Metaldehyd-Intoxikation (Hund)
Synonyme: Metaldehyd-Vergiftung, Trockenspiritus-Vergiftung
Definition
Metaldehyd-Intoxikationen sind selten vorkommende Vergiftungen (Intoxikationen) des Hundes mit Metaldehyd-haltigen Molluskiziden.
Chemie
Metaldehyd ist ein Polymer von Acetaldehyd, das in seiner Reinsubstanz in kristalliner, geschmack- und farbloser und leicht brennbaren Form vorliegt. Metaldehyd lässt sich in Wasser, Alkohol und Äther wenig, in Chloroform oder Benzol hingegen gut lösen.
Einsatz
Metaldehyd wird hauptsächlich als Schneckengift (Molluskizid) verwendet. Die Präparate werden zusammen mit Ködermaterial (v.a. Kleie) in Form eines gekörnten Streumittels ausgebracht. Aus den Ködern wird das Metaldehyd dann über einen Zeitraum von etwa 10 Tagen freigesetzt. Durch die handelsübliche Vergällung der Schneckenkörner werden zwar Vergiftungen bei Kindern verhindert, jedoch kann die Aufnahme großer Ködermengen durch Hunde nicht vermieden werden.
Die Schneckenkörner enthalten in der Regel 6 % Metaldehyd.
Physiologie
Nach peroraler Aufnahme wird Metaldehyd im Gastrointestinaltrakt resorbiert. Ein Teil der aufgenommenen Menge wird im Magen unter Einwirkung der Magensäure zu Acetaldehyd hydrolysiert und schließlich zu Essigsäure oxidiert. Sowohl das Acetaldehyd als auch die Essigsäure werden über die Nieren ausgeschieden.
Der andere Teil des Metaldehyds wird resorbiert und passiert anschließend die Blut-Hirn-Schranke. Bei der Verstoffwechslung wird eine Beteiligung von Cytochrom P450 vermutet, da P450-Induktoren wirkungsvoll vor einer Metaldehyd-Intoxikation schützen. Beim Hund werden weniger als 1 % der ursprünglich aufgenommenen Metaldehydmenge über den Urin ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt rund 24 Stunden. Zusätzlich geht man davon aus, dass Acetaldehyd rasch in Kohlendioxid umgewandelt und über die Atmung abgegeben wird.
Pathophysiologie
Metaldehyd hat eine reizende Wirkung auf die Schleimhäute im Magen-Darm-Trakt. Zusätzlich führt es zu einer verminderten GABA-, Norephedrin-, Serotonin- und erhöhten Monoaminooxidase-Aktivität, weshalb es einen Einfluss auf das GABA-erge System hat. Durch die verminderten GABA-, Norephedrin- und Serotonin-Konzentrationen kommt es zu zentralen Exzitationen. Der genaue Pathomechanismus ist jedoch noch (2021) unbekannt.
Aufgrund des starken Tremors erhöht sich die Körpertemperatur drastisch (Hyperthermie). Temperaturen über 42 °C bewirken innerhalb weniger Minuten massive Zellnekrosen in allen Organsystemen. Durch die Hyperthermie wird zudem die metabolische Azidose verstärkt, die durch das freie Acetaldehyd bedingt wird. Dadurch kommt es zu Hyperpnoe und zentralnervöser Depression. Überstandene Metaldehyd-Intoxikationen gehen häufig mit Leberdegeneration und -zirrhose einher.
Klinik
Die ersten klinisch manifesten Symptome treten etwa 30 Minuten bis 3 Stunden nach Ingestion auf.
Vergiftungen sind durch zentrale Krämpfe und Hyperthermie gekennzeichnet. Betroffene Tiere können innerhalb von 24 Stunden eine DIC entwickeln und an dieser oder an Atemstillstand versterben. Zusätzlich können etwa 2 bis 3 Tage nach Beginn der akuten Vergiftungserscheinungen Leberinsuffizienzen auftreten.
Organsystem | Symptome | Organsystem | Symptome |
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Allgemeinbefinden/ Verhalten: |
Nervensystem: |
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Gastrointestinaltrakt: |
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Respirationstrakt: | |
Augen: | Haut/ Schleimhäute: |
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Eine vollständige Erholung wird nach 2 bis 3 Tagen erwartet.
Pathohistologie
Im Zuge der Sektion fallen v.a. der charakteristische Acetaldehyd-Duft des Mageninhaltes sowie gestaute Leber, Nieren und Lungen bzw. interstitielle Lungenblutungen und -ödeme auf. Die Magen-Darm-Schleimhaut ist durch petechiale und ekchymatöse Blutungen gekennzeichnet. Zusätzlich können schwere subepi- und subendokardiale Blutungen gefunden werden.
In manchen Fällen lassen sich auch degenerierte Leberzellen und Degenerationen der Ganglien nachweisen.
Differenzialdiagnosen
Die Liste der möglichen Differenzialdiagnosen ist aufgrund der teils unspezifischen Symptomatik lang. Neben anderen Neurotoxinen (z.B. Blei, Bromethalin oder Organophosphate) müssen auch neurotoxische Pilze (z.B. Amanita, Tricholoma oder Psilocybe), metabolische Erkrankungen (z.B. Hypoglykämie, Urämie oder Hypokalzämie), Neoplasien, Thiaminmangel sowie infektiöse Enzephalitiden und Staupe ausgeschlossen werden.
In seltenen Fällen können auch kongenitale Erkrankungen wie z.B. Hydrozephalus, portosystemischer Shunt oder idiopathische Epilepsie ein ähnliches Krankheitsbild auslösen.
Diagnose
Sowohl die Anamnese als auch die klinische Untersuchung – in Kombination mit den Symptomen – geben Hinweise für eine Verdachtsdiagnose. Der direkte Nachweis gelingt mittels Brennprobe (z.B. Magen- oder Darminhalt) sowie mithilfe einer Gaschromatographie aus Mageninhalt, Harn oder Serum.
Im Blutbild dominieren eine Urämie, erhöhte Leberwerte (Bilirubin, AST, ALT, GPT, AP) sowie eine massive Azidose.
Therapie
Die Notfallmaßnahmen richten sich nach dem ABCDE-Schema.
Anschließend erfolgt eine Dekontamination und Elimination des Toxins mittels provozierter Emesis (Apomorphin 0,08 mg/kgKG s.c.) und/oder Magenspülung. Danach kann wiederholt Aktivkohle (1 g/kgKG p.o.) und – wenn nötig – auch Glaubersalz (0,5 bis 1g/kgKG p.o.) verabreicht werden. Zusätzlich sind sämtliche symptomatische Maßnahmen (z.B. aktive Kühlung bei Hyperthermie) und eine Behandlung der Azidose mit Bikarbonat-Infusionen durchzuführen.
Quellen
- CliniPharm CliniTox. Metaldehyd - Kleintier CliniTox Klinische Toxikologie (05.10.2021)
Literatur
- Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3
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