Synonym: Mitochondrialer Erbgang
Englisch: mitochondrial inheritance
Die mitochondriale Vererbung ist eine extrachromosomale Vererbung, d.h. die betroffenen Gene befinden sich nicht auf den Chromosomen im Zellkern, sondern in den Mitochondrien. Die mitochondriale Vererbung erfolgt beim Menschen nach traditionellem Verständnis ausschließlich maternal. Neuere Studien weisen jedoch darauf hin, dass auch eine biparentale Vererbung möglich ist.[1]
Kodierende DNA findet man in eukaryotischen Zellen nicht nur im nukleären Genom, sondern auch in den Mitochondrien. Man spricht von einem mitochondrialen Genom, oder mitochondrialer DNA (mtDNA). Sie liegt als ringförmiger Doppelstrang mit einer Größe von etwa 16,5 kb (Kilobasen) in 2-10 Kopien pro Mitochondrium vor. Der Großteil der eukaryontischen Zellen enthalten mehr als 1.000 mtDNA-Moleküle, die sich auf hunderte von Mitochondrien verteilen. Die reife Eizelle enthält oft mehr als 100.000 Kopien der mtDNA - damit macht die sie bis zu einem Drittel der Gesamt-DNA einer reifen Eizelle aus.
Das mtDNA-Molekül enthält insgesamt 37 Gene, von denen 13 für Proteine der Atmungskette kodieren (oxidative Phosphorylierung). Die übrigen 24 Gene kodieren 22 tRNA und 2 rRNA-Moleküle, die für die Proteinbiosynthese der 13 mitochondrial kodierten Polypeptide notwendig sind.
Alle anderen mitochondrialen Proteine sind hingegen nukleär kodiert und werden nach zytosolischer Synthese in die Mitochondrien transportiert. Der Großteil der 74 Proteine der Atmungskette (74 von 87) werden vom nukleären Genom kodiert. Dies ist auch der Grund, weshalb die meisten mitochondrialen Krankheiten auf Mutationen des nukleären Genoms beruhen.
Eine weitere Besonderheit des mitochondrialen Genoms ist, dass es nach der Vervielfältigung zufällig auf neu gebildete Mitochondrien verteilt und diese wiederum bei der Zellteilung zufällig auf die entstehenden Tochterzellen aufgeteilt werden. Ein streng kontrollierter Verteilungsmechanismus - wie er für das nukleäre Genom vorhanden ist - existiert für die mtDNA nicht. Ihre Replikation ist zudem vom Zellzyklus unabhängig.
Die menschliche Zygote erhält alle ihrer Mitochondrien von der Eizelle. Grund dafür ist, dass bei der Befruchtung nur der Kopf der Samenzelle ohne Mitochondrien in die Eizelle gelangt. Mutationen der mtDNA werden von der Mutter an alle Nachkommen weitergeben.
Mitochondriale Mutationen liegen auch bei symptomatischen Patienten oft nur in einem Teil der Mitochondrien einer Zelle vor. Diese Tatsache bezeichnet man als Heteroplasmie. Liegen hingegen Zellen vor, die entweder nur Mitochondrien mit normaler oder mit mutierter mtDNA enthalten, spricht man von einer Homoplasmie. Ob sich eine mitochondriale Mutation tatsächlich phäntotypisch auswirkt, hängt vom Verhältnis zwischen normaler und mutierter mtDNA in den Zellen ab. Deshalb sind eine unvollständige Penetranz, variable Expressivität und Pleiotropie typische Merkmale für alle mitochondrial erblichen Krankheiten. Das Verhältnis zwischen normalen und mutierten mtDNA-Kopien kann nicht nur zwischen unterschiedlichen Organen, sondern auch im Verlauf mehrer Zellteilungen stark variieren. Deshalb ist es typisch, dass Patienten mit mitochondrial erblichen Krankheiten eine häuifg wechselnde Symptomatik beschreiben.
Mitochondriale Mutationen betreffen entweder direkt die Untereinheiten der Atmungskette. Sind tRNA- oder rRNA-Gene betroffen, wirken sie sich auf die Effizienz der Synthese aller mitochondrial kodierten Proteine - und somit ebenfalls auf die Atmungskettenfunktion - aus. Da mitochondriale Mutationen immer den Energiestoffwechsel der Zelle betreffen, machen sie sich besonders in stark energieverbrauchenden Geweben bemerkbar. Betroffene Organe sind somit das ZNS, die Skelettmuskulatur, die Herzmuskulatur sowie die Leber und die Nieren. Zu den typischen Krankheitsbildern zählen Enzephalopathien, Myopathien und Kardiomyopathien. Die Betroffenen können schon bei leichter Belastung den Energiebedarf nicht mehr über die oxidative Phosphorylierung decken. Folglich geraten sie zunehmend in eine Laktatazidose. Außerdem finden sich in der Skelettmuskulatur mikroskopische sogenannte ragged red fibres - subsarkolemmale Ansammlungen von Mitochondrien.
Neuromuskuläre Syndrome, denen eine Funktionsstörung der mitochondrialen Atmungskette zu Grunde liegen, werden Mitochondriopathien genannt. Beispiele für mitochondrial vererbbare Krankheiten sind:
Tags: Lebersche hereditäre Optikusatrophie, MELAS-Syndrom, MERRF-Syndrom, Mitochondriopathie, Mitochondrium, NARP-Syndrom, Vererbung
Fachgebiete: Genetik, Humangenetik
Diese Seite wurde zuletzt am 14. Februar 2020 um 18:03 Uhr bearbeitet.
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