septums zur inferolateralen Ventrikelwand von > 1,3 bis 1,5.
Konzentrische HCM
Die zweithäufigste Form ist die konzentrische HCM, bei der es zu einer diffusen linksventrikulären Hypertrophie kommt. Dabei müssen eine reaktive Hypertrophie aufgrund einer erhöhten Nachlast (arterielle Hypertonie, Aortenklappenstenose) und eine physiologische Hypertrophie (z.B. Sportlerherz) ausgeschlossen werden.
Apikale HCM
Die apikale hypertrophe Kardiomyopathie wird auch als Yamaguchi-Syndrom bezeichnet. Dabei sind vorwiegend die apikalen Segmente betroffen, isoliert oder in Kombination mit einer Septumhypertrophie. Hinweisend ist eine apikale Wanddicke von ≥ 15 mm und ein Verhältnis von apikaler zu basaler Wanddicke von > 1,5. Die apikale Hypertrophie erinnert morphologisch an einen Spaten ("spade-like deformity").
Weitere Formen
- mitt-ventrikuläre HCM: macht ca. 10 % der Fälle aus. Sie betrifft vor allem die Segmente in der Mitte des Ventrikels, was zu einer "Sanduhr"- oder "Hantel"-Form führt.
- tumefaktive HCM: isolierte fokale Verdickung eines Myokardsegments
Symptome
Die Patienten leiden unter den Symptomen einer Linksherzinsuffizienz. Typische Beschwerden sind:
- Leistungsminderung
- Müdigkeit
- Dyspnoe
- Angina pectoris-Anfälle
- ventrikuläre Arrhythmien (bis hin zu ventrikulären Tachykardien)
- Schwindel
- Synkopen
Diagnostik
Die HCM wird klinisch diagnostiziert, wobei bildgebende Befunde hinweisend sind und den Ausschluss von Differenzialdiagnosen ermöglichen. Das EKG ist in 95 % der Fälle pathologisch:
- hohe präkordiale QRS-Amplituden
- sekundäre Repolarisationsstörungen: ST-Senkungen, T-Inversion
- Abweichung der Herzachse nach links
- tiefe schmale Q-Zacke in I, aVL, V5 und V6
Bildgebung
Röntgen-Thorax
Der Röntgenbefund kann normal sein oder unspezifische Merkmale aufweisen, z.B. eine Kardiomegalie oder eine pulmonalvenöse Stauung.
Echokardiographie
Die Echokardiographie wird zur Beurteilung der LVOT-Obstruktion, zur Quantifizierung der systolischen und diastolischen linksventrikulären Funktion, zur Erkennung einer systolischen Vorwärtsbewegung der Mitralklappe (SAM) und zur Messung der linksatrialen Größe eingesetzt. Typische Befunde in der 2D-Bildgebung sind:
- Verhältnis zwischen septaler und inferolateraler Wanddicke > 1,3 bzw. > 1,5 bei arterieller Hypertonie
- Myokardsegment mit einer Dicke > 15 mm ohne andere erklärbare Ursache
Im M-Mode kann ein Systolic Anterior Movement (SAM) auffallen: Das anteriore Mitralklappensegel wird während der Ventrikelsystole in den LVOT in Richtung Septum verschoben. In schweren Fällen kommt das Segel in der Mitt-Systole mit dem Septum in Kontakt. Die Folge ist eine Einkerbung der M-Mode-Kurve. Bei Vorliegen eines SAM der Mitralklappe kann im Farbdoppler ein nach posterior gerichteter Jet die Mitralregurgitation anzeigen. Bei Vorliegen einer Obstruktion fällt weiterhin ein Aliasing im LVOT auf.
Für die Beurteilung der Art, des Schweregrads und der anatomischen Lage der Obstruktion kommen der Pulsed-wave Doppler (PWD) und der Continuous Wave Doppler (CW-Doppler) zum Einsatz.
Magnetresonanztomographie
Die Kardio-MRT dient der Beurteilung der Herzmorphologie und -funktion. Insbesondere für die Darstellung der anterolateralen und apikalen Segmente ist sie der Echokardiographie überlegen. Typische Befunde sind:
- linksventrikuläre systolische Dysfunktion
- linksventikuläre Hypertrophie: insbesondere des basalen Septums.
- SAM der Mitralklappe: mit Regurgitationsjet
- Herzspitzenaneurysma
- Late Gadolinium Enhancement (LGE) vom Nicht-Infarkt-Typ: an der rechtsventrikulären Insertion bzw. im Bereich der maximalen Hypertrophie. Dabei subepikardial und intramyokardial und fleckig bis flächig.
Die MRT dient weiterhin der Differenzierung zwischen einer tumefaktiven HCM und einem Herztumor. Die kardiale MRT spielt auch bei asymptomatischen Mutationsträgern eine Rolle, da sie phänotypische Marker für eine subklinische HCM bei fehlender linksventrikulärer Hypertrophie identifiziert. Dazu zählen:
- myokardiale Krypten
- elongierte MItralklappensegel
- fleckiges bzw. streifiges LGE bzw. Fibrose in der rechtsventrikulären Insertionsstelle
Differenzialdiagnosen
- Linksherzhypertrophie durch arterielle Hypertonie: häufigste Ursache einer konzentrischen linksventrikulären Hypertrophie. Kein oder minimales LGE.
- Linksherzhypertrophie durch Aortenstenose: eingeschränkte Klappenbewegung mit erhöhtem transvalvulärem Gradienten, strukturelle Anomalie der Aortenklapppe. Meist konzentrische Hypertrophie.
- Sportlerherz: konzentrische Hypertrophie mit einer Wanddicke von normalerweise 13 bis 15 mm, normale Ejektionsfraktion und diastolische Funktion, adäquate linksventrikuläre Dilatation < 6,5 cm, kein LGE, Reversibilität der Hypertrophie
- Danon-Erkrankung: Skelettmuskelschwäche und geringe mentale Retardierung. Mid-myokardiales LGE. Das Septum ist meist ausgespart.
- infiltrative Kardiomyopathien:
- Morbus Fabry: LGE basal inferolateral in mid-myokardialer oder subepikardialer Lokalisation.
- Hämochromatose: Eisenablagerung ist in T2*-Sequenzen erkennbar.
- Amyloidose: diffuses, subendokardiiales LGE, hohes Signal in T1-Mapping.
- Glykogenspeicherkrankheiten
- dynamische LVOT-Obstruktion bei
- Hypovolämie
- distributivem Schock
- Myokardischämie im RIVA-Territorium
- sigmoidales Kammerseptum
- Takotsubo-Kardiomyopathie
- rechtsventrikuläre Dilatation
Therapie
Die Therapie richtet sich nach dem klinischen Schweregrad. Asymptomatische Patienten mit geringem Risiko benötigen möglicherweise keine spezifische Therapie. Bei symptomatischen Patienten kommen die Standardtherapie der Herzinsuffizienz in Frage, insbesondere Verapamil. Bei zusätzlicher LVOT-Obstruktion werden negativ-inotrope und -chronotrope Medikamente wie Betablocker eigesetzt. In ausgewählten Fällen kommt der kardiale Myosininhibitor Mavacamten zum Einsatz.
Patienten mit ventrikulären Herzrhythmusstörungen können mit Antiarrhythmika oder dem Einsatz eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) behandelt werden. In therapierefraktären Fällen werden interventionelle und chirurgische Verfahren angewendet:
Prognose
Viele Patienten mit HCM haben keine oder nur geringe Beeinträchtigungen der Herzfunktion und daher eine normale Lebenserwartung. Besteht eine Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts, entwickelt sich eine progrediente Herzinsuffizienz. Vor allem Kinder können bei dieser Erkrankung durch einen plötzlichen Herztod sterben. Ursächlich sind ventrikuläre Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern. Die jährliche Mortalität bei HCM-Erkrankten liegt bei etwa 0,5 - 1,5 %.
Negative prognostische Marker sind:
- frühere Episoden von Herzrhythmusstörungen mit oder ohne Synkope oder Herzstillstand
- SCD in der Familienanamnese
- Echokardiographie: schwere linksventrikuläre diastolische Dysfunktion, erhöhter LVOT-Spitzengradient > 80 mmHg, schwere linksventrikuläre Hypertrophie
- Kardio-MRT: LGE > 15 % des Myokards, linksventrikuläre Wanddicke ≥ 30 mm, linksventrikuläres Herzspitzenaneurysma, verminderte linksventrikuläre Ejektionsfraktion < 50 % (burned-out)
Peer-Review durch Bijan Fink |
Literatur
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