Mavacamten
Handelsname: Camzyos®
Synonym: MYK-461
Englisch: mavacamten
Definition
Mavacamten ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der kardialen Myosininhibitoren, der zur Behandlung einer hypertroph-obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM) zugelassen ist.
Chemie
Mavacamten ist ein Benzylamin-Derivat und hat die Summenformel C15H19N3O2. Der chemische Name lautet 6-[[(1S)-1-Phenylethyl]amino]-3-propan-2-yl-1H-pyrimidin-2,4-dion (IUPAC). Die molare Masse beträgt 273,33 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) 2,1. Die CAS-Nummer lautet 1642288-47-8. Die Substanz liegt bei Raumtemperatur als weißes Pulver vor, das in Wasser praktisch unlöslich ist.
Wirkmechanismus
Mavacamten ist ein allosterischer, selektiver und reversibler Inhibitor des kardialen Myosin (MYH7), das dies in einen energiesparenden und "superrelaxierten" Zustand überführt.[1] Die Folge ist eine verminderte Bildung von Aktin-Myosin-Querbrücken im Herzen. Dies führt zu einer Verringerung der linksventrikulären Obstruktion, die im Rahmen der hypertroph-obstruktiven Kardiomyopathie auftritt. Die Folge ist eine Verbesserung des kardialen Füllungsdrucks.[2][3]
Pharmakokinetik
Mavacamten wird nach oraler Aufnahme rasch resorbiert. Die orale Bioverfügbarkeit beträgt 85 %. Maximale Plasmaspiegel werden nach 1 Stunde erreicht. Die Plasmaproteinbindung beträgt 97 bis 98 %, das Verteilungsvolumen 114 bis 206 Liter (ca. 1,6 bis 2,9 l/kgKG). Die Biotransformation in der Leber erfolgt über die Cytochrom-P450-Isoenzyme CYP2C19 (74 %; ausgeprägter Polymorphismus), CYP3A4 (18 %) und CYP2C9 (7,6 %). Die Elimination der Metaboliten erfolgt zu 7 % mit den Fäzes und zu 85 % im Urin. Nur etwa 1 % bzw. 3 % der verabreichten Dosis werden mit der Fäzes bzw. im Urin unverändert ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertszeit ist in starkem Maße vom Phänotyp der Metabolisierung abhängig und beträgt bei normalen CYP2C19-Metabolisierern 6 bis 9 Tage und bei langsamen CYP2C19-Metabolisierern 23 Tage.[2][3]
Indikation
Mavacamten ist zur Behandlung von Erwachsenen mit symptomatischer hypertroph-obstruktiver Kardiomyopathie (HOCM) mit NYHA-Stadium II bis III indiziert. Mit der Behandlung darf nur begonnen werden, wenn die linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) ≥ 55 % beträgt.[2][3]
Darreichungsform
Mavacamten wird oral in Form von Hartkapseln verabreicht.
Dosierung
Die empfohlene Anfangsdosis beim Phänotyp "langsame CYP2C19-Metabolisierer" beträgt 2,5 mg pro Tag und bei allen anderen Phänotypen 5 mg pro Tag. 4, 8 und 12 Wochen nach Beginn der Therapie kann eine Dosissteigerung erfolgen, solange die LVEF > 50 % beträgt. Das genaue Vorgehen zur Dosisanpassung ist in der Fachinformation beschrieben. Die Tagesmaximaldosis beträgt 15 mg.[2][3]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Mavacamten führt zu einer Reduktion der systolischen Kontraktion und kann eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz zur Folge haben. Die häufigsten Nebenwirkungen, die in einer Phase-III-Studie erfasst wurden, waren Schwindel und Synkopen. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind beispielsweise:
Kontraindikationen
Eine gleichzeitige Behandlung mit mäßig bis starken CYP2C19/CYP3A4-Inhibitoren bzw. -Induktoren kann eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz, einen Verlust der Wirksamkeit des Arzneistoffes oder ein höheres Risiko für systolische Funktionsstörungen zur Folge haben.
Da Mavacamten zu einer Verschlechterung der systolischen Funktion führen kann, wird die Behandlung bei Patienten mit einer LVEF von weniger als 55 % nicht empfohlen.
Schwangerschaft und Stillzeit
Während der Schwangerschaft und bei gebärfähigen Frauen, die keine zuverlässige Empfängnisverhütung anwenden, ist eine Behandlung mit Mavacamten kontraindiziert.[3]
Aufgrund tierexperimenteller Studien besteht der Verdacht, dass Mavacamten embryo- und fetotoxische Wirkungen besitzt. Vor Beginn der Behandlung gebärfähiger Frauen muss ein negativer Schwangerschaftstest vorliegen. Während der Behandlung und für 6 Monate nach Abbruch der Behandlung muss eine zuverlässige Empfängnisverhütung durchgeführt werden.[3]
Es liegen keinerlei Daten zum Übertritt von Mavacamten und/oder seiner Metaboliten in die Muttermilch vor. Deshalb darf während der Behandlung nicht gestillt werden.[3]
Toxizität
Bereits nach der Einnahme von 25 mg (ca. 0,4 mg/kgKG; 1,7-fache therapeutische Maximaldosis) durch gesunde Probanden kam es in einigen Fällen zur Abnahme der LVEF. Nach Applikation von bis zu 144 mg (ca. 2 mg/kgKG; 10-fache therapeutische Maximaldosis) sind vital bedrohliche Symptome (vasovagale Synkope, Hypotonie und Asystolie) aufgetreten.[3] Bei einer Überdosierung oder Vergiftung sind Maßnahmen zur primären Giftelimination (Verabreichung von Aktivkohle) nur innerhalb von 60 Minuten nach der Ingestion indiziert. Eine sekundäre Giftentfernung ist aufgrund der pharmakokinetischen Eigenschaften (hohe Plasmaproteinbindung) nicht effektiv möglich. Bei schweren Vergiftungen müssen die Vitalfunktionen ggf. auch mit extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO) stabilisiert werden. Es ist bisher (2023) kein spezifisches Antidot bekannt.
Zulassung
Mavacamten wurde 2022 durch die FDA und 2023 durch die EMA zugelassen.[4]
Wegen des Risikos einer Herzinsuffizienz aufgrund einer systolischen Dysfunktion darf Mavacamten in den USA zu jetzigen Zeitpunkt (2023) nur im Rahmen eines speziellen Programms (sogenanntes "Camzyos REMS PROGRAM") verordnet werden.
Nutzenbewertung
Nach Einschätzung des IQWiG gibt es Anhaltspunkte für einen beträchtlichen Zusatznutzen für erwachsene Patienten, die wegen einer symptomatischen HOCM (NYHA-Klasse II bis III) mit Mavacamten in Kombination mit nicht vasodilatierenden Betablockern oder Calciumkanalblockern behandelt wurden.[5]
Quellen
- ↑ Anderson et al. Deciphering the super relaxed state of human β-cardiac myosin and the mode of action of mavacamten from myosin molecules to muscle fibers. PNAS 115(35)E8143-8152. 2018
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 Full Prescribing Information Camzyos, FDA. Abgerufen am 19.06.2023
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Camzyos, EMA. Abgerufen am 05.07.2023
- ↑ Keam. Mavacamten: First Approval. Drugs.82(10): 1127–1135 2022
- ↑ Mavacamten (hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie). Addendum zum Projekt A23-76, IQWiG am 11.01.2024, abgerufen am 02.02.2024
Weblinks
- Bello und Pellegrini. Mavacamten. [Updated 2023 Mar 17]. In: StatPearls [Internet]. Abgerufen am 19.06.2023
- Drugs.com - Mavacamten. Abgerufen am 05.07.2023
- DrugBank - Mavacamten. Abgerufen am 05.07.2023
- Pharmazeutische Zeitung Arzneistoffe - Mavacamten. Abgerufen am 11.09.2023
- Gelbe Liste Wirkstoffe - Mavacamten. Abgerufen am 11.09.2023
- PharmaWiki - Mavacamten. Abgerufen am 05.07.2023
- PubChem: 117761397
- MeSH: 2012183