Affenpocken
Synonym: Mpox
Englisch: monkeypox
Definition
Als Affenpocken oder Mpox bezeichnet man eine Infektionskrankheit aus der Gruppe der Zoonosen, die durch das Affenpockenvirus (MPXV) verursacht wird und beim Menschen eine pockenähnliche Symptomatik auslöst.
Nomenklatur
Erreger
Das Affenpockenvirus (veraltet: Orthopoxvirus simiae) ist ein behülltes, doppelsträngiges DNA-Virus (dsDNA-Virus) aus der Gattung Orthopoxvirus.
Übertragung
Die Erkrankung kann sowohl von Tier zu Mensch als auch von Mensch zu Mensch übertragen werden. Für die Übertragung von Mensch zu Mensch sind Kontaktinfektion, Schmierinfektion und Tröpfcheninfektion relevant. Da das Virus auch im Sperma nachgewiesen werden kann, ist sehr wahrscheinlich auch eine Infektion durch Sexualkontakte möglich.[2] Möglicherweise stellt der männliche Reproduktionstrakt dabei ein Virusreservoir dar.[2]
Eintrittspforten des Virus sind in der Regel Schleimhäute (Mund, Auge, Nase, Genitalien, Anus), kleine Verletzungen der Haut sowie möglicherweise der Respirationstrakt.
Darüber hinaus kann das Virus während der Schwangerschaft durch vertikale Übertragung auf den Fötus übertragen werden. Außerdem können Kinder peri- oder postnatal durch Hautkontakt von ihren Eltern infiziert werden.[3]
Zur Zeit (2024) ist noch unklar, ob es bereits zu einer Übertragung kommen kann, bevor Symptome auftreten. Da Affenpockenviren in anorektalen Abstrichen asymptomatischer Patienten gefunden wurden, ist eine derartige Übertragung jedoch nicht auszuschließen.[4]
Die Infektion von Tier zu Mensch findet über die Atemwege als Tröpfcheninfektion (Kontakt mit Speichel oder abgesonderten Sekreten von Tieren), verletzte Haut (Bisse) oder Verzehr von infiziertem Affenfleisch statt.
Epidemiologie
Die Affenpocken wurden erstmals 1958 bei Laboraffen entdeckt. Im Jahr 1970 wurde die erste Infektion beim Menschen dokumentiert, bei einem 9 Monate alten Baby in der Demokratischen Republik Kongo.
Bis zum weltweiten Ausbruchsgeschehen im Mai 2022 ereigneten sich die meisten Infektionen mit dem Affenpockenvirus endemisch in Ländern Zentral- und Westafrikas.
Im Zeitraum vom 1.1.2022 bis zum 22.08.2022 wurden in ausgewählten Industrieländern mehr als 40.000 Erkrankungsfälle registriert:[5]
Region | Erkrankungsfälle | Todesfälle |
---|---|---|
USA | 15.432 | 0 |
Deutschland | 3.295 | 0 |
Österreich | 217 | 0 |
Schweiz | 416 | 0 |
Global | 42.954 | 12 |
Die Erkrankungszahlen in Deutschland gingen nach August 2022 infolge verstärkter Aufklärungsarbeit deutlich zurück und sistierten im Frühjahr 2023 schließlich. Seit dem Sommer 2023 treten jedoch nach Aussage des RKI immer wieder sporadische Erkrankungsfälle auf.
Im Jahr 2024 wurden in der DR Kongo bereits über 9.000 Fälle gemeldet, darunter mehr als 400 Todesfälle (Stand 07/2024). Fast jede fünfte infizierte Person war ein Kind. Bei dem Ausbruch handelt es sich um die Klade 1, die eine höhere Virulenz aufweist und mit einer höheren Sterblichkeit (1 - 12 %) assoziiert ist, als die Klade 2. Für die Epidemie 2022/2023 in Amerika und Europa war die Klade IIb verantwortlich.
Differenzierung
Die Eigenschaften der verschiedenen Kladen unterscheiden sich:
- Klade I: Hautläsionen entstehen am ganzen Körper. Die Übertragung erfolgt durch nichtsexuelle Kontakte und als Zoonose. Vermutlich besteht eine erhöhte perinatale Letalitätsrate.
- Mutierte Klade I: Hautläsionen entstehen am ganzen Körper. Die Übertragung erfolgt sexuell und durch nicht-sexuelle Kontakte.
- Klade IIa: Sie tritt hauptsächlich als Zoonose auf. Es gibt keine bestätigten Fälle von negativen perinatalen Folgen.
- Klade IIb: Es bestehen eher milde Symptome mit Hautläsionen (v.a. genital) und Proktitis. Die Übertragung über sexuelle Kontakt dominiert. Es gibt keine bestätigten Fälle von negativen perinatalen Folgen.
Symptome
Die Inkubationszeit beträgt 5 bis 21 Tage. Das 4-tägige Prodromalstadium umfasst unspezifische Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Arthralgien, Myalgien und seltener (30 % der Fälle) unproduktiven Husten. Nach weiteren 1 bis 3 Tagen kommt es zum Auftreten eines Exanthems, das meist im Gesicht beginnt. Danach breitet sich das Exanthem zentrifugal über den Rumpf und die Extremitäten aus. In etwa 3/4 der Fälle sind die Handflächen und Fußsohlen befallen, in etwa 2/3 der Fälle die Mundhöhle, bei einem 1/3 der Genitalbereich und in etwa 20 % der Fälle die Augen.[6]
Als Primäreffloreszenzen sieht man flache Makeln, die sich rasch zu kleinen Knoten und dann zu Vesikeln entwickeln, die mit klarer, seröser Flüssigkeit gefüllt sind (Stadium vesiculosum). Aus den Vesikeln entstehen eitrige Pusteln mit zentraler Eindellung. Diese können konfluieren und nach dem Aufplatzen Krusten bilden, die nach 12 bis 14 Tagen von selbst abfallen und typischerweise zunächst helle, später dunkel pigmentierte Narben hinterlassen. Die Anzahl der Effloreszenzen ist interindividuell sehr unterschiedlich – sie kann von einer einzelnen Läsion bis hin zu Hunderten von eng gruppierten Pusteln reichen.
Typisch für die Affenpocken ist die ausgeprägte Lymphadenopathie (vor allem der Hals- und Leistenregion). Bei nicht pockengeimpften Personen können zusätzlich Laryngitis, Tonsillitis und Konjunktivitis auftreten. Die Infektion mit dem Affenpockenvirus hinterlässt eine dauerhafte Immunität. Es besteht eine Kreuzimmunität mit dem Variola-Virus.
Komplikationen
Zu den Komplikationen der Affenpocken zählen bakterielle Sekundärinfektionen, Hautnekrosen, Pneumonie, Sepsis, Enzephalitis und ein Hornhautbefall mit möglicher Erblindung.[6]
Risikogruppen
Bei Patienten mit Immundefekten oder unter medikamentöser Immunsuppression können wie bei anderen Virusinfektionen schwerere Verläufe auftreten. Weitere Risikogruppen sind möglicherweise Schwangere, Kinder unter 8 Jahren sowie Patienten mit atopischer Dermatitis oder Ekzemen.[7]
Schwangerschaft
Die Datenlage zu möglichen Auswirkungen der Affenpocken auf die Schwangerschaft ist gering. Aus einzelnen Fallbeobachtungen lässt sich ableiten, dass es im Rahmen von maternalen Infektionen zu Fehlgeburten, Frühgeburten oder Totgeburten kommen kann.[8]
Diagnostik
Die Diagnose kann bei voll entwickeltem Krankheitsbild und entsprechender Anamnese (Kontakt zu anderem Erkrankten) meist schon klinisch gestellt werden.
Klinische Untersuchung
- Inspektion des gesamten Integuments
- Inspektion der Mundhöhle und des Rachenraums
- Palpation der Lymphknotenstationen (submandibulär, zervikal, axillär, inguinal)
Direkter Erregernachweis
Zur Bestätigung werden Pockenschorf, Abstriche des Pockensekrets oder Rachenspülflüssigkeit herangezogen. Der Standardnachweis erfolgt mittels PCR. Ersatzweise kann das Virus auch in der Zellkultur angezüchtet werden (Dauer 3 bis 5 Tage). Diese Nachweismethode wird jedoch nur in Ausnahmefällen eingesetzt.
Aufgrund der typischen Virusmorphologie ist auch ein elektronenmikroskopischer Nachweis möglich, der allerdings keine Differenzierung der Spezies ermöglicht.
Indirekter Erregernachweis
Ein indirekter Erregernachweis ist über die Bestimmung virusspezfischer IgM- und IgG-Antikörper mittels ELISA möglich.
Patientennahe Diagnostik
Zum vorläufigen Screening können ebenfalls Affenpocken-Schnelltests zum direkten und oder indirekten Virusnachweis eingesetzt werden. Derzeit (2023) sind zwar Tests für medizinisches Fachpersonal verfügbar, es existiert aber noch keine offizielle Stellungnahme oder Empfehlung zu deren Nutzung seitens des RKI.
Differentialdiagnosen
Therapie
Es gibt zurzeit (2024) keine spezifische Behandlungsmöglichkeit bei Affenpocken. Aufgrund der Ähnlichkeit von Pocken- und Affenpockenviren, können antivirale Medikamente, die zum Schutz gegen Pocken entwickelt wurden, auch zur Behandlung von Mpox eingesetzt werden.[9][10] Bislang ist der einzige zugelassene Wirkstoff Tecovirimat, gegen den aber bereits Resistenzen aufgetreten sind. Zudem wurde die Wirksamkeit beim Menschen noch nicht nachgewiesen.[11]
Nitroxolin zeigte u.a. in Zellkultur antivirale und antimikrobielle Eigenschaften und war ebenfalls gegen den Tecovirimat-resistenten Stamm wirksam. Es verstärkt die Wirksamkeit von Tecovirimat und Brincidofovir.[12]
Andere Virostatika, die gegen DNA-Viren wirken, z.B. Cidofovir oder Brincidofovir, können ggf. off label eingesetzt werden.
Eine weitere Therapieoption ist die passive Immunisierung durch Gabe von humanem Vaccinia-Immunglobulin (VIGIV).
Ansonsten erfolgt die Therapie überwiegend symptomatisch (Bettruhe, Fiebersenkung). Superinfektionen sollten antibiotisch behandelt werden.
Prophylaxe
Beim Umgang mit Erkrankten sind vom medizinischen Personal die üblichen Hygienemaßnahmen wie bei anderen Virusinfektionen zu ergreifen. Dazu zählt die persönliche Schutzausrüstung mit Handschuhen, Schutzbrille und Atemschutzmaske.
Da die Hautveränderungen eine hohe Viruskonzentration aufweisen, sollte ein direkter Hautkontakt unbedingt vermieden werden. Bereits ein einfaches Abdecken vermindert jedoch das Infektionssrisiko.
Impfung
Zur Zeit (2024) gibt es keinen spezifischen Imfpstoff gegen Affenpocken. Es besteht jedoch die Möglichkeit, einen Pockenimpfstoff (z.B. Imvanex®) gegen Variola-Viren einzusetzen, da eine Kreuzimmunität besteht. Der entsprechende Impfstoff ist seit Juli 2022 in der EU zur Prophylaxe von Affenpocken zugelassen. Die Wirksamkeit der Impfung wird mit etwa 85 % angegeben.
Eine Postexpositionsprophylaxe mit dem Impfstoff ist innerhalb von 1 bis 14 Tagen nach Exposition möglich. Erfolgt die Impfung innerhalb von 1 bis 4 Tagen, kann eine mögliche Erkrankung verhindert werden. Wird sie innerhalb von 4 bis 14 Tagen gegeben, kann man den Krankheitsverlauf noch positiv beeinflussen, eine Infektion aber nicht mehr verhindern.
Isolation
Das Robert-Koch-Institut (RKI) empfiehlt eine Isolation von Infizierten bis zum Abfall der Krusten, aber mindestens von 21 Tagen. Für enge Kontakte wird eine Quarantäne von 21 Tagen empfohlen.
Prognose
Podcast
Quellen
- ↑ WHO. WHO recommends new name for monkeypox disease abgerufen am 29.11.2022
- ↑ 2,0 2,1 Lapa D et al.: Monkeypox virus isolation from a semen sample collected in the early phase of infection in a patient with prolonged seminal viral shedding. Lancet Infectious Diseases. doi:10.1016/S1473-3099(22)00513-8. PMID 35931095. S2CID 251289584, abgerufen am 12.8.2022
- ↑ 3,0 3,1 RKI - Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Affenpocken, abgerufen am 15.08.2022
- ↑ Valentine Marie Ferré, Antoine Bachelard, Meryem Zaidi et al.: Detection of Monkeypox Virus in Anorectal Swabs From Asymptomatic Men Who Have Sex With Men in a Sexually Transmitted Infection Screening Program in Paris, France. Annals of Internal Medicine 16.8.2022 https://doi.org/10.7326/M22-2183
- ↑ CDC. 2022 Monkeypox Outbreak Global Map, abgerufen zum im Text angegebenen Zeitpunkt
- ↑ 6,0 6,1 WHO Factsheet – Monkeypox. World Health Organization. 19 May 2022, abgerufen am 12.8.2022
- ↑ Monkeypox Clinician FAQs, Center for Disease Control updated August 11, 2022, abgerufen am 19.8.2022
- ↑ Khalil A et al.: Monkeypox vaccines in pregnancy: lessons must be learned from COVID-19 Lancet Glob Health. 2022 Sep; 10(9): e1230–e1231. Published online 2022 Jun 27. doi: 10.1016/S2214-109X(22)00284-4 PMCID: PMC9236565 PMID: 35772413
- ↑ Patient’s Guide to Mpox Treatment with Tecovirimat (TPOXX), abgerufen am 28.03.2023
- ↑ Siegrist EA, Sassine J. Antivirals With Activity Against Mpox: A Clinically Oriented Review. Clin Infect Dis. 2023
- ↑ Full prescribing information TPOXX®, abgerufen am 28.03.2023
- ↑ Bojkova D et al. Repurposing of the antibiotic nitroxoline for the treatment of mpox. J Med Virol. 2023
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: ©cottonbro / Pexels
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