Affenpockenvirus
Synonyme: Orthopoxvirus simiae, Monkeypox-Virus
Englisch: monkeypox virus, MPV, MPXV
Definition
Das Affenpockenvirus, kurz MPXV, ist ein behülltes doppelsträngiges DNA-Virus, das die Affenpocken auslöst. Dabei handelt sich um eine in verschiedenen Tierpopulationen endemische Infektionskrankheit, die als Zoonose auf den Menschen übergehen und dann auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.
Hintergrund
Systematik
- Bereich: Varidnaviria
- Reich: Bamfordvirae
- Stamm: Nucleocytoviricota
- Klasse: Pokkesviricetes
- Ordnung: Chitovirales
- Familie: Poxviridae
- Gattung: Orthopoxvirus
- Familie: Poxviridae
- Ordnung: Chitovirales
- Klasse: Pokkesviricetes
- Stamm: Nucleocytoviricota
- Reich: Bamfordvirae
siehe auch: Virustaxonomie
Erregerreservoir
Als Erregerreservoir umfasst verschiedene Nagetiere (u.a. Eichhörnchen, Ratten, Spitzmäuse, Kaninchen) sowie Schweine, Stachelschweine und Primaten. Die genauen Infektionsketten im Tierreich sind weitgehend unbekannt.
Verbreitung
Das Virus ist hauptsächlich in den Regenwäldern West- und Zentralafrikas verbreitet. Durch Genomsequenzierung lassen sich entsprechend zwei Kladen unterscheiden, die bisher nach den Verbreitungsgebieten benannt wurden. Im Rahmen des weltweiten Infektionsgeschehens wurde ihre Nomenklatur von der WHO inzwischen angepasst zu Klade I (bisher zentralafrikanische Klade) und Klade II (bisher westafrikanische Klade). Letztere wird wiederum in Klade IIa und Klade IIb unterteilt.[2] Die Klade IIb ist der Auslöser des 2022er-Ausbruchs.
Genetik
Genom
Das Genom des Affenpockenvirus ist rund 197 kb groß und kodiert etwa 200 verschiedene Proteine. Es besteht aus einer linear angeordneten, doppelsträngigen DNA (dsDNA), die terminal beidseits eine geschlossene Haarnadelstruktur aufweist und 10 kb Inverted Terminal Repeats (ITRs) enthält. Die Gene sind dicht gepackt, intergene Regionen (IGRs) von mehr als 100 Basenpaaren sind selten.[3]
Alle Gene, die bei anderen Orthopoxviren als essenziell identifiziert wurden, finden sich auch beim Affenpockenvirus. Sie weisen ein hohe Sequenzhomologie auf (> 90 %) und befinden sich im zentralen Abschnitt des Genoms. Darunter sind u.a. virale Wachstumsfaktoren und Proteine, die für die Immunevasion notwendig sind.[4] Die Nukleotidsequenzen von Affenpockenviren der Klade I und Klade II unterscheiden sich etwa zu 0,55-0,56%.[5]
Mutationsrate
Die Mutationsrate des Affenpockenvirus ist höher als ursprünglich angenommen. Frühere Schätzwerte gingen bei Orthopoxviren von 1 bis 2 Genmutationen pro Jahr aus. Bei der molekularbiologischen Untersuchung des MPVX, der dem 2022er-Ausbruch zugrunde liegt, wurden jedoch rund 50 Einzelnukleotidpolymorphismen (SNPs) gegenüber historischen Daten aus den Jahren 2018/2019 festgestellt.[6] Die Mutationen betreffen unter anderem das Oberflächen-Glykoprotein B21 des Virus, das für die Erkennung durch das Immunsystem relevant ist.[6]
Der Grund für die erhöhte Mutationsrate ist nicht eindeutig geklärt, es wird jedoch ein Einfluss der Wirtszellenzyms APOBEC3 angenommen. Darüber hinaus können Affenpockenviren im Rahmen einer Koinfektion ihr Genom durch homologe Rekombination von Nukleotidsequenzen verwandter Virusstämme verändern und durch nicht-homologe Rekombination fremde DNA in ihr Genom aufnehmen.
Morphologie
Affenpockenviren sind große, leicht pleomorphe Viren mit einer Länge von 220 bis 450 nm und einem Durchmesser von 140 bis 260 nm. Die gestreckte ovoide Virushülle enthält einen hantelförmigen Kern, in dem sich das Nukleokapsid befindet. In den Einbuchtungen der "Hantel" liegen verdichtete Bereiche, die als Lateralkörperchen bezeichnet werden. Es existiert eine intrazelluläre und eine extrazelluläre Form des Virus. Erstere verfügt über eine, letztere über zwei Membranen, in die jeweils unterschiedliche Glykoproteine eingelagert sind.
Übertragung
Die Übertragung des Affenpockenvirus erfolgt durch Kontakt-, Schmier- oder Tröpfcheninfektion. Infektionsquellen sind virushaltige Körperflüssigkeiten. Das Virus kann vom Tier auf den Menschen übergehen, aber selten auch von Mensch zu Mensch weitergegeben werden. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 5 bis 21 Tage.
Infektionsablauf
Das Affenpockenvirus wird durch Makropinozytose in die Wirtszelle aufgenommen.[7] Durch Fusion der Virushülle mit der Vesikelmembran kommt es zum Uncoating des Virus. Dabei werden die Lateralkörperchen in das Zytoplasma freigesetzt. Sie enthalten Proteine, die sehr wahrscheinlich eine Immunmodulation in der Wirtszelle induzieren und damit zelluläre Abwehrmechanismen gegen die Virusreplikation außer Kraft setzen und eine vorzeitige Apoptose der Zelle verhindern.[7]
Nachweis
Der Nachweis des Affenpockenvirus erfolgt routinemäßig durch Untersuchung von Probenmaterial der Hautläsionen des Erkrankten mit einer PCR bzw. RT-PCR, welche die Virus-DNA identifiziert. Alternativ ist die Kultivierung des Virus (Zellkultur, Chorioallantoismembran) oder ein elektronenmikroskopischer Nachweis möglich.[8] Diese Verfahren haben erfordern jedoch eine entsprechende Ausrüstung und Erfahrung des Labors und werden deshalb deutlich seltener eingesetzt.
Geschichte
Das Affenpockenvirus wurde erstmals 1958 vom Statens Serum Institut in Kopenhagen bei Laboraffen entdeckt. Der erste Fall von Affenpocken beim Menschen wurde 1970 dokumentiert.
Podcast
Quellen
- ↑ WHO. WHO recommends new name for monkeypox disease, abgerufen am 29.11.2022
- ↑ WHO: Monkeypox: experts give virus variants new names. www.who.int., abgerufen am 20.8.2022
- ↑ ViralZone: Monkeypox virus genome, abgerufen am 11.8.2022
- ↑ Shchelkunov et al. Analysis of the Monkeypox Virus Genome Virology 2002
- ↑ Chen N, et al. Virulence differences between monkeypox virus isolates from West Africa and the Congo basin. Virology. 2005;340:46–63.
- ↑ 6,0 6,1 Isidro J et al.: Phylogenomic characterization and signs of microevolution in the 2022 multi-country outbreak of monkeypox virus. Nat Med (2022). https://doi.org/10.1038/s41591-022-01907-y
- ↑ 7,0 7,1 Bidgood SR et al.: Poxviruses package viral redox proteins in lateral bodies and modulate the host oxidative response bioRxiv preprint doi: https://doi.org/10.1101/2020.12.09.418319; posted December 9, 2020.
- ↑ Andrea M. McCollum, Inger K. Damon: Human Monkeypox. Clinical Infectious Diseases, Volume 58, Issue 2, 15 January 2014, Pages 260–267, https://doi.org/10.1093/cid/cit703 Published: 24 October 2013
Bildquellen
- Elektronenmikroskopische Aufnahme des Affenpockenvirus, Public Domain, University of Wisconsin-La Crosse, Microbiology program
- Bildquelle Podcast: ©cottonbro / Pexels
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