Staphylokokkose (Geflügel)
Synonym: Staphylococcus-Infektion
Definition
Als Staphylokokkosen bezeichnet man endemisch oder sporadisch auftretende Infektionskrankheiten beim Geflügel, die durch verschiedene Bakterien des Genus Staphylococcus ausgelöst werden.
Ätiologie
Erkrankungen werden in erster Linie durch Staphylococcus aureus und seltener durch Staphylococcus hyicus verursacht. Andere beim Geflügel nachgewiesene Staphylococcus-Spezies spielen derzeit (2021) keine Rolle als Krankheitserreger.
Staphylokokken sind grampositive und unbewegliche Bakterien, die 0,8 bis 1,0 µm groß sind. Die Erreger können anhand charakteristischer Toxine und Fermente sowie mittels Lysotypie in wirtsspezifische Varianten mit deutlichen Virulenzunterschieden unterteilt werden. Zu den bedeutsamsten Virulenzfaktoren gehören u.a. Koagulasen, Clumping-Faktor, Protein A, Hämolysine, Proteasen, epidermiolytisch wirksame Toxine und verschiedene Kapselproteine. Beim Pathogenitätstest mit Hühnern lassen sich besonders virulente und spezifisch geflügelpathogene Varietäten identifizieren (z.B. Staphylococcus aureus var. gallinae), die α-Toxin (Hämolysin A) und bestimmte Proteasen produzieren. Diese Bakterien werden beim Menschen in der Regel nicht nachgewiesen.
Bei immunsupprimierten Tieren können jedoch auch Koagulase-negative Staphylokokken (z.B. Staphylococcus epidermidis) apparente Erkrankungen verursachen. Im Gegensatz dazu ist die klinische Bedeutung von Methicillin-resistenten Staphylokokken (MRSA) beim Geflügel noch ungeklärt.
Epidemiologie
Staphylokokkosen sind häufig vorkommende Erkrankungen des Wirtschaftsgeflügels, insbesondere junger Masthühner und Puten. Staphylococcus aureus ist ein ubiquitär verbreiteter Erreger, der sowohl bei klinisch gesunden Tieren auf der äußeren Haut und Schleimhaut des oberen Respirationstrakts als auch bei klinisch apparenten Tieren gefunden werden kann.
Eine klinisch manifeste Infektion setzt eine Immunsuppression und/oder eine Verletzung voraus, weshalb die Staphylokokkose oftmals auch als Faktorenkrankheit angesehen wird.
Pathogenese
Infektionen finden sowohl endogen (von der besiedelten Schleimhaut ausgehend) oder exogen (omphalogen, aerogen oder über Läsionen der äußeren Haut) statt. Hoch-virulente Bakterienstämme weisen dabei eine ausgeprägte Tendenz zur raschen Ausbreitung in einer Wirtspopulation auf. Sie werden entweder konnatal oder horizontal auf direktem Wege von Tier zu Tier, aber auch indirekt durch Vektoren, übertragen. Aufgrund der Modalitäten kommt es daher rasch zu einer seuchenhaften Herdenerkrankung.
Nach endogenen Infektionen findet initial eine örtlich begrenzte Erregervermehrung mit nachfolgender hämatogener Generalisation statt. Es kommt zu einer transienten Bakteriämie und/oder nicht-letaler Septikämie, die häufig mit sekundär lokalisierten Entzündungsprozessen einhergeht. Im Gegensatz dazu entstehen bei einem exogenen Infektionsweg lokale Entzündungen der Haut, die sich ausbreiten und über ein septikämisches Stadium häufig zum Tod der Tiere führen.
Die Besiedlung der äußeren Haut und/oder der Schleimhäute führt jedoch nicht zwangsläufig zu einer klinischen Manifestation. Untersuchungen zeigten, dass meistens zusätzliche Kofaktoren erforderlich sind, um eine klinische Erkrankung zu verursachen. Als prädisponierende Faktoren kommen u.a. in Frage:
Faktor | Hintergrund |
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genetisch determinierte Krankheitsanfälligkeit: | Masthuhn- und Putenhybriden sind krankheitsanfälliger als Legehuhnhybriden |
Alter: | Jungtiere erkranken rascher als adulte Tiere |
Integumentschäden nicht-infektiösen Ursprungs: | Läsionen, Nekrosen und Mikroläsionen begünstigen die Krankheitsentstehung |
Schädigungen des Respirationstrakts und der Haut durch andere Erreger: | z.B. Clostridium septicum, Escherichia coli, Avibacterium paragallinarum, Bordetella avium, Mycoplasma synoviae, Reo- und Vogelpockenviren |
Immunsuppression unterschiedlicher Genese: | z.B. Infektionen mit IBV, CIAV, GaHV-2 u.ä. |
umweltbedingte Belastungen: | führen zur Überforderung der Adaptionsfähigkeit der Tiere (z.B. Überbesatz, Unterkühlung, Überhitzung, Schadgasbelastung u.v.m.) |
Entwickelt sich jedoch ein septikämisches Krankheitsgeschehen, kommt es häufig zu massiven Schädigungen der Blutgefäßendothelien. Es bilden sich Thromben, die eine Thrombembolie verursachen. In weiterer Folge kommt es zu hämodynamischen Störungen und letztendlich auch zu Infarktnekrosen. Dieser Krankheitsverlauf endet meist mit dem Tod des betroffenen Tieres.
Beim chronischen Verlauf hingegen stehen lokalisierte und entzündliche bis regressive Prozesse (vorrangig an den Herzklappen, den Gelenken und Sehnenscheiden) im Vordergrund.
Klinik
Die Morbidität und Mortalität ist für gewöhnlich nur geringfügig erhöht. Die Gesamtmortalität liegt häufig zwischen 5 und 20 %.
Infektionen mit Staphylokokken können sich in unterschiedlichen Krankheitsbildern manifestieren:
Klinik | Hintergrund |
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Embryosterblichkeit: |
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Nabel- und Dottersackentzündung: |
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Septikämie: |
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Arthritis, Synovitis, Tendovaginitis: |
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Ostitis-Osteomyelitis-Chondronekrosis: |
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Dermatitiden: |
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Als Komplikationen können sich auch Eierstock-, Eileiter- und Kloakenentzündungen, Wundinfektionen, Pneumonien, Federfollikelentzündungen, Otitis externa, Sohlenballenentzündungen, Panophthalmie, eitrig-thrombotische Myokarditis sowie Thromboendocarditis valvularis verrucosa oder ulcerosa entwickeln.
Diagnose
Da anhand der unspezifischen Symptome keine Rückschlüsse auf das Vorliegen einer Staphylokokkose gezogen werden können, ist unbedingt ein kultureller Erregernachweis aus Organmaterial frisch verendeter oder getöteter Tiere erforderlich.
Therapie
Durch den frühzeitigen Einsatz geeigneter Antibiotika über das Trinkwasser kann das Auftreten von Neuerkrankungen wirkungsvoll verhindert werden. Die Wahl des Wirkstoffs erfolgt nach Antibiogramm. Häufig kommen Penicilline, Makrolidantibiotika, Lincosamide, Trimethoprim-Sulfonamid-Kombinationen und Fluorchinolone zum Einsatz.
Bei akut erkrankten Tieren kann auch eine parenterale Applikation durchgeführt werden. Parallel dazu sind verschiedene Maßnahmen zur Erkrankungsbekämpfung sowie -vermeidung zu treffen (z.B. gesonderte Aufstallung akut erkrankter Tiere, Reinigung und Desinfektion von Tränken u.ä.).
Prophylaxe
Ziel ist es, sämtliche prädisponierenden Faktoren abzustellen und strikte Hygienemaßnahmen einzuhalten. Zusätzlich kann durch die aerogene Verabreichung einer Suspension mit avirulenten Staphylococcus-epidermidis-Stämmen im Kükenalter (1. bis 10 Lebenstag und 4. bis 6. Lebenswoche) eine Verminderung der Erkrankungshäufigkeit erzielt werden.
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
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