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Pipamperon

Handelsname: Dipiperon®, diverse Generika
Synonym: R 3345
Englisch: pipamperone

1. Definition

Pipamperon ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der niederpotenten Neuroleptika, der in der Psychiatrie gegen aggressive psychotische Zustände und Schlafstörungen angewendet wird. Es verfügt über eine stark sedierende Wirkung, welche die antipsychotischen Effekte in der Intensität übersteigt.

2. Chemie

Pipamperon ist ein Butyrophenon-Derivat, das strukturell eng mit Haloperidol verwandt ist. Strukturell handelt es sich um ein 1,4'-Bipiperidin, das in der 1'- und 4'-Position durch 4-(p-Fluorphenyl)-4-oxobutyl- bzw. Carboxamidgruppen substituiert ist. Die Summenformel ist C21H30FN3O2. Der IUPAC-Name lautet

  • 1-[4-(4-Fluorphenyl)-4-oxobutyl]-4-piperidin-1-ylpiperidin-4-carboxamid

Die molare Masse beträgt 375,5 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) 2,32. Die CAS-Nummer ist 1893-33-0. Als Arzneistoff wird Pipamperondihydrochlorid eingesetzt.

3. Wirkmechanismus

Pipamperon entfaltet seine schwache antipsychotische, aber stark sedativ-hypnotische, erregungsdämpfende Wirkungen als Antagonist an verschiedenen postsynaptischen Serotonin- und Dopaminrezeptoren sowie an α1- und α2-Adrenozeptoren. Dazu zählen:

Die höchste Affinität besteht zum 5-HT2A- und zum D4-Rezeptor; an letztere bindet der Wirkstoff 15-fach stärker als an D2-Rezeptoren. An muskarinergen Acetylcholin- und Histamin-H1-Rezeptoren löst Pipamperon keine Wirkung aus. Die extrapyramidalmotorischen Effekte sind im therapeutischen Bereich gering ausgeprägt.[1][2][3]

4. Pharmakokinetik

Pipamperon wird nach oraler Aufnahme rasch resorbiert. Maximale Plasmaspiegel werden nach 2 Stunden erreicht. Die Plasmaproteinbindung beträgt 36 %, das Verteilungsvolumen 416 Liter (ca. 6 l/kgKG)[4]. Die hepatische Biotransformation erfolgt durch oxidative N-Dealkylierung, Piperidin-Oxidation und Keton-Reduktion zu inaktiven Metaboliten, die überwiegend mit dem Urin ausgeschieden werden. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 17 - 22 Stunden.[1][3]

5. Indikationen

Pipamperon ist indiziert zur Behandlung von[1]

Pipamperon ist nicht zur Behandlung von Verhaltensstörungen zugelassen, die bei Demenzerkrankungen auftreten.[3]

6. Darreichungsform

Pipamperon steht in Form von Tabletten sowie als Saft und Sirup zur oralen Anwendung zur Verfügung.

7. Dosierung

Die Dosierung soll einschleichend erfolgen:

  • Erwachsene p.o. initial 20 bis 40 mg/d; Dosisanpassung zwischen 20 bis 120 mg/d; empfohlene Höchstdosis 120 bis 260 mg/d; Tagesmaximaldosis 360 mg/d[1][2][3]
  • Kinder unter 14 Jahren p.o. initial 1 mg/kgKG/d; Dosisanpassung zwischen 2 bis 4 mg/kgKG/d; Tagesmaximaldosis 6 mg/kgKG/d. Da zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Pipamperon bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nur begrenzte Erfahrungen vorliegen, sollte die Verordnung unter besonderer Berücksichtigung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses erfolgen.[1]

Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.

8. Nebenwirkungen

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen von Pipamperon sind:[1][3]

Das Reaktionsvermögen wird durch Pipamperon so weit eingeschränkt, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr, zum Bedienen von Maschinen oder zum Arbeiten ohne sicheren Halt erheblich beeinträchtigt wird.

In seltenen Fällen können durch Pipamperon Herzrhythmusstörungen als Folge einer QTc-Zeit-Verlängerung, Krampfanfälle und ein malignes neuroleptisches Syndrom ausgelöst werden.

9. Wechselwirkungen

Bei gleichzeitiger Einnahme anderer Arzneimittel, welche die QT-Zeit verlängern (z.B. Antiarrhythmika der Klasse IA und III, Neuroleptika, trizyklische Antidepressiva, Fluorchinolone, Pentamidin, Halofantrin, Astemizol, Mizolastin) oder eine Hypokaliämie oder Hypomagnesiämie verursachen, können schwere Herzrhythmusstörungen (z.B. Torsades de Pointes, Kammerflimmern) ausgelöst werden.

Die durch Pipamperon ausgelöste Vigilanzstörung wird durch bewusstseinseinschränkende Wirkungen anderer Arzneimittel (z.B. Anticholinergika, H1-Antihistaminika, Baclofen, Barbiturate, Benzodiazepine, Clonidin, Neuroleptika, Opioide) und Alkohol verstärkt.

Die Krampfbereitschaft wird durch andere krampfauslösende Wirkstoffe (z.B. trizyklische Antidepressiva, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Bupropion, Neuroleptika, Tramadol, Chloroquin, Alkohol und Psychostimulanzien) verstärkt.

10. Kontraindikationen

11. Schwangerschaft und Stillzeit

Es liegen bisher (2025) keine ausreichenden Daten zur Beurteilung der Anwendung von Pipamperon in der Schwangerschaft und Stillzeit vor. Bei Frauen im gebärfähigen Alter sollte vor Beginn der Behandlung eine Schwangerschaft ausgeschlossen und danach eine sichere Kontrazeption erfolgen. Bei Neugeborenen, deren Mütter im dritten Trimenon und perinatal mit Pipamperon behandelt wurden, kam es zu postnatalen Anpassungsstörungen (z.B. Agitiertheit, gestörter Muskeltonus, Tremor, Somnolenz, Atemnot oder Trinkschwäche).

Es liegen keine Daten zum Übergang in die Muttermilch vor, aufgrund der physikochemischen Eigenschaften von Pipamperon ist das aber sehr wahrscheinlich. Bei gestillten Kindern muss mit Sedierung und extrapyramidalmotorischen Störungen gerechnet werden. Ob das Stillen unter der Behandlung zu unterbrechen ist oder auf die Behandlung während der Stillzeit verzichtet werden soll, ist im Einzelfall zu entscheiden.[1][5]

12. Toxizität

Die Symptomatik einer Überdosierung oder Vergiftung mit Pipamperon ist durch dosisabhängig zunehmende und langanhaltende Störungen der Bewusstseinslage gekennzeichnet, die über Verwirrtheit, Delir und Sopor bis zum Koma führen können. Ferner kommt es zu einem EPS und Krampfanfällen. Es können lebensbedrohliche Herzrhythmus- und Atemstörungen sowie zentrale Temperaturregulationsstörungen auftreten.

Eine primäre Giftentfernung durch Verabreichung von Aktivkohle kann innerhalb einer Stunde nach der Ingestion erfolgen. Die weitere Behandlung erfolgt unter Intensivüberwachung der Vitalfunktionen und durch symptomatische Maßnahmen. Bei EPS kann Biperiden eingesetzt werden. Aufgrund der pharmakokinetischen Eigenschaften von Pipamperon (großes Verteilungsvolumen) ist eine sekundäre Giftentfernung durch Hämodialyse nicht effektiv.[6]

13. ATC-Code

  • N05AD05 - Nervensystem - Psycholeptika - Antipsychotika - Butyrophenon-Derivate

14. Geschichte

Pipamperon gehört wie Haloperidol zur ersten Generation der typischen Antipsychotika, die bereits in den 1960er Jahren zur Behandlung der Schizophrenie zugelassen wurden. Die Butyrophenone wurden im Labor von Dr. Paul Janssen, dem Gründer von Janssen Pharmaceutica entwickelt. Pipamperon ist ein Vorläufer des atypischen Antipsychotikums Risperidon.

15. Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 Pipamperon neuraxpharm® Tabletten, Fachinformation Stand April 2018, abgerufen am 15.02.2025
  2. 2,0 2,1 S3-Leitlinie Schizophrenie. AMWF Registernummer 038 - 009, abgerufen am 15.02.2025
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Benkert O, Hippius H (Hrsg.) Kompendium der psychiatrischen Pharmakotherapie. 14. Aufl., Berlin : Springer 2023
  4. Kloosterboer SM et al. Pipamperone Population Pharmacokinetics Related to Effectiveness and Side Effects in Children and Adolescents. Clin Pharmacokinet. 2020
  5. Pipamperon, embryotox.de, abgerufen am 16.02.2025
  6. Pipamperon. In: Mühlendahl, Karl Ernst von (Hrsg.) Vergiftungen im Kindesalter. 4. Aufl., Stuttgart ; New York : Thieme 2003

16. Weblinks

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