Weinrebe
Handelsnamen: Antistax® Venencreme, Antiveno® Venentabletten u.v.a.
Synonym: Weinstock
Englisch: common grape vine
Definition
Die Weinrebe, botanisch Vitis vinifera, ist eine kletternde Holzpflanze aus der Familie der Weinrebengewächse (Vitaceae). Medizinisch genutzt wird die rote Weinrebe (Vitis vinifera var. tinctoria), eine Kulturvarietät mit roten Blättern und roten Beeren mit rotem Fruchtfleisch.
Geschichte
Die Geschichte der Weinrebe lässt sich bis in die Zeit zwischen 5.400 und 5.000 v. Chr. zurückverfolgen, wobei die ersten Anfänge des Weinbaus in der südlichen Kaukasusregion dokumentiert sind. Von dort aus verbreitete sich der Weinanbau in die Mittelmeerländer. Griechische Philosophen und europäische Heilkundige erkannten und dokumentierten die gesundheitsfördernde Wirkung von Weinprodukten. Im Römischen Reich wurde der regelmäßige Weinkonsum zur Norm und die Ausdehnung des Imperiums trug wesentlich zur Verbreitung des Weinbaus in Europa bei. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass Weintrauben bereits vor 6.000 Jahren in Ägypten verwendet wurden. Die Unterschiede in der Verwendung und Produktion von Wein in christlichen und islamischen Gebieten sowie seine Verbreitung nach Amerika können zum Teil durch sozioreligiöse Implikationen erklärt werden.[1]
Vorkommen
Die Unterart Vitis vinifera sylvestris wächst wild in den Auwäldern der Oberrheinebene, in den Flussgebieten der Donau, im Mittelmeerraum sowie in Kleinasien und Transkaukasien. Die ursprüngliche Heimat der Weinrebe ist der Kaukasus. Die Unterart vinifera wird weltweit angebaut und ist die Grundlage der Weinproduktion, was sich auch im Namen vinifera (lateinisch "vinum" für Wein und "ferre" für tragen) widerspiegelt.
Botanik
Die Blätter der ausdauernden Weinrebe sind deutlich herz- bis handförmig, fünf- bis siebenlappig und unregelmäßig gezähnt. Die kleinen, gelbgrünen, duftenden Blüten sind fünfzählig und bilden dichte, zusammengesetzte Rispen, die im Volksmund "Trauben" genannt werden. Während die Früchte der Wildform klein, länglich, dunkelblau und säuerlich sind, werden die Früchte der Kulturformen deutlich größer. Die Farbe der Rispen variiert von grünlich-gelb für Weißwein bis rötlich und blauschwarz für Rot- und Roséwein.
Bestandteile bzw. Erzeugnisse der Weinrebe haben verschieden Inhaltsstoffe, dazu gehören u.a.:
- Rotes Weinlaub (Vitis viniferae folium rubrum): Die getrockneten Blätter werden hauptsächlich während oder kurz nach der Weinlese geerntet. Diese Droge wird hauptsächlich aus Südeuropa bezogen und enthält Inhaltsstoffe wie Flavonoide (Resveratrol), Anthocyane, Gerbstoffe und Phenolcarbonsäuren.
- Traubenkernöl (Oleum Vitis viniferae e seminibus): Das aus den Kernen gewonnene fette Öl ist reich an Triglyceriden, darunter Palmitinsäure (8 bis 10 %), Stearinsäure (3 bis 5 %), Ölsäure (10 bis 20 %) und Linolsäure (65 bis 70 %). Darüber hinaus gehören zu den Inhaltsstoffen des Traubenkernöls Vitamin E, Procyanidin und Phytosterine wie β-Sitosterin.
- Weinbeeren (Fructus Vitis; syn. Weintrauben): Die reifen Früchte enthalten Weinsäure (0,3 bis 0,4 %), Äpfelsäure (0,3 bis 0,4 %), Tartrate (0,4 bis 0,6 %), Zucker (3 bis 15 %), Pektine (ca. 3 %) sowie weitere wichtige Inhaltsstoffe, darunter Quercitrin, Quercetin, Anthocyane und Vitamine.
- Rosinen (Passulae majores; syn. Uvae passae): Die getrockneten Weintrauben sind reich an Fruchtsäuren (ca. 1,5 %), Dextrose (ca. 28 %), Levulose (ca. 34 %) und Mineralstoffen.
- Korinthen (Passulae minores; syn. Uvae corinthiacae): Eine Sonderform der Trockenfrucht, die vor allem in Griechenland und Australien angebaut wird. Sie enthält höhere Konzentrationen an Zucker (ca. 53 %) und Fruchtsäuren (2,5 %).
- Wein (Vinum): Aus dem Saft frischer Weintrauben durch alkoholische Gärung hergestelltes Getränk. Zu den Inhaltsstoffen gehören Ethanol (6 bis 16 % je nach Sorte und Anbaugebiet), Zucker, Tartrate, Fruchtsäuren, Duft- und Farbstoffe, Gerbstoffe, Mineralstoffe und bioaktive Verbindungen wie Resveratrol, Alkaloide und Amine. siehe auch: Wein
Inhaltsstoffe
- Flavonoide
- Kämpferol-3-O-glucosid
- Isoquercitrin (= Quercetin-3-O-glucosid)
- Quercetin-3-O-glucuronid.
- Anthocyane
- Paeonidin
- Malvidin
- Phenolcarbonsäuren
- Kaffeesäure
- Ferulasäure
- Protocatechusäure
- Tannine
- Catechine
- Gallussäure
Ferner kommt trans-Resveratrol vor, das zur Gruppe der Stilbene gehört, vor. Als wirksamkeitsbestimmend gelten vor allem die Flavonoide.
Anwendungsgebiete
Rotes Weinlaub
Rotes Weinlaub als Trockenextrakt (DEV 4-6:1, Auszugsmittel Wasser) wurde vom Herbal Medicinal Products Committee (HMPC) als „well-established use“ zur Behandlung der chronischen venösen Insuffizienz (CVI) eingestuft. Zu den Symptomen der CVI gehören Beinschwellung, Krampfadern, Schmerzen, Schweregefühl, Müdigkeit in den Beinen, Juckreiz, Spannungsgefühl in den Waden und Wadenkrämpfe.
Das HMPC stuft rotes Weinlaub aufgrund langjähriger Erfahrungen zusätzlich als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (nach § 39a AMG) ein. Die Anwendungsgebiete umfassen die innerliche Anwendung bei venösen Durchblutungsstörungen, die sich durch Beschwerden und Schweregefühl in den Beinen, Brennen und Juckreiz bei Hämorrhoiden und Symptome der Kapillarschwäche der Haut (Besenreiser) äußern. Die äußerliche Anwendung wird bei Beschwerden und Schweregefühl in den Beinen infolge venöser Durchblutungsstörungen empfohlen.
Darüber hinaus empfiehlt auch die European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) wässrige Trockenextrakte (DEV 4-7:1) zur Behandlung von CVI-Symptomen. Weitere Zubereitungen werden bei Krampfaderbeschwerden wie Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen sowie bei Hämorrhoiden eingesetzt. Äußerlich werden Zubereitungen zur Behandlung von Krampfadern und Besenreisern auf der Grundlage langjähriger Anwendungserfahrungen angewendet.
Eine Anwendung standardisierter Pflanzenextrakte wird auch in der mittlerweile abgelaufenen S2k-Leitlinie (Stand 2019) zur Behandlung bei Varikose empfohlen.[2]
Traubenkernöl
Die Angaben zur medizinischen Wirkung von Traubenkernöl beruhen auf in vitro- und in vivo-Studien und sind daher von begrenzter Evidenz. Weitere Forschung ist erforderlich, um die Ergebnisse zu bestätigen.[3]
Traubenkernöl ist reich an Vitamin E und dem Flavonoid Procyanidin, das für seine starke antioxidative Wirkung bekannt ist. Darüber hinaus enthält Traubenkernöl einen hohen Anteil an Linolsäure, einer für den Menschen essentiellen Fettsäure, die sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirken und zur Senkung des Cholesterin- und Triglyceridspiegels beitragen kann. Diese Eigenschaften in Kombination mit dem Gehalt an Phytosterinen, insbesondere β-Sitosterin, können die Optimierung des Lipidstoffwechsels fördern und einen Schutz vor Stoffwechselstörungen bieten.
Zudem wird das Öl zur Behandlung von Hautkrankheiten wie atopischem Ekzem, Akne und Psoriasis eingesetzt, die häufig mit einem Mangel an Linolsäure einhergehen. Auch eine Unterstützung der neurophysiologischen Entwicklung und des Wachstums von Frühgeborenen durch die enthaltene Linolsäure werden diskutiert.
Pharmakologie
Die pharmakologische Wirkung der Blattdroge ist auf das darin enthaltene Resveratrol zurückzuführen – ein Stilbenderivat, das antioxidative, antiinflammatorische und tumorprotektive Eigenschaften hat. Es hemmt Enzyme wie die Cyclooxygenase-2 (COX-2) sowie die induzierbare Stickstoffmonoxid-Synthase (iNOS) und verhindert die nukleäre Translokation des Transkriptionsfaktors NF-κB, was zur Reduktion entzündlicher Prozesse beiträgt.
Charakteristisch für Resveratrol ist seine Aktivität als Kalorienrestriktionsmimetikum, das in Tiermodellen lebensverlängernde Effekte ähnlich einer Kalorienrestriktion zeigt. Dieser Effekt wird zusätzlich durch die Aktivierung von Genen erklärt, die zelluläre Reparaturprozesse und Autophagie fördern. Ein wesentlicher Mechanismus ist dabei die Aktivierung von Sirtuin-Genen, die für eine Gruppe von Enzymen kodieren, die zu den Histondeacetylasen gehören und eine erhöhte DNA-Reparaturkapazität bewirken. Darüber hinaus beeinflusst Resveratrol über die Aktivierung von SIRT1 den Stoffwechsel, indem es die Umstellung auf Fettverbrennung fördert.[4] Derzeit (2024) wird in klinischen Studien die Wirksamkeit von Resveratrol bei verschiedenen Indikationen untersucht.[5]
Anwendungsformen
Rotes Weinlaub wird in verschiedenen Darreichungsformen angeboten, darunter:
- geschnittenes Rotes Weinlaub zur Teebereitung (2- bis 3-mal täglich eine Tasse; Tagesdosis 10 bis 20 g Droge)
- pulverisierte Droge in Tabletten zur innerlichen Anwendung
- Trockenextrakte
- Dickextrakte zur Verarbeitung in Cremes und Salben
Dosierung
Fertigarzneimittel sollten zur Gewährleistung der Wirkung mit einem definierten Extraktgehalt eingenommen werden. Zur Behandlung der chronischen Veneninsuffizienz sollte eine orale Tagesdosis von 360 mg bis 720 mg gewählt werden.
Die empfohlene Anwendungsdauer beträgt 12 Wochen, wobei sich die ersten Wirkungen erst nach zwei bis vier Wochen bemerkbar machen. Eine längere Anwendung ist nach ärztlicher Rücksprache möglich.
Bei anderen Indikationen kann die Dosierung abweichen. Die genaue Dosierung ist der Packungsbeilage zu entnehmen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Nebenwirkungen sind selten. Bei Einnahme von rotem Weinlaub kann es in unbekannter Häufigkeit zu allergischen Hautreaktionen, Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden und Kopfschmerzen führen. Während der Einnahme kann eine grünlich-braune Verfärbung des Urins auftreten.
Kontraindikationen
Bei entzündeten Hautbereichen, Thrombosen, Verhärtungen des Unterhautgewebes, starken Schmerzen, Geschwüren oder plötzlichen Beinschwellungen sowie Vorliegen einer Herz- oder Niereninsuffizienz ist die Anwendung von rotem Weinlaub kritisch abzuwägen.
Es liegen keine Studien zur Unbedenklichkeit der Anwendung von rotem Weinlaub während Schwangerschaft und Stillzeit vor, weshalb hier besondere Vorsicht geboten ist. Zudem wird die Anwendung für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nicht empfohlen.
Trivia
Rotes Weinlaub war die Heilpflanze des Jahres 2023.
Literatur
- ↑ Martin et al. Grape (Vitis vinifera L.) Seed Oil: A Functional Food from the Winemaking Industry. Foods. 9(10):1360. 2020
- ↑ S2k - Leitlinie Diagnostik und Therapie der Varikose, abgerufen am 3.11.2024
- ↑ Krist, Sabine: Lexikon der pflanzlichen Fette und Öle, Springer, 02.01.2013, S. 813-819.
- ↑ Teuscher, Eberhard/Ulrike Lindequist/Matthias F. Melzig: Biogene Arzneimittel: Lehrbuch der Pharmazeutischen Biologie, 15.05.2020, S. 321
- ↑ Brown et al. Resveratrol for the Management of Human Health: How Far Have We Come? A Systematic Review of Resveratrol Clinical Trials to Highlight Gaps and Opportunities. Int J. Mol. Sci. 25(2):747. 2024
Weblinks
- Spektrum, Arzneidrogenlexikon: Vitis vinifera., abgerufen am 30.04.2024
- Arzneipflanzenlexikon: Weinrebe, abgerufen am 30.04.2024
- European Medicines Agency: Vitis viniferae folium, abgerufen am 30.04.2024 und 03.11.2024
- Rotes Weinlaub – eine venenwirksame Arzneidroge, abgerufen am 03.11.2024
- Phytotherapedia - Liste aller Phytopharmaka, abgerufen am 02.05.2024
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