Pregabalin
Handelsnamen: Algecia®, Lyrica®, Pregabador®, PregabaHEXAL®, Pregabin®, PregaTab®
Synonyme: CI-1008, Isobutyl-GABA, Pregabalinum
Englisch: pregabalin
Definition
Pregabalin ist ein Arzneistoff, der zur Therapie von neuropathischen Schmerzen, Epilepsie und generalisierten Angststörungen eingesetzt wird. Es handelt sich um ein GABA-Analogon, das zur Gruppe der Antikonvulsiva gehört.
Chemie
Pregabalin ist das Isobutylderivat der Gamma-Aminobuttersäure. Pharmakologisch aktiv ist nur das S-Enantiomer. Die Summenformel ist C8H17NO2. Der chemische Name lautet
- (3S)-3-(Aminomethyl)-5-methylhexansäure (IUPAC)
Die molare Masse beträgt 159,23 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) -1,4. Die CAS-Nummer ist 148553-50-8. Die Substanz liegt bei Raumtemperatur als weißer, kristalliner Feststoff vor, der in Wasser löslich ist.
Wirkmechanismus
Pregabalin hat analgetische, antikonvulsive, anxiolytische und sedierende Wirkungen, deren Mechanismus im Detail bisher (2024) nicht geklärt ist.
Durch die Bindung an die regulatorische α2-δ-Untereinheit spannungsabhängiger Calciumkanäle vom P/Q-Typ wird der Influx von Calciumionen in präsynaptische Neurone durch eine Konformationsänderung gehemmt. Dadurch wird die Freisetzung (Exozytose) von Neurotransmittern (z.B. Glutamat, Noradrenalin, Substanz P) vermindert und die neuronale Erregbarkeit herabgesetzt.
Pregabalin bindet nicht an GABAA- oder GABAB-Rezeptoren und wird nicht zu GABA metabolisiert. Auch die Wiederaufnahme von GABA wird durch Pregabalin nicht beeinflusst.
Pharmakokinetik
Pregabalin wird nach oraler Aufnahme rasch resorbiert. Die Bioverfügbarkeit wird auf über 90 % geschätzt. Maximale Plasmaspiegel werden nach 1 Stunde erreicht. Pregabalin bindet nicht an Plasmaproteine. Das Verteilungsvolumen beträgt 0,56 l/kgKG. Pregabalin wird praktisch nicht metabolisiert und zu 98 % unverändert mit dem Urin ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 6,3 Stunden.[1]
Indikationen
Pregabalin ist indiziert zur Behandlung im Erwachsenenalter, z.B. bei:[1]
- peripheren und zentralen neuropathischen Schmerzen
- partiellen Anfällen, mit und ohne sekundäre Generalisierung (als Zusatztherapie)
- generalisierten Angststörungen
Darüber hinaus wird Pregabalin off-label bei anderen psychiatrischen Erkrankungen, nicht-neuropathischen Schmerzen und somatoformen Störungen angewendet.
Darreichungsform
Pregabalin steht in Form von Hartkapseln zur oralen Anwendung zur Verfügung.
Dosierung
Die übliche Dosierung liegt zwischen 150 und 600 mg pro Tag. Die Dosierung muss an die Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance) angepasst werden.
Das Absetzen der Medikation sollte ausschleichend über einen Zeitraum von mindestens 1 Woche erfolgen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Bei der Anwendung von Pregabalin können u.a. folgende Nebenwirkungen auftreten:
- Absetzsymptomatik, Auftreten von Epilepsien bei plötzlichem Absetzen
- Allergie gegen den Wirkstoff, Angioödem
- Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel
- Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Flatulenz
- Neutropenie
- Pharyngitis, Dyspnoe, Atemwegsinfektionen
- gesteigerter Appetit, Anorexie, Hypoglykämie
- Euphorie, Verwirrung, Reizbarkeit, Desorientierung
- Schlaflosigkeit, Albträume
- Halluzinationen, Panikattacken, Ruhelosigkeit, Agitiertheit, Depression, Aggression
- verminderte oder gesteigerte Libido, Impotenz
- Depersonalisation
- Wortfindungsstörungen, Amnesie
- Synkopen, Muskelkrämpfe, Tremor
- Nystagmus
- Dysarthrie
- Reflexminderung, Hypästhesien, brennende Gefühlsstörungen, Schreibstörungen
- Augenerkrankungen (Verschwommensehen, Diplopie)
- verminderte Reaktions- und Verkehrstüchtigkeit
- Tachykardie, AV-Block 1. Grades, Arrhythmien, QT-Zeitverlängerung
- Aszites, Pankreatitis, Dysphagie
Kontraindikationen
Zu den Kontraindikationen gehören z.B.:
- Stark eingeschränkte Nierenfunktion
- Schwangerschaft und Stillzeit
- Anwendung bei Kindern
Abhängigkeitspotential
Auf der Grundlage von Fallserien und Fallberichten gibt es für Pregabalin Hinweise auf ein erhöhtes Abhängigkeitsrisiko, insbesondere bei Patienten mit einer bereits bestehenden Opioidabhängigkeit. Die Behandlung mit Pregabalin sollte daher bei drogenabhängigen Patienten vermieden werden.
Während der Behandlung mit Pregabalin sollte die Entwicklung einer Abhängigkeit überwacht werden.[2]
Missbrauch
Das Abhängigkeits- bzw. Missbrauchspotenzial von Pregabalin ist gut belegt.[3] Die leichte Verfügbarkeit von Pregabalin ist eine Ursache für die missbräuchliche Verwendung. Dazu hat die seit 2013 stetig steigende Verordnungshäufigkeit beigetragen (Verdopplung der verordneten DDD in diesem Zeitraum).[4]
Von den Konsumenten werden Kapseln geöffnet oder zerkaut, aber auch deren Inhalt nasal appliziert.[5] Gründe für den missbräuchlichen Konsum sind unter anderem die entspannende und euphorisierende Wirkung von Pregabalin sowie die Reduktion von Entzugssymptomen. Zudem wird die Wirkung anderer psychotroper Substanzen verstärkt.
Die als Droge konsumierten Mengen von Pregabalin entsprechen meist einem Vielfachen der therapeutischen Dosis. In der Drogenszene werden zum Teil hohe Dosen von bis zu 7.500 mg eingenommen.[6] In einer epidemiologischen Untersuchung in England und Wales wurde zwischen 2018 und 2022 eine Verdopplung der Pregabalin-assoziierten Todesfälle festgestellt.[7]
Toxizität
In der klinischen Testung wurden bis zu 2.400 mg pro Tag toleriert. Bis zu einer Dosis von 8.000 mg wurden bisher (2024) keine lebensbedrohlichen Vergiftungssymptome beschrieben. Es kam zu stärkerer Sedierung bis zur Bewusstlosigkeit, Tachykardie oder Bradykardie und neuromuskulären Störungen (z.B. Ataxie, Tremor, Faszikulation, Myoklonus, Dystonie und Asterixis).[8] In Einzelfällen traten generalisierte Krampfanfälle auf. Todesfälle wurden im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Einnahme von Alkohol, Benzodiazepinen und Opioiden berichtet.[9]
Eine primäre Giftentfernung durch Verabreichung von Aktivkohle kann innerhalb einer Stunde nach der Ingestion erfolgen. Die weitere Behandlung erfolgt in jedem Fall symptomatisch. Ein spezifisches Antidot ist derzeit (2024) nicht verfügbar. Pregabalin kann durch Hämodialyse effektiv aus dem Plasma entfernt werden (50 % des Wirkstoffs in 4 Stunden).[1]
ATC-Code
- N02BF02: Analgetika - Gabapentinoide
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Lyrica, EMA, abgerufen am 28.03.2024
- ↑ Abhängigkeitspotenzial von Pregabalin - Arzneiverordnung in der Praxis, abgerufen am 21.10.2021
- ↑ Köberle U et al. Abhängigkeitspotenzial von Pregabalin. Arzneiverordnung in der Praxis 2020, abgerufen am 14.05.2024
- ↑ Ludwig WD et al. Arzneiverordnungs-Report 2023. Berlin, Heidelberg : Springer 2024
- ↑ Evoy KE et al. Abuse and misuse of pregabalin and gabapentin: a systematic review update. Drugs 2021
- ↑ Pregabalin in Drogenszene beliebt. Illegaler Handel nimmt zu. DAZ.Online, DAZ 46/2016
- ↑ Death registrations related to Gabapentin or Pregabalin, England and Wales: 2018 and 2022, Office for National Statistics 24.01.2024, abgerufen am 14.05.2024
- ↑ Wills B et al. Clinical outcomes in newer anticonvulsant overdose: a poison center observational study. J Med Toxicol 2014
- ↑ Kalk NJ et al. Fatalities associated with gabapentinoids in England (2004-2020). Br J Clin Pharmacol 2022
Weblinks
- Drugbank - Pregabalin, abgerufen am 28.03.2024
- Pharmazeutische Zeitung Arzneistoffe - xxx, abgerufen am 28.03.2024
- Gelbe Liste Wirkstoffe - Pregabalin, abgerufen am 28.03.2024
- PharmaWiki - Pregabalin, abgerufen am 28.03.2024
- PubChem: 5486971
- MeSH: 2010044
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