Tecovirimat
Handelsnamen: Tecovirimat SIGA®, TPOXX®
Synonyme: Tecovirimatum, ST-246
Englisch: tecovirimat
Definition
Tecovirimat ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Virostatika, der zur medikamentösen Behandlung verschiedener Pockenerkrankungen zugelassen ist.
Geschichte
Tecovirimat wurde in den USA in Hinblick auf mögliche bioterroristische Angriffe mit Pockenerregern entwickelt und wird im US CDC Strategic National Stockpile bevorratet.
Chemie
Tecovirimat ein Benzamid-Derivat. Es hat die Summenformel C19H15F3N2O3. Der chemische Name ist
- N-[(1S,2S,6R,7R,8R,10S)-3,5-Dioxo-4-azatetracyclo[5.3.2.02,6.08,10]dodec-11-en-4-yl]-4-(trifluoromethyl)benzamid (IUPAC)
Die molare Masse beträgt 376,3 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) 2,0. Die CAS-Nummer lautet 869572-92-9. Die Substanz wird als Tecovirimat-Monohydrat verwendet, dass bei Raumtemperatur als weißer kristalliner Feststoff vorliegt, der in Wasser praktisch unlöslich (0,021 mg/ml) ist.
Wirkmechanismus
Tecovirimat hemmt die Aktivität des viralen Hüllproteins VP37, das von allen Orthopoxviren in einem hoch konservierten Gen kodiert wird. Tecovirimat blockiert die Interaktion von VP37 mit der zellulären Rab9-GTPase und TIP47, was die Bildung von austrittskompetenten umhüllten Virionen ("Budding") verhindert. Dadurch wird der Befall neuer Wirtszellen unterbunden.
Resistenz
Wie bei anderen Virostatika ist durch Veränderungen in der Aminosäuresequenz von VP37 eine Resistenzentwicklung möglich, die durch eine verringerte Affinität zwischen Wirkstoff und Zielprotein bedingt ist.
Pharmakokinetik
Tecovirimat wird nach oraler Aufnahme langsam resorbiert. Maximale Plasmaspiegel werden nach 4 bis 6 Stunden erreicht. Fettreiche Nahrung verbessert die Resorption. Die Plasmaproteinbindung beträgt 77 bis 82 %, das Verteilungsvolumen 383 Liter (ca. 5,5 l/kgKG). Die Biotransformation in der Leber erfolgt durch Hydrolyse der Amidbindung und Glucuronidierung zu inaktiven Metaboliten, die zu mehr als 70 % renal eliminiert werden. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 21 Stunden.
Indikationen
Tecovirimat ist bei Erwachsenen und Kindern mit einem Körpergewicht von mindestens 13 kg indiziert zur Behandlung von:
- Pocken
- Affenpocken
- Kuhpocken
- Komplikationen infolge der Replikation des Vaccinia-Virus nach einer Pockenimpfung[1]
Darreichungsform
Tecovirimat steht in Form von Hartkapseln mit 200 mg Wirkstoff zur oralen Anwendung zur Verfügung.[2] Seit Mai 2022 ist in den USA auch eine Injektionslösung zur intravenösen Applikation verfügbar.[3]
Dosierung
Die Dosierung von Tecovirimat richtet sich nach dem Körpergewicht:
Körpergewicht [kg] | Dosierung [mg] | Kapseln á 200 mg/Tag |
---|---|---|
13 bis < 25 | 200 alle 12 h | 2 |
25 bis < 40 | 400 alle 12 h | 4 |
≥ 40 kg | 600 alle 12 h | 6 |
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Die empfohlene Therapiedauer beträgt 14 Tage. Tecovirimat sollte innerhalb von 30 Minuten nach einer mäßig oder stark fetthaltigen Mahlzeit eingenommen werden.
Bei älteren Patienten sowie Patienten mit mäßig eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion ist keine Dosisanpassung erforderlich. Bei schwerer Nieren- oder Leberfunktionsstörung sollte die Gabe mit Vorsicht erfolgen.
Nebenwirkungen
Sehr häufige (≥ 1/10) und häufige (≥ 1/100, < 1/10) Nebenwirkungen von Tecovirimat sind:
Bei intravenöser Anwendung kommt es häufig zu Reaktionen an der Injektionsstelle.
Wechselwirkungen
Tecovirimat und seine Metabolite sind Induktoren von CYP3A4 oder CYP2B6. Das kann zu einer Wirkungsverminderung von Arzneistoffen führen, die Substrate dieser Enzyme sind (z.B. Atorvastatin, Tacrolimus, Midazolam). Umgekehrt werden CYP2C8 und CYP2C19 durch Tecovirimat gehemmt, sodass es ggf. zu einer Wirkspiegelerhöhung von Arzneistoffen kommt, die durch diese Enzme abgebaut werden (z.B. Repaglinid, Voriconazol, Omeprazol).
Bei Arzneistoffen mit geringer therapeutischer Breite ist daher eine Überwachung ratsam, insbesondere des Blutzuckers bei gleichzeitiger Gabe von Repaglinid.
Tecovirimat ist ein Substrat von UGT1A1, UGT1A3 und UGT1A4. Eine klinisch bedeutsame Interaktion bei gleichzeitiger Anwendung von Tecovirimat und starken UGT-Inhibitoren bzw. -Induktoren ist jedoch nicht zu erwarten.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen Tecovirimat oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels
- Niereninsuffizienz (definiert als Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min) bei intravenöser Anwendung
Schwangerschaft und Stillzeit
Die Anwendung während der Schwangerschaft wird nicht empfohlen. In tierexperimentellen Untersuchungen wurde ein Übertritt von Tecovirimat in die Muttermilch festgestellt. Deshalb sollte das Stillen während der Behandlung unterbrochen werden .
Toxizität
Bis zu einer Dosierung von 2000 mg/kgKG sind im Tierexperiment keine vital bedrohlichen toxischen Wirkungen aufgetreten. Überdosierungen oder Vergiftungen wurden beim Menschen bislang (2023) nicht beschrieben. Ein Antidot ist nicht bekannt.
Zulassung
Tecovirimat wurde im Januar 2022 in der EU zugelassen. Hersteller ist SIGA Technologies Netherlands B.V. in den Niederlanden.
ATC-Code
- ATC J05AX24 - Direkt wirkende Antivirale Mittel
Podcast
Weblinks
DocCheck News: Tecovirimat gegen Pocken, abgerufen am 24.01.2022
- Drugbank - Tecovirimat, abgerufen am 28.03.2023
- Gelbe Liste Wirkstoffe - Tecovirimat, abgerufen am 28.03.2023
- PharmaWiki - Tecovirimat, abgerufen am 28.03.2023
- PubChem: 16124688
- MeSH: C505045
Quellen
- ↑ Russo A et al. An overview of tecovirimat for smallpox treatment and expanded anti-orthopoxvirus applications. Expert Rev Anti Infect Ther. 2021
- ↑ Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Tecovirimat SIGA 200 mg Hartkapseln, EMA, abgerufen am 23.5.2022
- ↑ Full prescribing information TPOXX®, abgerufen am 28.03.2023
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: ©cottonbro / Pexels
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