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Lebersche hereditäre Optikusneuropathie

nach dem deutschen Ophthalmologen Theodor von Leber (1840-1917)
Synonyme: Leber'sche Optikusneuropathie, Lebersche hereditäre Optikusnekrose, Lebersche hereditäre Optikusatrophie, Lebersche Optikusatrophie
Englisch: Leber hereditary optic neuropathy, LHON

1. Definition

Die Lebersche hereditäre Optikusneuropathie, kurz LHON, ist eine erblich bedingte Mitochondriopathie, die zu einer rasch progredienten Degeneration retinaler Ganglienzellen führt.

2. Abgrenzung

Die Lebersche Optikusneuropathie darf nicht mit der Leberschen kongenitalen Amaurose (LCA) verwechselt werden.

3. Epidemiologie

Betroffen sind meist Männer, wobei das Manifestationsalter in der Regel zwischen 20 und 30 Jahren liegt. In dieser Population ist die LHON die häufigste Erblindungsursache. Die Prävalenz der Erkrankung liegt bei 3,1/100.000.[1]

4. Genetik

Die LHON wird durch Defekte der mitochondrialen DNA (mtDNA) verursacht. Da Spermien keine Mitochondrien in die Zygote einbringen, liegt ein maternaler Erbgang vor.

In nahezu allen Fällen ist eine Missense-Punktmutation, v.a. in Genen, die für Atmungskettenproteine kodieren, ursächlich. Es wurden verschiedene Primär- und Sekundärmutationen beschrieben, deren Entstehungsmechanismus bisher (2024) jedoch nicht eindeutig geklärt ist. Vermutlich spielt eine Schädigung der mtDNA durch Sauerstoffradikale eine entscheidende Rolle.

Mögliche Defekte betreffen:

Im Gegensatz zu anderen Mitochondriopathien betreffen die Mutationen in der Regel alle mtDNA-Moleküle der Zelle (Homoplasmie), sowohl in den Ganglienzellen als auch in anderen Geweben.

Die Mutationen zeigen eine unvollständige und geschlechterabhängige Penetranz. Männliche Genträger haben ein Erkrankungsrisiko von 50 %, weibliche von 10 bis 15 %. Es wird vermutet, dass dieser Geschlechtsunterschied durch X-chromosomale Modifikatorgene verursacht wird, aber auch hormonelle Einflüsse werden diskutiert.[1]

Aufgrund der mäßigen Penetranz ist von einer Mitbeteiligung von Umweltfaktoren auszugehen. Vor allem Rauchen gilt als gesicherter Risikofaktor.[2]

5. Pathogenese

Die Gendefekte führen zu einer Störung der Atmungskette, wodurch insbesondere die retinalen Ganglienzellen, deren Axone den Nervus opticus bilden, betroffen sind. Der Pathomechanismus ist nicht abschließend geklärt. Mögliche Erklärungsmodelle sind ein akuter ATP-Mangel mit nachfolgender Degeneration des betroffenen Gewebes, sowie die Anhäufung reaktiver Sauerstoffspezies durch fehlerhafte Oxidationsprozesse. Warum in erster Linie der Sehnerv betroffen ist, ist derzeit (2024) noch unklar. Teilweise kann auch das kardiale Reizleitungssystem oder das ZNS involviert sein.

6. Klinik

Es kommt zu einem schmerzlosen, rasch progredienten Visusverlust mit Zentralskotom. Innerhalb weniger Wochen schreiten diese Sehstörungen bis zur Amaurose fort. In der Mehrzahl der Fälle ist zunächst ein Auge betroffen. Das andere Auge erkrankt i.d.R. einige Wochen später. In 25 % der Fälle sind beide Augen simultan betroffen.

Manifestationen anderer Organsysteme stehen bei der LHON eher im Hintergrund. Möglich sind aber:

7. Diagnostik

Die klinische Diagnostik beinhaltet:

Zudem erfolgt der molekulargenetische Nachweis der auslösenden Mutation.

8. Differentialdiagnosen

Differentialdiagnostisch ist vor allem an eine Neuritis nervi optici zu denken. Weitere DDs sind:

9. Therapie

Seit September 2015 ist in der EU der Wirkstoff Idebenon (Raxone®), ein ZNS-gängiges Ubichinonanalogon, zur Behandlung von Sehstörungen bei jugendlichen und erwachsenen Patienten mit LHON zugelassen.[3] Es handelt sich dabei um ein Antioxidans. Die Wirkung bei Mitochondriopathien wird darauf zurückgeführt, dass Idebenon Elektronen auf Komplex III der Atmungskette übertragen kann. Dadurch wird Komplex I, der in den meisten Fällen bei der LHON geschädigt ist, umgangen.

Die Idebenon-Therapie wird nur bei akuter Erkrankung für die Dauer eines Jahres empfohlen, nicht jedoch als präventive Einnahme bei asymptomatischen Mutationsträgern.[4]

Die Wirksamkeit von Idebenon ist bisher (2024) nicht zweifelsfrei belegt. In einer placebokontrollierten Studie konnte eine signifikante Besserung des Visus nur bei Subgruppenanalysen nachgewiesen werden.[5] Eine spätere retrospektive Arbeit zeigte eine signifikant bessere Restitution der Sehkraft unter Therapie.[6] Nach Aussage des G-BA ist der Zusatznutzen von Idebenon nicht quantifizierbar.[7] Die monatlichen Therapiekosten für einen Patienten betragen rund 55.000 Euro.[8]

Kausale Therapien wie eine Gentherapie oder eine Mitochondrienspende bei der in-vitro-Fertilisation sind bisher (2024) noch Forschungsgegenstand. Ein Zulassungsantrag für ein virales Vektorpräparat (Lenadogen-Nolparvovec), das ein Ersatzgen für den defekten Komplex I in die Ganglienzellen einschleusen sollte, wurde 2023 aufgrund fehlenden Wirksamkeitsnachweises zurückgezogen.[9]

Betroffenen Patienten und Mutationsträgern ist außerdem eine Nikotinkarenz anzuraten.

10. Prognose

Die Prognose in Hinblick auf Erhalt der Sehkraft ist – mit und ohne Therapie – schlecht. Eine deutliche Besserung der Sehkraft im Verlauf ist eher die Ausnahme und wird vor allem bei der m.14484T>C-Substitutionsmutation beobachtet, die etwa 20 % der Fälle ausmacht.[1] Auch für pädiatrische Fälle ist eine bessere Prognose beschrieben.

11. Podcast

FlexTalk - Die Sehbahn
FlexTalk - Die Sehbahn

12. Quellen

13. Bildquelle

  • Bildquelle Podcast: © Midjourney

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